Erfahrungsbericht
Gestrandet in Neuseeland: Ein Erfahrungsbericht von der Rückholaktion

Startklare AirbusA380 in Auckland. Credit: Jennifer Barton
Startklare Airbus A380 am Flughafen Auckland | © Jennifer Barton

Jennifer und Manja, unsere ehemaligen Praktikantinnen aus der Kulturabteilung am Goethe-Institut Wellington, sind kürzlich mit der Rückholaktion der deutschen Regierung von Neuseeland zurück nach Deutschland geflogen. Wir haben sie gefragt, wie sie die letzte Zeit in Neuseeland, den Flug und ihre Ankunft in Deutschland erlebt haben.

Wie kam es zu eurer Entscheidung, am Rückholprogramm teilzunehmen? Welche weiteren Schritte folgten auf eure Entscheidung?

Jennifer und Manja im Flieger gen Heimat. Credit: Jennifer Barton Jennifer und Manja im Flieger gen Heimat | © Jennifer Barton Manja: Alles geschah sehr schlagartig: die Schließung der Grenzen, die Verkündung des Lockdowns und auch die Entscheidung, zurück nach Deutschland zu fliegen. Zunächst wollte ich tatsächlich noch in Neuseeland bleiben und die Situation abwarten. „Neuseeland ist sicherer, Neuseeland hat die Pandemie eher im Griff“, habe ich mir gedacht. Doch dann kamen die Fragen: Wie lange bleibt der Ausnahmezustand? Ist es sinnvoll, hier zu bleiben? Wann und wie komme ich nach Hause? Nach langem Hin und Her und vielen Gesprächen kam ich dann zu dem Entschluss, dass es am vernünftigsten wäre, zurückzureisen.

Jennifer: Mir ging es genauso. Nachdem dieser Entschluss stand, war der erste Schritt, sich beim Rückholprogramm der Deutschen Bundesregierung anzumelden, danach stündlich Mails und Nachrichten checken und sich innerlich auf eine Ruckzuck-Packaktion vorbereiten. Als dann zwei Wochen später die Bestätigung unseres Rückfluges für den übernächsten Tag von Auckland aus kam, waren wir froh, noch gute 48 Stunden Zeit zu haben. Auf der To-Do-Liste: Flug nach Auckland buchen, Unterkunft in Auckland finden und Aussortieren von lieb gewonnenen Op-Shop-Fünden –der Rückholflug erlaubte nur 23 kg Gepäck statt den eigentlich geplanten 30 kg. Und schließlich: Abschied nehmen von unserer jeweiligen „Bubble“, also von unseren Mitbewohner*innen in Wellington, durch die der Lockdown nur halb so schlimm war wie befürchtet – wenn überhaupt.

Erzählt uns von eurem Flug.

Jennifer: Unser Flug von Auckland nach Frankfurt ging am 10. April um 9 Uhr morgens, um 5 Uhr sollten wir bereits am Flughafen sein. Tatsächlich habe ich die Abläufe an einem Flughafen selten als so entspannt erlebt. Trotz langer Schlangen vor dem Check-In war kaum Stress zu spüren. Wenn etwas in der Luft lag, dann – nein, nicht COVID-19 – sondern Erleichterung, bald im Flieger gen Heimat zu sitzen.

Den wirklichen Stress müssen die Mitarbeiter*innen der Deutschen Botschaft in Wellington gehabt haben, die zwischen den Reihen umherwuselten und für alle Last-Minute-Probleme ansprechbar waren. Was dieses Team innerhalb der letzten Tage geleistet hatte, konnten wir nur erahnen. Ehrenrunde über Auckland. Credit: Jennifer Barton. Ehrenrunde über Auckland | © Jennifer Barton Und genau diese Dankbarkeit für die Menschen, die unseren Rückflug möglich gemacht hatten, schlenderte geradewegs mit uns zum Gate 16: Brandender Applaus für die ganze Lufthansa-Crew, die durch die Reihen der Wartenden gingen – das Gefühl, Komparse in einem hollywoodreifen Film zu sein verstärkte sich zunehmend und riss auch im Flieger nicht ab.

