Filmreihe Nicht löschbares Feuer / Videogramme einer Revolution

Regie Harun Farocki, 25 Min., 1969 / Harun Farocki, 106 Min., 1992

Nicht löschbares Feuer

Harun Farockis erster Film außerhalb der Filmakademie verbindet Didaktik und politische Agitation mit strenger Kargheit der filmischen Mittel. Gegen den Voyeurismus der Vietnamkriegs-Berichte setzt Farocki ein lehrstückhaftes Arrangement: Auf eine modellhafte Rekonstruktion der Napalmherstellung folgt ein spielerischer Aufruf zum Widerstand.

Kurz nach seinem Studium an der 1966 eröffneten Berliner Filmakademie DFFB, von der er im November 1968 mit 17 anderen politisch aktiven Studierenden relegiert worden war, begann Harun Farocki, mit finanzieller Unterstützung des WDR einen Film über Vietnam zu drehen.

Ähnlich wie Jean-Luc Godard in seiner Episode des Gemeinschaftsfilms „Loin de Vietnam“ (1967) lehnt auch Farocki jede direkte Abbildung des Kriegs in Indochina ab. Godard hatte sich stattdessen selbst an der Kamera filmen lassen und dazu über die Schwierigkeiten gesprochen, in Paris, tausende Kilometer vom Geschehen entfernt, einen Film über die die Greuel in Vietnam zu drehen.

Auch Farocki setzt den eigenen Körper gegen die Gefahr abstrahierender Bilder ein: „Nicht löschbares Feuer“ beginnt mit einer frontalen Einstellung auf ihn selbst an einem Tisch. Er liest die Zeugenaussage eines vietnamesischen Zivilisten vor, der von einem Napalm-Angriff auf sein Dorf berichtet. Anschließend blickt er von den Papieren hoch in die Kamera und fährt mit einer Überlegung zur Wirkung von Bildern fort: „Wenn wir Ihnen Bilder von Napalmverletzungen zeigen, werden Sie die Augen verschließen. Zuerst werden Sie die Augen vor den Bildern verschließen. Dann werden Sie die Augen vor der Erinnerung daran verschließen. Dann werden Sie die Augen vor den Tatsachen verschließen. Dann werden Sie die Augen vor den Zusammenhängen verschließen.“

Auf diesen Mechanismus, der das Abgebildete in der Abbildung unsichtbar werden lässt, antwortet Farocki mit einer radikalen Geste: Er greift nach einer Zigarette und drückt sie sich auf seinem Handrücken aus, während eine Stimme aus dem Off zuerst die Temperatur verbrennenden Napalms, 3000 Grad, dann die im Vergleich geringe Temperatur einer brennenden Zigarette nennt.

Nach diesem Prolog, in dem der Autor die Selbstverletzung als Authentifizierung gegen die nur scheinbar aufgeklärten Bilder der Kriegsberichterstattung setzt, wechselt der Film zu einer an Brecht geschulten Szenenfolge, die den Produktionsprozess von Napalm in modellhaften Einzelszenen des Chemiekonzerns „Dow Chemical“ rekonstruiert.

In klar voneinander abgesetzten Phasen, die mittels Wiederholung und Abweichung eine didaktische Struktur entwickeln, wird uns die etappenweise Produktion von Napalm aus vermeintlich harmlosen Bausteinen vorgeführt: Die Chefetage des Unternehmens, verschiedene Labors, der Test des Produkts an Insekten und schließlich sein Einsatz über den Feldern und Wäldern folgen aufeinander. Das Prinzip Arbeitsteilung macht einen Überblick über den Gesamtprozess unmöglich und hindert den Techniker daran, eine verantwortliche Haltung gegenüber seinem Produkt einnehmen zu können.

1969 verschärfte der Film die auch in den USA artikulierte Kritik an der Napalmproduktion. Im Rahmen der so genannten Technologiekampagne sollte er in Deutschland Ingenieure und Wissenschaftler auf ihre prekäre Beteiligung im Produktionsprozess aufmerksam machen. Über diesen unmittelbaren Anlass hinaus schließt Farocki mit „Nicht löschbares Feuer“ aber auch an die Bemühungen der frühen Kinematographie an, im filmischen Medium argumentativ und didaktisch zu operieren. Auch deshalb hat der Film eine Kraft, die über die Zeit seiner Entstehung weit hinausreicht: Fast dreißig Jahre später, im Jahr 1997, drehte die amerikanische Filmemacherin Jill Godmilow „Nicht löschbares Feuer“ Einstellung für Einstellung nach und stellte ein quasi-identisches Remake her. Diesmal allerdings auf Englisch, in Farbe und mit einem anderen Titel: „What Farocki taught“.
 

Videogramme einer Revolution

Für „Videogramme einer Revolution“ haben Harun Farocki und sein Co-Autor Andrej Ujica Amateuraufnahmen und Sendungen des staatlichen rumänischen Fernsehens nach seiner Übernahme durch die Demonstranten im Dezember 1989 gesammelt. Bilder und Töne von der historisch ersten Revolution, in der das Fernsehen eine tragende Rolle spielte. Protagonist ist die Zeitgeschichte selbst.

