Filmreihe Nach der Revolution

Regie Dörte Franke, Marc Bauder, 92 Min., 2010

Was geschah gleich nach dem Fall der Mauer in Berlin? Welche Träume und welche Strategien verfolgten die Oppositionellen, die das SED-Regime zu Fall gebracht hatten? Was sollte aus der DDR werden? Die Gruppierungen der Opposition und Vertreter der alten Macht setzten sich am „Runden Tisch” zusammen und diskutierten über die Zukunft und über die Aufarbeitung der Vergangenheit. NACH DER REVOLUTION dokumentiert – auch aus heutiger Sicht – ein kurzes und kaum noch bekanntes Kapitel der deutschen Geschichte.

Im Dezember 1989, vier Wochen nach dem Mauerfall war die Zukunft der DDR noch ungewiss. Wie und wann sollten freie Wahlen durchgeführt werden? Mit welchem Ziel? Mit welchen Parteien und Kandidaten? Als Interims-Lösung sollte der „Runde Tisch” das Machtvakuum bis zu den Wahlen überbrücken. Beim ersten, unter der Schirmherrschaft der Evangelischen Kirche veranstalteten Treffen saßen sich 15 Teilnehmer der alten Regierung und die gleiche Zahl von Vertretern verschiedener Oppositionsgruppen gegenüber. Dörte Franke und Mark Bauder (bekannt auch durch JEDER SCHWEIGT VON ETWAS ANDEREM) konzentrieren sich auf drei damalige Protagoisten der Opposition: auf Reinhard Schult (Neues Forum), Ulrike Poppe (Demokratie jetzt) und Markus Meckel (Sozialdemokratische Partei in der DDR, 1989 gegründet, 1990 mit der SPD vereint). Das Mißtrauen zwischen den Fronten sitzt tief, immer wieder geht es auch um die Frage, wie die Geschichte des Ministeriums für Staatssicherheit und seiner Spitzel aufgearbeitet werden kann. Gregor Gysi, damals als junger Vertreter des entmachteten Systems in der Runde, plädiert fast ängstlich für das staatliche Gewaltmonopol und leugnet damit den friedlichen Charakter der erfolgreichen Revolution in der DDR. Bewundernswert bleibt dabei die keineswegs immer einige Opposition, die ohne Übereifer, engagiert und sachlich trotz der erkennbaren Zweifel an der Aufrichtigkeit der Gegenseite diskutiert. Gleichzeitig offenbart sich dabei der Gegensatz zwischen dem aufrichtigen Engagement der erkennbar jüngeren Opposition und der rhetorischen Routine der Gegenseite, die immerhin auf die Teilnahme der alten SED-Prominenz verzichtet. In einem Punkt scheinen sich alle Beteiligten zu jener Zeit einig gewesen sein: Von einer Wiedervereinigung ist nie die Rede.

Während inzwischen viele Szenen und Bilder vom Fall der Mauer durch das Fernsehen fast zu Ikonen geworden sind, überrascht NACH DER REVOLUTION mit bis heute weitgehend unbekannten Aufnahmen vom Runden Tisch. Aufgenommen hat sie der 1991 verstorbene Klaus Freymuth, dem Dörte Franke und Mark Bauder diesen Film gewidmet haben. Die beiden Filmemacher montieren die Bilder vom Runden Tisch mit Archivaufnahmen von Demonstrationen und ihrer Unterdrückung durch das SED-System, sie beobachten den Ausgang der ersten freien Wahlen und die Enttäuschung der jungen Oppositionellen: Die CDU gewinnt, die Mehrheit hat sich für den „reichen Onkel” aus dem Westen entschieden, die SPD und die engagierten Erneuerer haben keine Chance; allein die PDS als Nachfolgepartei der SED, sieht, nach überraschend guten Ergebnissen, Anlaß zum Feiern. Zwanzig Jahre später beobachtet der Film die drei Protagonisten, Reinhard Schult, Ulrike Poppe und Markus Meckel, noch einmal. Die Macht und den Einfluss haben andere errungen, aber die Revolutionäre von einst engagieren sich noch immer. Ulrike Poppe, die 2009 „Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur” in Brandenburg wurde, beantwortet die Frage, ob sie sich zu den Verlierern der Revolution zähle, da sie und ihre Freunde nicht an die Macht gekommen sind, mit ungebrochenem Idealismus: „Das war nicht das Ziel, sondern ein Beitrag zum Entstehen einer Demokratie!”

NACH DER REVOLUTION ist durch die Montage, die immer wieder die Ebenen und die Zeiten wechselt, eine eher komplizierte Arbeit, die beim Zuschauer auch eine gewisse Kenntnis vom Ende der DDR und den Folgezeiten voraussetzt. Deshalb ist sie weit besser für einen Einsatz im Zusammenhang mit thematisch ähnlichen Filmen geeignet, als das in einer isolierten Vorführung der Fall wäre.

Marc Bauder

Geboren am 21.12.1974 in Stuttgart. 1996-2001 Betriebswirtschaftslehre in Köln, St. Gallen und New York, Diplomkaufmann. 1999 Gründung der Bauderfilm. 2001-04 Studium an der HFF Potsdam-Babelsberg.

Filmographie

1999/2000 KEINE VERLORENE ZEIT
2003 GROW OR GO – DIE ARCHITEKTEN DER GLOBAL VILLAGE
2005/2006 JEDER SCHWEIGT VON ETWAS ANDEREM
2010 NACH DER REVOLUTION
2010/2011 DAS SYSTEM – ALLES VERSTEHEN HEISST ALLES VERZEIHEN

Dörte Franke

Geboren am 26.11.1974 in Leipzig. 1982 Ausreise in die Bundesrepublik. 1994-2001 Studium der Politikwissenschaft in Köln. Romanautorin, Publizistin. Seit 2001 Studium an der HFF Potsdam-Babelsberg, Fachrichtung Dramaturgie.

Filmographie

1999/2000 KEINE VERLORENE ZEIT
2003 GROW OR GO – DIE ARCHITEKTEN DER GLOBAL VILLAGE
2005/2006 JEDER SCHWEIGT VON ETWAS ANDEREM
2007/2008 STOLPERSTEIN
2010 NACH DER REVOLUTION
2010/2011 DAS SYSTEM – ALLES VERSTEHEN HEISST ALLES VERZEIHEN
 
 

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