Markus Ebner, Chefredakteur des Modemagazins „Achtung“, stellt zehn seiner Lieblings-Fotografen in kurzen Porträts vor.
Um als Modefotograf Karriere zu machen, geht man am besten ins Ausland. Außer F. C. Gundlach in den Nachkriegsjahren hat es niemand wirklich geschafft, sich allein durch seine Arbeit in Deutschland einen Namen zu machen: Peter Lindbergh wurde in Paris groß, Juergen Teller arbeitet von London aus, und Ellen von Unwerth pendelte während ihrer erfolgreichsten Zeiten bei der amerikanischen Vogue immer zwischen Paris und New York.
Das liegt zum einen wohl daran, dass es in Deutschland nicht die eine Modehauptstadt gibt. Immer geht es hin und her zwischen München, Berlin, Düsseldorf und ein bisschen Hamburg – und dass es außer Jil Sander und Wolfgang Joop nicht viele Modedesigner gab, die auch international auf sich aufmerksam gemacht haben. Deutschland war immer ein Land, in dem die Mode der Industrie angehörte, in dem man Masse, nicht Klasse machte – zum Beispiel mit den Marken s.Oliver, Marc Cain oder Esprit. Somit fehlten den Fotografen die aufregenden Kollektionen und auch die guten Models, und sie mussten ihre Standorte ins Ausland verlegen. Wir Deutsche sind es gewohnt, die Mode bei den anderen zu sehen, was die Etablierung einer deutschen Modefotografie auf internationaler Ebene bisher behindert hat.
Im Modemagazin Achtung arbeiten wir ausschließlich mit deutschsprachigen Fotografen zusammen, um eine Klarheit in der Kommunikation und in der Bildsprache zu erreichen. Wenn am Set deutsch gesprochen wird, kann man sich präziser ausdrücken, als über englische Stilklischees wie modern und beautiful. Auch Österreicher und Schweizer gehören zu unserem Team, allen voran der Wiener Jork Weismann und der Zürcher Walter Pfeiffer, beide Chef-Fotografen bei Achtung. Sie werden hier allerdings nicht aufgeführt, da wir uns auf deutsche Fotografen beschränken und auch bewusst die großen Namen auslassen, wie beispielsweise Juergen Teller, der durch seine Veröffentlichungen in den Magazinen W oder The Face im Ausland prominent wurde. Vorgestellt wird hier ausschließlich die Generation der 20- bis 50-Jährigen, deren Bildsprache von deutscher Kultur geprägt ist und die regelmäßig in Deutschland publizieren.
Viele junge Fotografen sind nach Lehrjahren im Ausland in ihre Heimat zurückgekehrt, in die inoffizielle Modehauptstadt Berlin – um hier zu arbeiten oder sich zumindest regelmäßig dort aufzuhalten. Sie kennen internationale Standards und wollen die deutsche Modefotografie weiterdenken.
Er ist eine der wichtigsten Stimmen in der neueren Modefotografie: Sannwald macht durch fantasievolle Bildkompositionen und starke Farben auf sich aufmerksam. Der in Kempten geborene Fotograf hat ein Faible für Wien und lebt in London. Das Ungewöhnliche: Er hat es innerhalb kürzester Zeit geschafft, regelmäßig für Magazine wie i-D, Arena Homme +, Vogue UK und Numéro zu arbeiten. Wäre der Designer Bernhard Willhelm Fotograf geworden, sähen seine Bilder vielleicht so aus wie die von Daniel Sannwald: hyperkreative Anhäufungen von außergewöhnlichen Ideen und Anregungen, oft den männlichen Körper zeigend. Wie Willhelm wurde auch Sannwald in Antwerpen sozialisiert und hat dort einen Master-Studiengang an der Royal Academy of Fine Arts mit Auszeichnung abgeschlossen. Seine Fotos hat Sannwald vielfach ausgestellt, unter anderem in Gruppenausstellungen in Galerien und Museen wie dem FOAM (Fotografiemuseum Amsterdam), dem Barbican Centre in London, in den Deichtorhallen in Hamburg und im C/O Berlin. Sannwalds Fantasie wird auch in der Modebranche anerkannt. Seit 2012 macht er Foto- und digitale Collagen für die Modemarke Iceberg und Musikvideos für Künstler wie John Legend und M.I.A. Nicht zuletzt leitet er Workshops an Universitäten wie der Ecole Cantonale d´Art de Lausanne – in den Augen vieler eine der besten Fotografenschulen Europas. Fast unbekannt in Deutschland, wird Sannwald von allen deutschen Modefotografen international am meisten Beachtung geschenkt.
