Alltagskultur
„Lass uns übers Essen reden!“

Großvater Günther und Enkelin Lara
Großvater Günther und Enkelin Lara | © privat

Wie hat sich die Esskultur in Deutschland verändert? Was die Generationen trennt und was sie verbindet, ergründen Großvater und Enkelin im Gespräch.

Die Enkelin: Lara (28), ist die Älteste von vier Geschwistern. Die Ärztin stammt aus Deutschland, lebt und arbeitet in Finnland. Sie liebt die asiatische Küche und reist leidenschaftlich gern. Ein mehrmonatiger Trip führte sie durch die GUS-Staaten, durch die USA und durch Asien. Ihre nächsten Ziele heißen: China und die Antarktis.
 
Der Großvater: Günther (83), ist der drittjüngste von zehn Geschwistern und hat selbst drei Kinder. Der Bäckermeister betrieb bis zu seiner Rente eine Bäckerei und Konditorei in der Nähe von Frankfurt. Auch heute backt er noch jeden Sonntag Kuchen und an Weihnachten für Freunde und Familie bis zu 30 Weihnachtsstollen.
 

Die beiden kommen bei einem gemeinsamen Besuch in Berlin ins Gespräch über das Essen.

Warum fotografiert ihr euer essen?
Warum fotografiert ihr euer essen? | © mrcmos/Fotolia
Günther: Warum fotografiert ihr eigentlich immer euer Essen?
 
Lara: Wir wollen andere teilhaben lassen, zeigen, was wir da gerade Tolles auf dem Teller haben, was für ein schönes Restaurant wir besucht haben oder auch, was mein Opa wieder Besonderes für uns gebacken hat.
 
Günther: Wenn man wie du so viel reist, lohnt sich das vielleicht. In meiner Jugend wären Essensfotos total langweilig gewesen. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen. Da haben wir meist Selbstgezogenes oder Selbstgeschlachtetes gegessen. So wie alle anderen um uns herum auch.
 
Lara: Ihr musstet dafür auch nicht über die Inhaltsstoffe eurer Nahrung nachdenken. Viele aus meiner Generation wollen genau dorthin zurück. Zu dieser Transparenz, dass man weiß, woher Lebensmittel kommen, was darin ist und dass sie nachhaltig produziert werden.

 „Bei uns wurde immer aufgegessen“

Günther: Ich habe nicht den Eindruck, dass alle dasselbe wollen. Es gibt heute so viele verschiedene Ernährungsstile. Manchmal frage ich mich, wie ihr es überhaupt noch schafft, euch zu einem Essen zu treffen, so wie es bei uns früher war, als gegessen wurde, was auf den Tisch kam.
 
Lara: Alle zu einer Mahlzeit zu versammeln, ist heute wirklich schwer. Es gibt Veganer, Ökos, Gourmets und viele, die an einer Lebensmittelunverträglichkeit leiden oder es zumindest behaupten. Aber ich bin da überhaupt nicht pingelig. Auf jeden Fall probiere ich alles, egal wie exotisch es ist. Und ich esse meinen Teller immer leer. Ich finde, das gehört sich so, wenn jemand sich die Mühe gemacht hat, etwas zu kochen.
 
Günther: Das sehe ich tatsächlich oft, dass sich Leute den Teller vollhäufen und dann nur ein bisschen picken und den Rest stehen lassen. Das kenne ich nicht. Wir waren zehn Kinder, da wurde immer aufgegessen. Selbst Sachen, die ich nicht mochte wie zum Beispiel Kartoffelsuppe. Meine Mutter hatte dazu Eierkuchen gemacht und die bekam man nur, wenn der Suppenteller leer war.
 
Lara: Ich hätte gleich mit den Eierkuchen angefangen. Wir müssen zum Glück nicht mehr essen, was wir nicht mögen und wir haben auch nicht mehr so feste Essenszeiten. Morgens hat sich zum Beispiel jeder dann sein Frühstück gemacht, wenn er wach war und zwar das, was ihm am besten schmeckt. Wir haben uns in der Familie abends alle zum Essen getroffen.

