Podiumsdiskussion, Workshop, Forschungsausstellung bauhaus imaginista: Learning from

bauhaus imaginista © bauhaus imaginista

Fr, 23.03.2018 –
Fr, 20.04.2018

Rabat

Begegnungen und Forschung am Goethe-Institut Rabat & Le Cube – independent art room

bauhaus imaginista

Das Bauhaus gründete sich nach dem Ersten Weltkrieg 1919 mit dem ehrgeizigen Ziel, die bestehende Gesellschaft durch Kunst und Design zu reformieren – ein Bestreben, das es mit Künstlern und Intellektuellen aus Europa, Asien, Lateinamerika und den Vereinigten Staaten von Amerika teilte. Es ist ein radikaler Ansatz, der Design als soziales Projekt verstand und mit der Neuformulierung des Ausbildungssystems von Künstlern und Designern direkt an der Wurzel ansetzte.

Wie können wir diese komplexe Mission des Bauhauses aus heutiger Sicht verstehen? Im Verlauf des 20. Jahrhunderts strahlten die Grundprinzipien des Bauhauses in viele unterschiedliche Nationen und Kulturen aus, vermengten sich dort zu etwas Neuem. Wie denken wir heute über dieses vielschichtige Erbe, das uns das Bauhaus weltweit hinterließ, insbesondere unter Einbezug weltweiter geopolitischer Veränderungen? Wie können wir heute – ganz im Sinne des Bauhauses – Kultur wieder als soziales Projekt verstehen und welche Art von Institutionen würde ein solches Projekt brauchen?

bauhaus imaginista versteht Modernismus als ein von Grund auf kosmopolitisches Projekt, als etwas, dass aus dem Austausch unterschiedlicher Kulturen untereinander hervorging. In Ausstellungen, Publikationen, Symposien, Workshops und langfristigen Forschungsarbeiten spurt bauhaus imaginista nach, wie sich die Grundideen des Bauhauses durch lokale Anstrengungen wie Unabhängigkeitsbewegungen, ländliche Entwicklung und Urbanisierungsprozesse weiterentwickelten. Es erkundet Verbindungen und Ähnlichkeiten zwischen unterschiedlichen Reformbewegungen, die eines gemein hatten: Sie verstanden Kunst als Motor die Gesellschaft grundlegend zu beeinflussen und zu verändern. bauhaus imaginista erkundet, wie jede dieser Kunstbewegungen Design- und Kunstausbildung auf eigene Art und Weise neu definierte und hierfür eine Vielzahl von Quellen von der Vormoderne bis zur Avantgarde nutzte. bauhaus imaginista untersucht auch wie das Bauhauserbe im westlichen Teil Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg nachhallte und jenseits seines Kanons in oftmals unerwarteter Form in die Welt der Popkultur, des digitalen Designs und von Kunst und Technologie Eingang fand.

bauhaus imaginista lädt also dazu ein, über dringende Fragen der heutigen Kulturproduktion nachzudenken: Wie können wir uns den Wandel zu einem „globalen Denken“ mit kulturübergreifender Relevanz vorstellen? Erreichen wir durch Kunst und Design ein übergreifendes Denken und politisches Handeln? Und wie sind diese Erkenntnisse in den heutigen Kunstinstitutionen umsetzbar? Müssen wir den Aufbau unserer Institutionen neu denken?


 
Bauhaus Imaginista: learning from
Begegnungen und Forschung am Goethe-Institut Rabat & Le Cube – independent art room


Freitag, 23. März 2018 – AUFTAKT der Ausstellungs-und Veranstaltungsreihe bauhaus imaginista in Rabat
17–19 Uhr, Goethe-Institut Rabat, 7 rue Sana’a

Podiumsdiskussion mit Marion von Osten, Grant Watson (Kurator*innen bauhaus imaginista Berlin/London), Kader Attia (Künstler, Berlin), Maud Houssais (Forscherin für bauhaus imaginista, Rabat) und Fatima-Zahra Lakrissa (Kunsthistorikerin, Rabat)
19 Uhr, Le Cube – independant art room, 2 rue Benzerte, 1er étage Eröffnung der Präsentation von Forschungsarbeiten von Kader Attia ko-kuratiert von Maud Houssais für bauhaus imaginista

Samstag, 24. März, WORKSHOP nur mit Akkreditierung
10-17 Uhr Le Cube – independent art room,

Workshop mit Kader Attia und Marion von Osten im Le Cube – independent art room, konzipiert von ARAV (Atelier de Recherche en Art Visuel, Rabat) in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Rabat und Le Cube – independent art room

Dienstag, 3. April
19 Uhr, Le Cube – independent art room

Vortrag der Forscherin für bauhaus imaginista, Maud Houssais

Vom 23. März bis 20. April, Le Cube – independent art room Präsentation von Forschungsarbeiten von Kader Attia ko-kuratiert von Maud Houssais für bauhaus imaginista. Öffnungszeiten: Mittwoch-Freitag von 14 bis 17 Uhr.
Sprachen: englisch/französisch

Die Veranstaltung wird realisiert in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Rabat, Le Cube – independent art room, der Forscherin Maud Houssais und dem Künstler Kader Attia.