Die in Frankfurt geborene und in Paris lebende Fotografin arbeitet regelmäßig für die französische Vogue und hat zuletzt eine Modeausgabe des Zeit-Magazins fotografisch verantwortet. Die französische Vogue bleibt das Nonplusultra für Modefotografie, und deutsche Mitarbeiter findet man dort nur selten. Glamour und Sex sind die Erkennungsmerkmale eines Katja-Rahlwes-Fotos. Dass sich deutsche Sensibilität durchaus dafür eignet, Bilder mit sexueller Energie aufzuladen, hat schon Helmut Newton bewiesen. Rahlwes hat in Paris zuerst als Stylistin für Avantgarde-Modemagazine wie Self Service und Purple gearbeitet, bevor sie hinter die Kamera wechselte. In der Modefotografie ist es wichtig, dass sich der Fotograf mit Mode auskennt und ein gewisses Stilempfinden besitzt. Richard Avedon zum Beispiel war bekannt dafür, beim Styling der Kleidung selbst mitzuwirken, bevor er auf den Auslöser drückte. Rahlwes spezialisiert sich vor allem auf die Inszenierung von Frauen. Oft erinnern ihre Arbeiten an Filmstills eines Rainer-Werner-Fassbinder-Films: subversiv, sexy und elegant.
Es ist nicht vielen Modefotografen vergönnt, Bilder zu schaffen, die es in den Mainstream der Popkultur schaffen. Genau das hat der Norddeutsche Horst Diekgerdes erreicht, als er das Album-Cover von der Britpop-Band Pulp This is Hardcore geschaffen hat. Unter Anleitung des legendären Art-Direktors Peter Saville hat Diekgerdes für dieses Cover eine junge Frau, die auch ein Pornostar sein könnte, in sexuell eindeutiger Pose fotografiert. Das Album wurde ein voller Erfolg. In England kokettiert die Popmusik gerne mit der Mode und so kommt es, dass Stylisten, Designer und Fotografen eng miteinander verbunden sind. Unvergessen ist beispielsweise der Union-Jack-Mantel von Alexander McQueen für David Bowie. Diekgerdes fotografiert seit den Achtzigerjahren in dieser Szene – auch für die coolsten Modemagazine der Welt, vor allem für Another Magazine, und für viele Modemarken wie Sonia Rykiel und Chloe. Er hat den Ruf, der technisch Beste seiner Zunft zu sein. Licht setzen, Schärfen und Brennweiten erörtern, Locations aussuchen, Models wählen, Haare und Make-up – selbst das Styling ist ihm wichtig und er überlässt nichts dem Zufall. Nach langen Jahre in der Modehauptstadt Paris, wo er auch regelmäßig auf den Mode-Shows anwesend ist, wohnt Diekgerdes mittlerweile in Zürich und reist von dort aus für seine Aufträge um die Welt. Seine Arbeiten wurden bereits am Institute of Contemporary Art in Boston, am Fotomuseum Winterthur und in den Hamburger Deichtorhallen gezeigt. Diekgerdes bereitet zusammen mit dem Art-Dirketor Beda Achermann ein „Best of“ seiner Arbeiten im Format des Coffee-Table-Books vor.