„The revolution will not be televised“, sang Gil Scott-Heron 1970. Knapp 20 Jahre später, im Dezember 1989, sind die Fernsehkameras live dabei, als Nicolae Ceauşescus Regime im Rumänien gestürzt wird. Entscheidender: am 22.12. wird der staatliche TV-Sender von den Demonstranten besetzt und berichtet fünf Tage lang unter improvisierten Bedingungen von den revolutionären Ereignissen, den kärglichen Prozess und die Hinrichtung des Diktatoren-Ehepaars am 26. Dezember inbegriffen.

Aus zwei Gründen scheint die rumänische Revolution beinah von selbst zu einer filmischen Verdichtung zu drängen: Erstens trennten nur zehn Tage die ersten Unruhen von der Exekution der Machthaber, und zweitens konzentrierten die Ereignisse sich auf zwei Orte – Temesvar und Bukarest.

In Harun Farockis Filmen spielt die Abbildbarkeit von politischen und historischen Prozessen von Beginn an eine zentrale Rolle. Wie lässt sich über komplexe Zusammenhänge, deren entscheidende Faktoren zumeist im Verborgenen und damit außerhalb des filmbaren Spektrums liegen, mit filmischen Mitteln handeln, ohne unzulässig zu vereinfachen oder zu verfälschen? Wie bringt man das Material zum Sprechen, ohne es den eigenen Interessen dienstbar zu machen?

In „Videogramme einer Revolution“ vertraut Farocki gemeinsam mit seinem Co-Regisseur Andrej Ujica auf die Bilder, die der Umsturz selbst hervorgebracht hat. Der Film besteht ausschließlich aus Material, das während der kurzen Zeitspanne in Bukarest und Temesvar gefilmt wurde, sei es von Amateurfilmern mit ihren Heimkameras, sei es vom staatlichen Fernsehen nach der Übernahme des Senders von den demokratischen Kräften. „Weil unsere Filmerzählung aus vorgefundenem Material zusammengesetzt ist, weil keine zentrale Regie den Personen vor oder hinter der Kamera Anweisungen gab, will es scheinen, als sei es die Geschichte selbst, die sich hier ausgestalte“, schreibt Farocki in „Substandard“, einem Text, der Gedanken des Films vorbereitet und weiterführt. In Rumänien war deshalb das Fernsehstudio neben dem Zentralkomitee der zentrale historische Ort des Umbruchs.

Schon vor der Titeleinblendung springen wir mitten in die Aufregung des geschichtlichen Moments. Eine Frau wird in ein Krankenbett gehoben. Offenbar ist sie von Mitarbeitern des Geheimdiensts angeschossen worden. Jetzt, kurz nach der Operation, hält die Verwundete vor der schwankenden Videokamera eines Augenzeugen eine flammende politische Rede: Sie solidarisiere sich mit der Jugend Temesvars gegen Ceauşescu für ein besseres Leben, für Brot und Freiheit. Die Securitate, der rumänische Geheimdienst, gehöre abgeschafft und den Diktatoren der Prozess gemacht. Ohne Pause spricht sie, im Delirium und zugleich ganz klar und deutlich weiß sie um die Historizität der Situation.

Auf diesen atemberaubenden Auftakt folgt eine Montage, die mit der chronologischen Rekonstruktion des Geschehens immer auch eine Reflexion auf seine mediale Vermittlung verbindet. „Wir stellten uns eine Erörterung vor, aber wir merkten bald, daß die Materialien zu einer filmischen Erzählung drängten. Zu einer Erzählung allerdings, deren Bruchstellen die Erörterung einschließen.“

Wie an der Bruchstelle zwischen zwei Bildern ein Argument werden kann, verdeutlicht ein Beispiel, das Farocki später in „Schnittstelle“ (1995) wieder aufgreift: Der Amateurfilmer Paul Kossigian verfolgt im Fernsehen die Rede Ceausescus. Als Ceauşescu von etwas unterbrochen wird und die Live-Übertragung für einige Zeit abbricht, um einem roten Bildschirm zu weichen, auf dem noch „Transmisiune directa“ zu lesen ist, schwenkt er vom Fernsehbild aus dem Fenster heraus auf das Bild der Straße. Dort sieht man die Demonstranten in Scharen vorbeiziehen – weg von der staatlich verordneten Kundgebung. Versteht sich die Live-Übertragung als eine Macht behauptende Geste, sind sowohl ihre technische Unterbrechung als auch ihre Konfrontation mit dem Gegenbild der Demonstranten, die den Versammlungsort verlassen, als ihre Subversion erkennbar. Beides in einem Schwenk nebeneinander zu stellen und damit gleichzeitig zu zeigen, weist die Montage als diagnostisches politisches Instrumentarium aus.
 

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