Das Programm in Rabat am 23. und 24. März 2018 eröffnet die Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe bauhaus imaginista.


Nassim Azerzar Nassim Azerzar Die Ausstellung „Meisterwerke Muhammedanischer Kunst” die 1910 in München zu sehen war, löste Berichten zu Folge eine ganze Welle von Studienreisen europäischer Künstler*innen in den Maghreb aus. In München waren orientalische Teppiche wie Malereien an die Wand gehangen worden, eine Präsentationsform die bei den Künstler*innen ein Umdenken hin zu einer abstrakten Formensprache auslöste. 1927 – dreizehn Jahre nach seiner bekannten Tunisreise – zeichnete der Bauhausmeister Paul Klee einen Teppich, der einen tunesischen Berber Kelim zur Vorlage hatte. Klee untersuchte dessen Formensprache und entwickelte daraus eine Art Muster, das eine Beziehung zwischen textiler Handwerkskunst, dekorativer und abstrakter Sprache herstellt. Als einer von vier Gegenständen ist Klees Zeichnung Teppich von 1927 für bauhaus imaginista Anlass, um Fragen an die globalisierte Gegenwart zu stellen. Klees Zeichnung – einer von vielen Versuchen am Bauhaus, aus prämodernen Designpraktiken zu lernen – wird zum Ausgangspunkt für Debatten um die Sammlung, Aneignung und Untersuchung von vormodernen Handwerkspraktiken in der Moderne, die bis heute weiterwirken.

Paul Klee. Kelim, 1927. Tusche auf geripptem Papier

Für den Französisch-Algerischen Künstler Kader Attia wurden nichtwestliche Objekte wie diejenigen der Berber im klassischen Museumskontext ihrer Bedeutung entledigt. Sie werden von ihrer Funktion und damit von unserem Körper und ihrem sozialen Gebrauch getrennt. Schmuck, Geschirr oder ein Musikinstrument hinter Glas präsentiert, hinterlässt diese Objekte amputiert und sinnentleert. Um ein Objekt zu verstehen, muss es laut Attia, daher wieder mit dem physischen und sozialen Körper verbunden werden. Für bauhaus imaginista wird Kader Attia eine neue filmische Arbeit produzieren. Er untersucht dabei die transkulturelle Dimension von Berberschmuck, bei dem nicht nur Metalle und Edelsteine verwendet wurden, sondern auch Münzen, die von den Kolonialmächten importiert wurden. Indem europäisches Geld im Berberschmuck eine neue Verwendung findet, werden auch die Münzen in etwas Anderes, Unerwartetes verwandelt. In Attias Arbeiten stehen die Schmuckstücke für die komplexe Beziehung zwischen Tradition und Moderne. Sie erinnern, dass die Produktion und der Gebrauch von Kulturgütern transkulturellen Begegnungen geschuldet ist und eine unvorhersehbare Zirkulation von Bedeutungen in unterschiedliche Richtungen provoziert – ein nie enden wollender Prozess von Aneignung und Wiederaneignung.

Kader Attia. Signs of Reappropriation as Repair, 2017. Single projection of 80 slides


Es ist genau dieser Prozess der Zirkulation und der Umdeutung, der für die Radikalisierung der Kunstszene Marokkos zehn Jahre nach der Unabhängigkeit zentral werden sollte. Wenig bekannt ist, dass In den 1960er-Jahren eine Gruppe von bildenden Künstlern und Intellektuellen in Casablanca die Synthese der Künste und das Werkstattprinzip des Bauhauses aufgriffen und sich lokalen Handwerkstechniken zuwandte. Die Gruppe entwickelte auf dieser Basis ein neues Curriculum in der École des Beaux Arts Casablanca, die bis dahin noch die kolonial-orientalistische Tradition der Figuration und eine Trennung in angewandte und freie Künste propagierte. Mit der Rückbesinnung auf die soziale Funktion der Künste und der Handwerkspraktiken von Künstlern und Intellektuellen wie Farid Belkahia, Mohamed Chabâa, Bernt Flint, Toni Maraini und Mohamed Melehi der Casablanca School wurde der Versuch unternommen, Kulturproduktion und Kunstausbildung zu dekolonialisieren.