Berlin, Hamburg, Paris – das sind die Karriere-Stationen von Ralph Mecke, der seit 2012 in New York lebt. Er ist einer der wenigen Fotografen, die höchste Weihen von Anna Wintour empfangen haben. Nicht nur hat er die Chefin der amerikanischen Vogue in ihrem Büro in New York getroffen, er ist auch regelmäßig auf Reisen für ihr Magazin. Zuletzt hat er den amerikanischen Außenminister John Kerry in New York porträtiert – ein Job, den normalerweise Annie Leibovitz macht. Mecke hat es geschafft, über seine Porträts den Fuß in die Tür der wichtigsten Modezeitschrift der Welt zu bekommen. Der gebürtige Berliner hat sich in Berlin ein kleines Museum eingerichtet, das gar keines ist: Wer durch die Räume von Anna Marie Jagdfelds konkurrenzlosem Modekaufhaus – dem Quartier 206 in der Friedrichstraße – spaziert, um die neuesten Kollektionen zu inspizieren, sieht beim Treppen-Auf- und Absteigen die Highlights von Ralph Meckes Fotografien. Seine Arbeiten sind stets auch abseits des Inhalts einfach gute Fotos – und immer Porträts: des Models, des Kleidungsstücks und am Ende des Designers selbst. Mecke hat wie kein zweiter Modefotograf eine dreidimensionale Wahrnehmung für seine zweidimensionale Arbeit.
Der Südtiroler Markus Pritzi hat seinen Beruf von der Pike auf gelernt. Nach einigen Jahren auf der Fotografenschule hat er in München als Assistent bei Werbefotografen gearbeitet. Zu einer Zeit, in der man für Bademodenproduktionen noch regelmäßig in die Karibik und nach Mallorca flog, und München – wo Pritzi neben Paris wohnt – noch eine Hochburg für diese Art der Fotografie war. So hat Pritzi über Jahre gelernt, wie man Licht einsetzt und mit Models arbeitet. Während dieser Lehrzeit hat er sich in die internationale Modefotografie verliebt und die entsprechenden Magazine studiert. Pritzi sammelt Moodboards und archiviert das, was ihm am meisten gefällt, für zukünftige Arbeiten. Selbst erfolgreich mit Werbekunden, hat sich Pritzi mit viel Ehrgeiz und einem klaren Stil, der das Model hervorhebt, mittlerweile zu einem der Besten seines Fachs entwickelt. In letzter Zeit arbeitet er oft wieder analog. Die Fotostrecken für Achtung zeichnen sich durch eine präzise Schönheit aus, denn man sieht bei Pritzis Fotos immer alles: Model, Kleidung, Haare, Make-up und den Ort.
Helwig ist wie Juergen Teller schon früh nach London gegangen und hat sich dort einen Namen bei The Face und als Schüler von Terry Jones bei i-D gemacht. Die gebürtige Hamburgerin hat einen frischen Stil und lässt sich nicht so schnell unterkriegen – auch nicht von launischen Modedesignern. Porträts von diesen sind Helwigs Spezialität. Auch ihre direkte Herangehensweise des Point-and-Shoot-Stils hat ihr über die Jahre immer wieder geholfen, die Bildsprache modern zu halten. Helwig blitzt gerne und eines meiner Lieblingsfotos von ihr zeigt Boris Becker, wie er im Astronautenanzug durch Pubs spaziert. Obwohl zwischen London und Wales pendelnd, fotografiert Helwig regelmäßig für deutsche Magazine und wurde gerade in der Kategorie Mood- und Modefotografie des Jahres für eine Männermode-Strecke im Zeit-Magazin ausgezeichnet.
Markus Jans ist der einzige in Berlin lebende Modefotograf mit internationalen Kunden. Wie in allen Metiers ist vor allem bei der Modefotografie eine gründliche Recherche das allerwichtigste. Steven Meisel, die unangefochtene Nummer eins der Branche mit Sitz in New York, ist bekannt dafür, dass seine Modefotos wie Kopien von berühmten Gemälden wirken und dass er regelmäßig auf die Schauen der wichtigsten Designer geht, um sich selbst ein Bild zu machen. Markus Jans, als einer der wenigen deutschen Fotografen, tut es Meisel gleich: Er besucht regelmäßig Pariser Schauen und kennt sich demnach gut aus mit Mode. Seinen Bildern ist das anzusehen. Jans arbeitete außerdem mehrere Jahre mit der New Yorker Künstlerin Nan Goldin an Foto- und Buchprojekten. Technisch nahezu perfekt, wechselt Jans entsprechend der Aufgabe seinen Stil, bleibt dabei aber immer passionierter Modefotograf. Auch plant er seine Locations mit großer Sorgfalt, zum Beispiel einen Schweizer Gletscher für ein Haute-Couture-Shooting mit Achtung. Zuvor plante er Szenarios, um dann mit Model, Kleidern und Team beim Modeshooting selbst schnell und konzentriert arbeiten zu können. Jans fotografiert inzwischen für das New Yorker Magazin W, macht regelmäßig Fotostrecken für die L´Uomo Vogue und hat auch schon internationale H&M-Kampagnen gemacht.