Mit einer atemberaubenden Ehrenrunde über Auckland verabschiedeten wir uns von Neuseeland und stellten uns auf zirka 25 Stunden an Bord ein, inklusive eines Tankstopps in Bangkok. Hier verabschiedeten wir Passagiere uns nicht nur mit großem Applaus von unserer ersten Crew, sondern ließen überdies dem Kapitän viele liebe Briefe zukommen – denn wie wir erfahren hatten, war dies sein allerletzter Flug.

Wie ging es nach der Landung in Deutschland weiter?

Manja: 2 Podcasts, 5 Filme und 25 Stunden später sind wir kurz nach Mitternacht am 11. April auf deutschem Boden gelandet. Wir waren glücklich, endlich angekommen zu sein. Doch es dauerte noch eine ganze Weile, bis man in seinen eigenen vier Wänden war. Nach einem letzten großen Applaus durften wir nach und nach das Flugzeug verlassen. Am Flughafen Frankfurt war es sehr ruhig. Wir wurden herzlich von Mitarbeiter*innen empfangen und es gab Snacks zum Mitnehmen. Freunde und Familie warteten aufgeregt auf ihre Angehörigen. Nachdem Jenny und ich uns voneinander verabschiedet hatten und sie eine vergleichsweise kurze Fahrt nach Ludwigsburg antrat, ging es für mich noch mit dem Zug weiter nach Bremen. Als Rückreisende mit dem Rückholprogramm konnte man kostenfrei mit der Deutschen Bahn nach Hause fahren. Nach etwa acht Stunden bin ich dann auch endlich zu Hause angekommen.

Ausblick über die Fußgängerzone. Credit: Manja Ngoc. Ausblick über die Fußgängerzone | © Manja Ngoc

Könnt ihr die Situation in Deutschland und Neuseeland vergleichen?

Jennifer: Der Hauptunterschied zum Lockdown in Neuseeland ist natürlich, dass wir unsere Wohnung hier als Einreisende 14 Tage überhaupt nicht verlassen dürfen – auch nicht zum gelegentlichen “Exercisen”. Was ich bisher von den Über-den-Zaun-Gesprächen mit unseren Nachbarn sagen kann: Insgesamt scheint man die Situation hier gelassen zu sehen – wie sich das im Alltag außerhalb der Selbstisolation äußert, werde ich in wenigen Tagen sehen.

Manja: Tatsächlich ist die Situation in Deutschland im Vergleich zu Neuseeland viel entspannter. Imbisse, Wochenmärkte und Eisdielen haben geöffnet. Viele Leute sind draußen und flanieren im Park und in der Stadt. Das war erstmal gewöhnungsbedürftig, da die Regelungen in Neuseeland viel strikter sind.
 

Habt ihr euch schon wieder in Deutschland eingelebt?

Gartenglück in Quarantäne. Credit: Jennifer Barton. Gartenglück in Quarantäne | © Jennifer Barton Manja: Es ist schön, aber auch komisch, wieder zurück in Deutschland zu sein. Es fühlt sich ziemlich surreal an, dass man vor einigen Wochen noch am anderen Ende der Welt war. Aber ich habe mich doch schneller als gedacht an alles gewöhnt. Zu Hause ist es doch am schönsten!

Jennifer: Rückblickend war der Aufenthalt in Neuseeland eine sehr gute Vorbereitung auf die Situation gerade: Zum einen hat uns der Lockdown natürlich schon ein bisschen auf die Quarantäne in Deutschland eingestellt. Zum anderen ist es aber vor allem die Kiwi-Einstellung, die jetzt besonders gut hilft: Einfach mal locker bleiben, wird schon alles und vor allem: be kind!


Jennifer Barton, 26, studiert in Ludwigsburg Kulturwissenschaft und -management und war von Januar bis Anfang April 2020 Praktikantin in der Kulturabteilung des Goethe-Institut Wellington. Sie wollte Neuseeland im Anschluss ursprünglich vier Wochen im Camper erkunden. Spoiler: Das wurde nichts.
 
Manja Vu, 23, studiert Medienkulturwissenschaften und Medieninformatik in Köln. Sie hat ihr Praktikum in der Kulturabteilung am Goethe-Institut von September bis Dezember 2019 absolviert. Anschließend war sie drei Monate die Nordinsel bereisen und wollte für drei weitere Monate auf die Südinsel. Nach der ersten Woche auf der Südinsel wurde jedoch der Lockdown in Kraft gesetzt und Manja kehrte verfrüht nach Wellington zurück.