In diesem Sinne wurde die Suche nach einer post-kolonialen Ästhetik eine politische Fragestellung. Die neuen Verfahren der Wissens- und Kulturproduktion wollten die Unterteilung in höhere und niedere Künste hinter sich lassen, die mit dem europäischen Kolonialismus eingeführt wurde. Eine Trennung die bis heute nicht überwunden ist. Learning From... wird in einer Reihe von Veranstaltungen und Workshops in Rabat und New York sowie in einer Ausstellung in São Paulo der Fragen nachgehen, ob und wie das Studium vormoderner Handwerkspraktiken dekolonialisiert werden kann.

bauhaus imaginista ist eine Zusammenarbeit zwischen der Bauhaus Kooperation Berlin Dessau Weimar, dem Goethe-Institut und dem Haus der Kulturen der Welt (HKW). Das Forschungsprojekt mit verschiedenen Ausstellungen, Workshops und Symposien findet anlässlich des 100. Gründungsjubiläums des Bauhauses statt. Die Goethe-Institute erweitern es durch international Perspektiven, und im Rahmen des HKW-Projekts „100 Jahre Gegenwart“ wird es in Berlin zusammengeführt. bauhaus imaginista wird ermöglicht durch Mittel der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Die Kulturstiftung des Bundes (KSB) unterstützt die Ausstellung in Berlin, das Auswärtige Amt die Auslandsstationen. Medienpartner sind 3sat und Deutschlandfunk Kultur. Partner im Ausland sind die Goethe-Institute China, New Delhi, Lagos, Moskau, New York, Rabat, São Paulo und Tokyo sowie Le Cube – independent art room (Rabat) und weitere Institutionen. bauhaus imaginista wird realisiert in Zusammenarbeit mit dem China Design Museum / China Academy of Arts (Hangzhou), der Independent Administrative Institution of National Museum of Art / National Museum of Modern Art Kyoto, dem Garage Museum of Contemporary Art (Moskau) sowie dem SESC São Paulo.

Biografien der beteiligten Künstler, Kurator*innen und Forscherinnen

Kader Attia (Berlin, Deutschland, geb. 1970) widmet sich mit seiner dynamischen Praxis der Ästhetik und Ethik unterschiedlicher Kulturen. Seine Forschung konzentriert sich auf das Konzept von Wiederherstellung und Reparatur als Konstanten menschlicher Natur, von dem die westliche und die außerwestliche Welt schon lange entgegengesetzte Vorstellungen haben. Reparatur / Wiederherstellung ist eng verbunden mit traumatischen Erfahrungen aus der Vergangenheit, die in der kollektiven menschlichen Psyche weiterleben. Anknüpfend an das Konzept der Katharsis untersucht seine Arbeit die Wiederaneignung des Bereiches der Emotion durch die Kunst – ein Bereich, der von Ethik zu Ästhetik, von Politik zu Kultur, Individuen und soziale Gruppen mittels emotionaler Erfahrungen verbindet und Gefahr läuft, von neuen nationalistischen Bewegungen besetzt zu werden.
Zu seinen neuesten Einzelausstellungen gehören „The Field of Emotion“, The Power Plant, Toronto; Museum of Contemporary Art, Sydney; SMAK, Gent; Museum für Moderne Kunst, Frankfurt; Musée Cantonal des Beaux Arts de Lausanne; Beirut Art Center; Whitechapel Gallery, London; KW Institute for Contemporary Art, Berlin; sowie Gruppenausstellungen bei der 57. Biennale von Venedig, documenta(13), MoMA, New York, der Tate Modern, London.

Maud Houssais (Rabat, Marokko) ist unabhängige Wissenschaftlerin. Sie befasst sich mit den künstlerischen Aktivitäten im öffentlichen Raum zwischen 1960 und 2000. Mit ihrer Arbeit versucht sie die alternative Szene in Marokko zu charakterisieren und greifbar zu machen. 2016 entwickelte sie gemeinsam mit Kenza Benbouchaib und Fatima-Zahra Lakrissa die erste marokkanische Plattform für kunsthistorische Forschung, ARAV („Atelier de Recherche autour des Arts Visuels au Maroc“). Von 2011 bis 2016 war sie Projektmanagerin bei dem 2002 von Abdellah Karroum gegründeten „L’appartement 22“.

