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Brettspiel digital

Das Duo von "Maschinen-Mensch" | Johannes Kristmann (l.) und Riad Djemili
Das Duo von "Maschinen-Mensch" | Johannes Kristmann (l.) und Riad Djemili | © Maschinen-Mensch

Riad Djemili ist bei Yager, einem der besten Spielestudios Deutschlands ausgestiegen, um mit einem Kollegen ein digitales Brettspiel zu entwickeln. „The Curious Expedition“ war ein Überraschungserfolg. Jetzt gibt es eine Fortsetzung.

Der Berliner Saftladen ist eine der besten Adressen für Indie-Spiele aus Deutschland. Gegründet wurde die Arbeitsgemeinschaft von Riad Djemili. Sie versteckt sich in Berlin am Kottbusser Tor. Mitten in dem Trubel aus Cafés, Imbissbuden und zäh fließendem Verkehr liegt das graue Haus hinter einem grauen Tor und einem grauen Parkplatz. Drinnen brüten rund 20 Mitglieder verschiedener Studios mit Kopfhörern vor Bildschirmen. Geplaudert wird auf Englisch, gerne mit breitem Akzent.

Saftladen Berlin Saftladen Berlin | Foto: Jan Bojaryn Riad Djemili hat mit dem Saftladen ein Problem gelöst: Sein Ausstieg bei dem renommierten Spielestudio Yager war ein Weg in die kreative Freiheit, aber auch in die Einsamkeit. Mit dem Co-Working-Space hat Riad sich jedoch die Geselligkeit zurückgeholt.

Mit dem Kollegen Johannes Kristmann hat Riad unter dem Studio-Namen Maschinen-Mensch das Duo The Curious Expedition (TCE) entwickelt. Der Titel in Retro-Optik ist eine Art Brettspiel für eine Person. Im neunzehnten Jahrhundert reisen Spieler in ferne Länder und erleben dabei allerlei Schrecken und Wunder. Über mehrere Jahre bauten Riad und Johannes eine Fangemeinde auf und verkauften das Expeditionsspiel sehr erfolgreich. Jetzt entwickeln sie ihre Ideen in eine neue Richtung. Der aktuelle Titel The Curious Case setzt wieder auf prozedurale Inhalte – also auf Versatzstücke, die vom Computer immer wieder neu zusammengesetzt werden. „Man erkundet diesmal keine Landschaften, sondern Charaktere“, erklärt Riad. Erforscht werden Kriminalgeschichten in der Weimarer Republik. Riad sieht in der Zeit zwischen den Weltkriegen Parallelen zur Gegenwart: „Politikverdrossenheit, eskalierender Extremismus, der Zusammenbruch demokratischer Systeme, gepaart mit einer extremen Feierwut, Hedonismus und Drogenkonsum.“ Das Spiel steht noch am Anfang. Vorerst bleibt TCE das Aushängeschild.

 

© Goethe-Institut

5 Fragen an Riad

Was ist für dich ein gutes Spiel?

Was mir zumindest für unsere Spiele, wichtig ist: ein interessanter, relevanter Inhalt mit sozialkritischen oder kulturellen Bezügen.

Warum bist Du bei einem großen Studio ausgestiegen, um selbst ein ganz kleines zu gründen?

Ich war sieben Jahre bei Yager und ich wäre da nicht so lange geblieben, wenn es nicht gut gewesen wäre. Dass ich gegangen bin, hat viele Gründe. Der offensichtlichste ist der, dass wir mit 100 Leuten in Vollzeit an einem Projekt gearbeitet haben, mit hunderten Zuarbeitern auf der ganzen Welt. Wenn man dort eine Idee hat, muss man erst mal den direkten Vorgesetzten überzeugen, dann dessen Vorgesetzten, dann die eigenen Kollegen. Entwicklungsprozesse und Entscheidungen können sich monatelang hinziehen. Ich habe neidisch auf die Indie-Szene geguckt, wie schnell und wie kommerziell frei die Entwickler sind. Natürlich müssen sie auch kommerziell überleben, aber die Zielsummen sind deutlich geringer.

Was hat euch zu TCE inspiriert?

Das Thema Expedition fanden wir relativ unverbraucht. Da können wir viele Geschichten erzählen – vor allem Geschichten des Scheiterns. Das war eine Initialidee: dass der Spieler immer wieder scheitert, immer wieder lernt und Lust hat, es nochmal neu zu probieren. Uns hat an echten Expeditionen fasziniert, dass sie aufgrund von kleinsten Fehlern, von falschem Schuhwerk oder falsch gelagertem Proviant, scheitern.

TCE zeigt auch Schattenseiten des Imperialismus. Aber man muss schon länger spielen, um das herauszulesen. Ist es euch egal, wenn Spieler das übersehen?

Egal ist es uns nicht. Aber es ist ein schmaler Grat: Wir wollen nicht den Zeigefinger erheben. Das halte ich auch für kein effizientes Mittel. Wir wollen den Spieler schon dahin locken, sich auf eine bestimmte Art zu verhalten. Wir wissen vielleicht nicht, wohin der Spieler genau klickt, aber wir nehmen über die Spielmechaniken Einfluss, machen manche Aktionen attraktiver und andere weniger attraktiv. Und im Idealfall reflektiert der Spieler dann über das, was er getan hat. Das ist uns schon wichtig.

Sehr früh in der Recherche sind wir auf den Rassismus und Sexismus der Zeit gestoßen. Und dann haben wir überlegt: Ist es überhaupt akzeptabel, diese Epoche in so einem Spiel zu behandeln? Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es möglich ist, wenn wir damit richtig umgehen. 

Haben Spielemacher eine gesellschaftliche Verantwortung?

Wie bei allen Kunstformen ist es auch dieser freigestellt, wie gesellschaftlich relevant sie sein möchte. Popmusik hat auch eine Daseinsberechtigung. Aber unser persönlicher Anspruch ist, keine Popmusik zu machen. Wir sind schon eher in einer künstlerisch ambitionierten Nische. Ich möchte das Gefühl haben, etwas Sinnvolles mit meinem Leben und meinen Fähigkeiten zu machen. Mein Medium ist das Computerspiel. Deswegen überlege ich, wie ich mit Computerspielen einen kulturellen Bezug herstellen kann um etwas darüber auszusagen, wie ich die Welt sehe. Und ich wünschte mir auch, dass mehr Entwickler diesen Anspruch hätten; ich würde mir mehr politisch aufgeladene Spiele wünschen.