Wer hätte gedacht, dass man sich als Stilleben-Spezialist zum Modefotografen mausern kann. Doch genau das hat der gebürtige Franke Peter Langer geschafft. Durch seine wöchentliche Kolumne im Zeit-Magazin, bekommt er internationale Aufmerksamkeit und hat dabei seine eigene Bildsprache geschaffen, um Mäntel, Jacketts und Kleider in Szene zu setzen. Langer wechselt seinen Stil wie die Mode selbst. Als einer der ersten deutschen Fotografen mit täglichem Fotoblog, für den er auch viele Menschen fotografierte, ist Langer heute bei barocken und fantastischen Collagen angekommen. Dass er auch Menschen und Mode bestens inszenieren kann, hat er bei der ersten Ausgabe des Food- und Fashion-Magazins Achtung Appetit bewiesen, für das er nicht nur die Drei-Sterne-Gerichte im Hotel Bristol in Paris fotografiert hat, sondern auch die Gäste. Mittlerweile ist er international anerkannt und arbeitet auch für eines der besten europäischen Magazine, das Supplement M von Le Monde in Paris.
Foto: FAZ/Helmut Fricke Porträt Helmut Fricke, Foto: Alfons Kaiser
Helmut Fricke ist 1954 geboren und damit der älteste Fotograf in dieser Auswahl. Er fährt seit zwei Jahrzehnten zu den Schauen nach Paris, Mailand und New York. Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung macht er Fotos, die dem Stil seines schreibenden Kollegen Alfons Kaiser entsprechen: atmosphärisch dicht, journalistisch genau und manchmal pointiert zugespitzt. Die beiden haben es spätestens seit Existenz der Mode-Website style.com aufgegeben, jeden einzelnen Look zum Close-Up heranzuzoomen, denn auf den beliebtesten Websites der Modewelt sieht man alle Looks nun schon im Live-Stream. Das Print-Medium, das im Internet-Zeitalter immer Verspätung hat, muss die Mode mit einem weiteren Blick sehen. Frickes Fotos, von denen einige schon in Achtung erschienen, sagen oft mehr, als die Kollektionen selbst. Als Redaktionsfotograf einer der wichtigsten deutschen Zeitungen ist Fricke, wenn man so will, das „fotografische Gedächtnis“ unserer Gesellschaft. Er fotografiert eigentlich aktuelle Ereignisse wie Parteitage, Gipfeltreffen und Buchmessen oder macht Porträts von Politikern, Wirtschaftsführern und Schriftstellern. Dennoch ist Fricke bei den Modeschauen immer unter den ersten und schafft es, sich im Gedränge der Laufstegfotografen, die streng hierarchisch organisiert sind, Armraum für den besten Schuss zu verschaffen.
Es ist der Traum vieler deutscher Kreativschaffender zwischen 20 und 30 Jahren, in New York zu Hause zu sein. Schon immer als Referenz für neue Bewegungen in Kultur und Kunst, übt New York auf Hamburger, Münchener und Berliner eine große Faszination aus. Es in New York zu etwas zu bringen, ist Zeichen dafür, dass man es geschafft hat. So sind also die beiden jungen Modefotografen Maximilian von Gumppenberg und Patrick Bienert dem Lockruf der Stadt gefolgt und haben sich in Brooklyn niedergelassen. Sie arbeiten regelmäßig für die deutsche Vogue und fotografieren regelmäßig für Carine Roitfelds CR Fashion Book. Von Gumppenberg und Bienert haben ein gutes Gespür für Mode und besuchen auch regelmäßig die Schauen. Anstatt von Shoot zu Shoot zu stürmen, wählen sie ihre Projekte gut aus und feilen länger an ihrer Arbeit. So machen sie sich vor einem Shoot oft genaue Skizzen, um ihr Konzept dann methodisch durchzuziehen – und wenn es mal länger dauert, ziehen sie es in eigener Verantwortung durch. Diese ruhige Herangehensweise ist für sie der Schlüssel zum Erfolg.