Filmreihe
Die Ehe der Maria Braun

Regie Rainer Werner Fassbinder, 120 Min., 1978

Goethe-Institut Mexiko

Eine Geschichte aus den Jahren des deutschen Wiederaufbaus nach dem II. Weltkrieg. Maria Braun schafft den sozialen Aufstieg, doch sie bezahlt für ihre Karriere mit einem menschlich viel zu hohen Preis. Der erste Film aus Fassbinders vielschichtiger, kritischer BRD-Trilogie endet tödlich - genau in dem Moment, in dem die Deutschen die Fußball-Weltmeisterschaft von 1954 gewinnen.

Maria und Hermann Braun hatten 1943 geheiratet; einen halben Tag und eine halbe Nacht konnten sie gemeinsam verbringen, dann mußte der Mann zurück an die Ostfront. Nach Kriegsende sucht Maria unter den ankommenden Heimkehrern vergeblich nach Hermann; gleichzeitig beginnt sie, ihr Leben besser zu organisieren, betätigt sich auf dem Schwarzmarkt und nimmt einen Job in einem Club für amerikanische Besatzungssoldaten an.

Vom heimkehrenden Willi erhält sie die Nachricht, daß Hermann an der Front gefallen sei. Im US-Club freundet sie sich mit dem Neger Bill an, sie lernt Englisch, erhält Geschenke und wird schwanger. Eines Abends, als sie mit Bill im Bett liegt, steht Hermann in der Tür; er ohrfeigt Maria, Bill fällt ihm in den Arm. Maria ist Hermanns Situation unerträglich, sie schlägt Bill eine Flasche über den Kopf.

Vor Gericht nimmt Hermann die Schuld am Tod des US-Soldaten auf sich und wird zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Maria will für ihn leben und für eine gemeinsame Zukunft arbeiten. Das Kind von Bill hat sie bereits verloren, als sie den Industriellen Oswald kennenlernt; aus der Emigration zurückgekehrt wird er seine von den Nazis enteignete Textilfabrik wieder übernehmen. Maria wird seine Assistentin und Geliebte. Oswald erfährt von Hermanns Existenz und schließt mit ihm einen Pakt.

Maria avanciert zur erfolgreichen Geschäftsfrau. Als Hermann vorzeitig entlassen wird, verschwindet er ins Ausland - mit der Begründung, er wolle sich vor seiner Heimkehr eine eigene Existenz aufbauen. Als Oswald stirbt, kehrt Hermann zurück. Eine Notarin eröffnet dem Ehepaar, daß sie beide gemeinsam das Vermögen des Industriellen erben werden. Aber Hermann und Maria kommen bei einer Gasexplosion in ihrem Haus ums Leben - am Tag des Endspiels der Fußballweltmeisterschaft 1954. Aus dem Radio, das in dem zerstörten Haus noch läuft, hört man "Deutschland ist Weltmeister!"

DIE EHE DER MARIA BRAUN war Fassbinders erster großer internationaler Kino-Erfolg. Die Idee zu diesem Film reicht zurück bis in die Jahre von HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN, als sich Fassbinder erstmals bewußt auch einer deutschen Geschichtsschreibung näherte - freilich nicht einer offiziellen politischen, sondern einer privaten Historie, in der es vor allem auch um die Geschichte individueller, aber zeittypischer Glücksvorstellungen geht.

Maria Braun "ist sicherlich keine realistische Figur, sondern etwas, was man gemeinhin eine Kinofigur nennt. Darunter verstehe ich eine Figur, die in sich sehr komprimierte Wünsche, Eigenschaften und Sehnsüchte von Zuschauern verkörpert. Man kann sagen, sie ist mutig und zielstrebig, sie ist eine, die sich voll auf ihre Gefühle verläßt und die dabei keine Transuse ist, sondern eine hoch handlungsfähige, schlaue, geschickte und realitätsbewußte Person, die - was man sonst nicht zuläßt - trotz alledem an ihren Gefühlen festhält." (Peter Märthesheimer)

Fassbinder erzählt zielstrebig, reich an Motiven und Stimmungen, eine große Chronik der Ära Adenauer, der Phase des Wiederaufbaues und der Anfänge des Wirtschaftswunders; dazu gehört auch - wenngleich mit einiger Ironie eingesetzt und kontrastiert, der Sieg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in der Schweiz 1954: der Augenblick eines wiedergewonnenen nationalen Selbstbewußtseins. Fassbinder läßt dem Finale seiner Geschichte noch eine kleine Foto-Montage folgen, mit Porträts der Bundeskanzler Adenauer, Erhard, Kiesinger (im Negativ!) und Schmidt (aus dem Negativ ins Positive überblendet); Willy Brandt fehlt in dieser Reihe, als wolle ihn der Regisseur ausnehmen aus dieser Kontinuität und würde ihn als untypisch sehen für eine Entwicklung in diesem Staat, der Fassbinder sehr skeptisch gegenüberstand.

Bezeichnend für diese Skepsis ist auch der Schluß seiner Geschichte: Ob die Gasexplosion in Maria Brauns Haus auf einen leichtsinnig verursachten Unfall zurückgeht oder auf bewußte Selbstmord-Absicht, bleibt offen - es spielt für den katastrophalen Ausgang auch keine Rolle; aber Fassbinder sieht die Katastrophe auch als symptomatisch für die Entwickung der Bundesrepublik. Während der Staat gleichsam Karriere macht und das wirtschaftliche Leben zu blühen beginnt, verlaufen die privaten Biographien kontrapunktisch. Finanziell sind Maria und Hermann am Ende weit oben angelangt, persönlich aber stehen sie vor einem Tiefpunkt, weil sie einsehen müßten, daß sie eine zu große Zeit ihres Lebens buchstäblich verkauft haben.

Hans Günther Pflaum
 

Details

Goethe-Institut Mexiko

Tonalá 43
Roma Norte
06700 Cuauhtémoc, CDMX

Sprache: Dt. mit sp. Untertiteln
Preis: Eintritt frei

+52 55 52070487 Jenny.Muegel@goethe.de
Diese Veranstaltung ist Teil der Veranstaltungsreihe Revolten.

Auditorium Altana, Tonala 43, Col. Roma, 06700 Mexiko-Stadt