„Wir waren bei allen drei Mahlzeiten dabei“

Günther: In meiner Kindheit gab es immer drei festgelegten Mahlzeiten zu bestimmten Uhrzeiten: Frühstück, Mittagessen, Abendbrot und am Sonntag noch Kaffee und Kuchen. Da waren wir immer alle dabei. Dazwischen gab es nichts. Es war auch gar nichts da, das man zwischendurch hätte essen können oder wo man sich mal eben einen Schokoriegel besorgen könnte. Das haltet ihr jungen Leute ganz anders. Manchmal beim Einkaufen, sehe ich ganze Wagen voller Snacks, die man nicht mal mehr einer geregelten Mahlzeit zuordnen kann. Es sieht bisweilen aus, als würde bald niemand mehr kochen.
 
Lara: Wir essen sicher mehr zwischendurch als du. Wenn man auf etwas Lust hat, dann gibt es das auch. Hier mal ein Schokoriegel, da mal ein Snack. Aber ich finde auch: Wer essen will, muss kochen können. Ich habe für meine jüngeren Geschwister schon gekocht und koche jetzt auch für mich allein und backe manchmal sogar mein Brot selbst. Vieles habe ich von meiner Mutter übernommen. Aber bei meiner kleinen Schwester ist das schon anders. Sie hat das nie besonders interessiert. Ich glaube, sie kann gerade mal ein Ei braten.
 
Günther: Kochen ist doch eine richtige Qualifikation von großem Wert. Meine Mutter hat noch zwei Jahre lang eine Kochschule für junge Bauerntöchter besucht und hat das dort sehr gut gelernt. Seit deine Großmutter tot ist, kann ich mich schon selbst ganz gut versorgen. Aber für mich steht heute auch eher der Nutzen im Vordergrund. Ich würde für mich allein nicht so ewig in der Küche stehen wollen. Aber ich achte schon darauf, dass ich genug Gemüse esse.

„Du salzt ja höchstens mal“

Lara: Ich achte auch auf gesunde Ernährung. Mit interessiert deshalb das vegane Essen.
Und ich mag die asiatische Küche sehr. Ich probiere gern neue Rezepte, neue Zutaten, neue Gewürze aus. Das ist auch anders als bei dir. Du salzt ja höchstens mal dein Essen. Ein koreanisches Bibimbap wäre deshalb wohl eher nichts für dich? Das ist eine Schüssel mit Reis, Rindfleisch, Gurke, Wurzeln von Ballonblumen, Bohnensprossen, scharfer Gochujang-Paste und oben drauf kommt noch ein Ei.
 
Günther: Auf keinen Fall! Das würde ich nicht mal probieren. Ich habe auch noch nie einen Hamburger oder einen Döner gegessen. Ich bin überhaupt kein Freund von exotischem Essen oder Gewürzen. Wenn ich dir etwas kochen würde, dann wären das Hackfleischklöße, Bratkartoffeln und ein überbackener Blumenkohl. Danach gäbe es einen Buttermandelkuchen.
 
Lara: Klasse! Ich würde für dich gern einmal etwas Skandinavisches kochen, um einen vorsichtigen kulinarischen Austausch mit dir anzupeilen. Das wäre eine Lachssuppe und als Nachtisch gibt es eine schwedische Marzipantorte.
 
Günther: Das würde ich sofort essen. Ich glaube, da sind wir uns dann doch sehr ähnlich: Wir mögen beide sehr gern Kuchen.
 
Lara:
Schließlich bin ich die Enkelin eines Bäckers! Aber ich habe leider kein einziges Rezept von dir. Das wünsche ich mir zu meinem 30. Geburtstag: dass du mir die Rezepte deiner Torten und Kuchen aufschreibst. Es gibt übrigens noch eine Ähnlichkeit: Wir mögen beide keine rohen Zwiebeln.
 

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