Studieren in Deutschland
Mehrsprachigkeit: ja, alles auf Englisch: nein!

Studieren in Deutschland
Foto: TU Ilmenau/ari

Noch nie waren so viele ausländische Studierende an deutschen Universitäten immatrikuliert wie heute. Deutschland ist nach Großbritannien das am meisten nachgefragte Land Europas. Entsteht so eine Kultur der Mehrsprachigkeit an deutschen Universitäten?

Studieren in Deutschland ist beliebt. Das zeigen die mehr als 300.000 ausländischen Studierenden, die derzeit an deutschen Universitäten und Fachhochschulen immatrikuliert sind. Das heißt, dass mittlerweile etwa jeder zehnte Student aus dem Ausland kommt – ein Rekordwert. Das ist das Ergebnis der Studie Wissenschaft Weltoffen 2014 des Bundesbildungsministeriums, des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD) und des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW). Der Bericht wird jedes Jahr auf Grundlage der Studierenden- und Prüfungsstatistik des Statistischen Bundesamtes erstellt und zeigt: Geht es um den beliebtesten Studienstandort weltweit, ist Deutschland auf Platz vier. Davor kommen nur noch die USA, Großbritannien und Australien.

Mit einem Buddy durch den Behördendschungel

Der größte Anteil aller ausländischen Studierenden in Deutschland kommt aus China (12,5 Prozent), Russland (5,3 Prozent) und Österreich (4,2 Prozent). Mehr als zwei Drittel von ihnen ziehen in die Bundesrepublik, um hier ihren Bachelor- oder Masterabschluss zu machen. Die meisten studieren Ingenieurswissenschaften, beliebt sind aber auch Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Die Ergebnisse zeigen: Diversität lebt. Doch was wird tatsächlich getan für die Mehrsprachenkultur an deutschen Universitäten? An der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) werden 22 englischsprachige Masterstudiengänge angeboten. Die Universität bietet ausländischen Studierenden die Möglichkeit, sich vor dem Semesterstart grundlegend über ihre neue Studienheimat zu informieren, indem sie gemeinsam mit dem Internationalen Universitätsclub München Vorbereitungs- und Sprachkurse, Exkursionen und Welcome Days organisiert. Sind die Studierenden immatrikuliert, können sie am sogenannten Buddy-Programm teilnehmen: Hier helfen deutsche Studierende ausländischen Studenten, sich in München zu orientieren und begleiten sie zum Beispiel zu Behörden. Sie sind eben Buddys – echte Kumpel.

„Englisch und damit hat's sich – das ist uns zu wenig“

Insgesamt sind derzeit circa 7.500 ausländische Studierende an der LMU eingeschrieben, das sind rund 15 Prozent aller Studierenden. „Eine ganze Menge, die zeigt, dass unsere Bemühungen aufgehen“, sagt Dr. Stefan Lauterbach, Leiter des Referats für Internationale Angelegenheiten der LMU. „Trotzdem ist es nicht unser Ziel, wie es zum Beispiel die TU München vorhat, irgendwann alle Masterstudiengänge nur noch auf Englisch anzubieten.“ Als Grund dafür nennt der 56-Jährige die Wichtigkeit der deutschen Sprache als Wissenschaftssprache, denn nicht in allen Fächern sei Englisch so durchschlagend wie in den Naturwissenschaften. „Im kulturwissenschaftlichen Bereich und in den Sozialwissenschaften hat Deutsch durchaus seine Berechtigung, deshalb wollen wir nicht in dieses Horn stoßen: Englisch und damit hat‘s sich – das ist uns zu wenig.“ So will die LMU osteuropäischen Studenten entgegenkommen, die häufig Deutsch als erste Fremdsprache gelernt haben.

Studieren in Deutschland Foto: TU Ilmenau/ari Auch an kleineren Universitäten, wie der TU Ilmenau in Thüringen, ist Mehrsprachigkeit im Trend. „Wir haben vier englischsprachige Masterstudienangebote, die sind sehr nachgefragt“, sagt Dr. Frank March, Leiter der TU Ilmenau International School. Die Nachfrage boomt, das zeigt sich auch auf dem Campus: 13 Prozent der Studierenden haben hier einen ausländischen Pass, 70 verschiedene Nationalitäten sind es insgesamt. „Die meisten kommen aus China, Russland und Syrien“, sagt March und bestätigt so die Ergebnisse der Studie Wissenschaft Weltoffen 2014.

Internationalität von zu Hause aus

Thüringen steht hoch im Kurs und ist neben Hessen das Bundesland, das im Vergleich zu 2008 am meisten zusätzliche ausländische Studierende für sich gewinnen konnte. Das bedeutet eine Steigerung um knapp 35 Prozent. Um alle Nationalitäten zusammenzubringen, gibt es auch in Ilmenau viele Initiativen, ausländische Studierende auf dem Campus zu integrieren, aber auch die Deutschen für internationale Studierende zu sensibilisieren. Eine Besonderheit ist die ISWI, die International Student Week in Ilmenau. Der dazugehörige gleichnamige Studentenverein organisiert dieses weltweit größte internationale Studierendentreffen alle zwei Jahre für jeweils zehn Tage. Hunderte internationale Studenten treffen sich dann in der kleinen Stadt am Thüringer Wald und stellen in diversen Veranstaltungen ihre unterschiedlichen Kulturen vor. „Das schaffen die besser, als wenn man es über die offizielle Schiene fahren würde“, sagt March lachend.

Trotz aller Internationalität stellt March, genau wie sein Kollege in München, fest: „Es gibt einen Grundsatz: Wir bleiben eine deutschsprachige Universität.“ Denn auch er sieht Deutsch nach wie vor als wichtige Wissenschaftssprache an, die nicht durch das Englische ersetzt werden sollte.

In München wie in Ilmenau setzt man daher zukünftig neben dem Ausbau englischsprachiger Master auf das Prinzip Internationalisation at home, was bedeutet, Internationalität – und damit auch Mehrsprachigkeit – für Deutsche zu Hause erlebbar zu machen. So sollen unter anderem alle Studierende zusätzliche Sprachen an den örtlichen Spracheninstituten erlernen oder sich verstärkt an Projekten, wie dem Buddy-Programm, beteiligen können.