Podiumsgespräch Fatma Aydemir: Das heimatlose europäische Migrantenkind

Fatma Aydemir © Bradley Secker

Di, 13.02.2018

20:00 Uhr

De Balie

Fatma Aydemir

Fatma Aydemir, Murat Isik und Paul Scheffer im Gespräch

In Europa wachsen zur Zeit Migrantenkinder der dritten Generation auf. Dabei stellt sich immer häufiger die Frage, inwiefern sich die Immigrantennachkommen in der Gesellschaft zu Hause fühlen, in der sie aufgewachsen sind und wie es ihnen gelingt, trotz der Außenseiterposition, einen Platz in dieser zu finden. Diese Diskussionsthemen stehen im Mittelpunkt des Debutromans Ellbogen der deutschen Autorin Fatma Aydemir, die selbst Enkelin türkischer Einwanderer ist.


Ellbogen

Sie ist siebzehn. Sie ist in Berlin geboren. Sie heißt Hazal Akgündüz. Eigentlich könnte aus ihr eine gewöhnliche Erwachsene werden. Nur dass ihre aus der Türkei eingewanderten Eltern sich in Deutschland fremd fühlen. Und dass Hazal auf ihrer Suche nach Heimat fatale Fehler begeht. Erst ist es nur ein geklauter Lippenstift. Dann stumpfe Gewalt. Als die Polizei hinter ihr her ist, flieht Hazal nach Istanbul, wo sie noch nie zuvor war. Warmherzig erzählt Fatma Aydemir von den vielen Menschen, die zwischen den Kulturen und Nationen leben, und von ihrer Suche nach einem Platz in der Welt. Man will Hazal helfen, man will mit ihr durch die Nacht rennen, man will wissen, wie es mit ihr und mit uns allen weitergeht.

Aydemirs kontroverser Debütroman stieß bei seinem Erscheinen in der Literaturwelt auf große Resonanz und wurde mit dem renommierten Klaus-Michael-Kühne-Preis ausgezeichnet.
"Ellbogen ist ein Tritt in den Magen. Genauer, zwei Tritte. Einer für die frauenfeindliche türkische Gesellschaft und einer für die Verlogenheit der ach so liberalen Deutschen", so die Süddeutsche Zeitung.

Aydemir spricht an diesem Abend sowohl über ihren Roman, als auch über Themen wie Machtrelation, Integration und Multikulturalismus. Mit dem Publizisten und Hochschuldozenten Paul Scheffer und dem Autor Murat Isik stellt sich Aydemir der im Roman aufkommenden Fragen und diskutiert mit ihnen die Wichtigkeit der Eigenverantwortung und den Einfluss der Gesellschaft auf das individuelle Leben.
 
Fatma Aydemir studierte in Frankfurt Germanistik und Amerikanistik. Sie schreibt unter anderem für die Zeitung taz über Popkultur und, mit Bezug auf die Türkei, über politische Themen. Sie gründetet außerdem das zweisprachige Webportal taz.gazete, mit dem sie unter anderem über die Einschränkungen der Pressefreiheit in der Türkei berichtet.

Paul Scheffer ist Publizist und Professor für europäische Studien an der Universität Tilburg und an der Universität Amsterdam. In Europa und vor allem in den Niederlanden hat er eine Vielzahl an Schriften publiziert, unter anderem Het multiculturele drama (2000), Het land van aankomst (2007) und De vrijheid van de grens (2016), worin er darlegt, dass eine offene Gesellschaft nur durch räumliches Abgrenzen funktionieren kann.

Murat Isik (1977) debütierte 2012 mit dem Roman Verloren grond, der ins Deutsche, Schwedische und Türkische übersetzt wurde und für den Isik den Bronzen Uil Publieksprijs erhielt. Darüber hinaus wurde er für den amerikanischen Literaturpreis nominiert. Im Mai 2017 erschien sein zweiter Roman Wees onzichtbaar, welcher zum NRC Boek 2017 auserwählt und für den BNG Literatuurprijs und den Halewijnprijs nominiert wurde.

Fatma Aydemir wohnt und arbeitet – auf Einladung des Nederlands Letterfonds – vom 17. Januar bis 19 Februar 2018 als Writer-in-residence in Amsterdam.
 

Nederlands Letterenfonds in Zusammenarbeit mit De Balie und dem Goethe-Insitut Niederlande.

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