Ausstellung Jochen Lempert: Natural Sources

Jochen Lempert: Natural Sources © Jochen Lempert | VG Bild-Kunst (Bonn, 2022)

Sa, 10.09.2022 –
So, 04.12.2022

Huis Marseille

Plastic Bag (Jochen Lempert, 2017) | Mit freundlicher Genehmigung von ProjecteSD (Barcelona) und BQ (Berlin)

Seit September präsentiert das Huis Marseille eine Einzelausstellung des deutschen Fotografen Jochen Lempert. Seine poetischen Schwarz-Weiß-Fotografien, die von seinem wissenschaftlichen Hintergrund in der Biologie inspiriert sind, zeigen die natürliche Welt in ihren unterschiedlichsten Formen. Natural Sources ist die erste große Einzelpräsentation von Lemperts Werk in den Niederlanden.

Der studierte Biologe und Libellenspezialist begann seine Karriere als Fotograf erst 1989 im Alter von 31 Jahren. Sein wissenschaftlicher Hintergrund und sein Wissen über die Natur bilden die Grundlage für sein vielfältiges Werk, in dem er seine Beobachtungen der vielfältigen Erscheinungsformen von Flora und Fauna festhält. Wie ein Entdecker bewegt er sich durch die Natur und lässt sich von dem inspirieren, was ihm begegnet, wie Wolkenformationen, Vogelschwärme oder eine Ameise, die ein Blatt trägt, das größer ist als ihr eigener Körper.
In der westlichen, anthropozentrischen Weltsicht wird das Tier oft auf ein Objekt reduziert, und der Mensch wird als dem Tier überlegen angesehen. Mit seiner poetischen Annäherung an die Natur lädt Lempert den Betrachter dazu ein, einen anderen, einfühlsamen Blick auf das zu werfen, was die Natur uns bietet. Wie ein Wissenschaftler untersucht, sammelt und kategorisiert er seine Objekte, aber gleichzeitig fängt er Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen aus dem gleichen Blickwinkel ein. Seine Fotografien zielen jedoch nicht darauf ab, die Natur zu idealisieren, sondern kritisieren die anthropozentrische Perspektive.

Das (gestörte) Verhältnis zwischen Mensch und Natur

In seinem Werk untersucht Lempert auch das (gestörte) Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Der Titel der Ausstellung, Natural Sources, bezieht sich auf die in der Natur vorhandenen Ressourcen, die für den Menschen unverzichtbar sind. In den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass die menschliche Tätigkeit nahezu unumkehrbare Auswirkungen auf die Erde hat, die sich beispielsweise in der Verknappung nicht erneuerbarer Ressourcen wie fossiler Brennstoffe, aber auch in der Verschmutzung der Ozeane mit Plastikmüll äußern.
Das Foto Plastic Bag (2017) zeigt, wie eine Qualle sich in einer Plastiktüte verfängt. Quallen gehören zu den ältesten Lebensformen der Erde und leben seit etwa 500 Millionen Jahren im Meer. Obwohl es Plastik erst seit relativ kurzer Zeit gibt, hat die so genannte Plastiksuppe bereits unauslöschliche Auswirkungen auf das Leben in den Ozeanen.

Lemperts künstlerische Herangehensweise

Lemperts subtile, schwarz-weiße, analoge Bilder werden in der Regel im Klein- und Mittelformat abgezogen und sind immer ungerahmt. Seine Fotos zeigen seine Faszination für das Erleben der Natur auf möglichst direkte Weise, ohne allzu viele Manipulationen oder Theorien. Lempert fotografiert immer mit einer analogen Kamera, oft mit einem 50-mm-Objektiv, um den natürlichen Fokus des menschlichen Auges nachzuahmen. Mit der gleichen Liebe zum Detail, mit der er seine Fotos aufnimmt, fertigt er auch die Abzüge an, wobei er seine eigenen vorbereiteten Entwicklungs- und Fixiermittel verwendet. Manchmal legt er auch organische Materialien wie ein Blatt oder eine biolumineszente Alge direkt auf das Negativ, wodurch ein komplexes Bild entsteht.

Alca Impennis

Seit mehr als dreißig Jahren arbeitet Lempert an der fortlaufenden Serie The Skins of Alca Impennis (1992 bis heute), in der er alle Arten des Riesenalkes fotografiert. Im 19. Jahrhundert wurden die letzten Exemplare dieser Pinguinart getötet, präpariert und in ethnografische Museumssammlungen aufgenommen. Indem er die Riesenalke in ihrem heutigen Lebensraum hinter Glas fotografiert, zeigt Lempert, wie die Prozesse zur Erhaltung von Tieren in der Geschichte oft mit ihrem Aussterben zusammenfallen.
Die Ausstellung Natural Sources vereint einige frühe Serien wie The Skins of Alca Impennis mit den Sammlungsstücken Oiseux-Vögel (1997-2004) und dem jüngsten Sammlungserwerb Ivy Shadow and Horse (2021), ergänzt durch neuere Arbeiten. Die Auswahl der Werke, die ohne chronologische Hierarchie nebeneinander gestellt werden, wird von Lempert für jede Ausstellung an den Kontext des Museums angepasst. Er ist immer auf der Suche nach Assoziationen und Querverweisen zu benachbarten Werken. Natural Sources wurde in Zusammenarbeit mit dem Centre Pompidou entwickelt und wird nach seiner Ausstellung im Huis Marseille zu C/O Berlin weiterreisen.

Biografie

Jochen Lempert (1958, Moers, Nordrhein-Westfalen, Deutschland) lebt und arbeitet in Hamburg. Er studierte Biologie an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn (1980-1988), wo er die Fauna, Ökologie und Reproduktion von Libellen (Odonata) in Regenwaldgewässern in Liberia, Westafrika, erforschte. Zwischen 1978 und 1989 bildete er mit Jochen Müller und Jürgen Reble das Experimentalfilmkollektiv Schmelzdahin. Gemeinsam untersuchten sie die Möglichkeiten der Verwendung von Zelluloidfilm und chemischen Verfahren, einschließlich der Kultivierung von Bakterien. Im Jahr 1990 erhielt er das Stipendium der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung für zeitgenössische Fotografie, eine der renommiertesten Auszeichnungen in Deutschland seit 1982. Er erhielt außerdem den Ars Viva Photography Prize (1995) und den Camera Austria Award for Contemporary Photography (2017). Seine Arbeiten wurden international ausgestellt im Centre Pompidou, Paris (2022), Portikus, Frankfurt (2022), Kunsthaus Wien, Wien (2018), The Izu Photo Museum, Japan (2016-2017), Hamburger Kunsthalle, Hamburg (2013), Rochester Art Center, Minneapolis (2012), Museum Ludwig, Köln (2010).  
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