Fatima-Zahra Lakrissa (Rabat, Marokko) ist Wissenschaftlerin und Kuratorin. Seit 2014 leitet sie das Kulturprogramm des Musée Mohammed VI d’art moderne et contemporain in Rabat. 2016 war sie als Kuratorin an der Ausstellung L’École des beaux-arts de Casablanca : Belkahia, Chabâa, Melehi, la fabrique de l’art et de l’histoire im Rahmen der 6. Marrakech Biennale beteiligt. Ihre Forschung konzentriert sich auf die strukturellen Bedingungen der marokkanischen Kunstgeschichte in den sechziger und siebziger Jahren. Sie verfolgt ihre unterschiedlichen Formen und Ursprünge (Pädagogik, Sammlungen, Ausstellungen, patrimoniale und historiografische Praktiken), sowie ihre Verbindungen mit anderen Disziplinen (Geschichte, Literatur, Archäologie, Soziologie).

Marion von Osten (Berlin, Deutschland) ist Ausstellungsmacherin, Forscherin und Autorin. Seit 2014 ist sie Kuratorin und künstlerische Leiterin von bauhaus imaginista (2018–2019), seit 2016 gemeinsam mit Grant Watson. Zu ihren früheren Ausstellungs- und Forschungsprojekten zählen unter anderem „Viet Nam Diskurs Stockholm” (2016) in der Tensta Konsthall, „Aesthetics of Decolonization” zusammen mit Serhat Karakayali (ith, ZHDK Zürich/ CPKC) Berlin); „Model House – Mapping Transcultural Modernisms“ an der Kunstakademie Wien und dem CPKC Berlin (2010–2013); „Action! Painting/Publishing“ in Les Laboratoires d’Aubervilliers in Paris (2011–2012); „In the Desert of Modernity ¬– Colonial Planning and After“ in den Abattoirs de Casablanca (2009) und im Haus der Kulturen der Welt in Berlin (2008); sowie das Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes „Projekt Migration“ in Köln (2002–2006); und „TRANSIT MIGRATION“ in Zürich, Frankfurt am Main und Köln (2003–2005). Marion von Osten war Professorin für Kunst und Kommunikation an der Akademie der bildenden Künste in Wien und von 1999 bis 2006 Professorin für künstlerische Praxis und Wissenschaftlerin am Institut für Theorie (ith) an der Zürcher Hochschule der Künste (ZDHK). Davor war sie Kuratorin an der Shedhalle in Zürich. Sie ist Gründungsmitglied des Center for Post-colonial Knowledge and Culture (CPKC) in Berlin.

Grant Watson lebt und arbeitet als Kurator und Wissenschaftler in London, Großbritannien. Seit 2016 ist er gemeinsam mit Marion von Osten Kurator und künstlerische Leiter von bauhaus imaginista (2018–2019). Davor war er leitender Kurator am Institute of International Visual Arts (Iniva) in London (2010–2014) und hat als Kurator am Museum für Zeitgenössische Kunst in Antwerpen (MuHKA) sowie als Kurator für visuelle Kunst im Project Arts Centre in Dublin (2001–2006) gearbeitet. Bisherige Projekte waren etwa: „How We Behave” mit „If I Can’t Dance”, das Fragen der Lebenspraxis und -politik in Städten wie London, São Paulo, Mumbai und Los Angeles untersucht; „Practice International” am Iniva in London, bei Iaspis in Schweden und Casco in den Niederlanden; sowie „Keywords” in der Tate Liverpool. Seine Forschungszusammenarbeiten „Practice International and Tagore, Pedagogy and Contemporary Visual Cultures” adressierten Fragen des Transnationalen durch die visuellen Kulturen. Watson hat sich umfangreich mit moderner und zeitgenössischer indischer Kunst beschäftigt und unter anderem eine Einzelausstellung über „Nasreen Mohamedi“ (2010) und die Gruppenausstellung „Santhal Family“ (2008) kuratiert. Watson hat darüber hinaus eine Serie von Projekten über Stoffe und Textilgeschichte entwickelt, wie etwa die Iniva-Ausstellung „Social Fabric” (2012), die in der Lunds Konsthall, im Dr. Bhau Daji Lad Museum in Mumbai und im Zheijang Kunstmuseum in Hanghzou (2016) gezeigt wurde. Watson hat einen PhD im Bereich Visuelle Kultur des Goldsmiths College und lehrt am Royal College of Art, London.

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