Kulinarische Hafenstädte
Die Bienen-Verleiherin

Bienen am Bienenstock
Bienen am Bienenstock | © Benjamin Cordes

Judith Heimann ist Imkerin. Doch ihre Haupteinnahme-Quelle ist nicht der Honig. Denn sie vermietet ganze Bienenvölker an Privatleute, Firmen und Gastronomen, die den Honig ihrer gemieteten Völker behalten dürfen. Zu den Kunden gehören auch TV-Koch Tim Mälzer und sein Restaurant Bullerei mitten im Hamburger Schanzenviertel. Auf dessen Dach stehen drei Bienenstöcke mit jeweils mehr als 50.000 Bienen.
 
Bienenstöcke und -völker zu vermieten ist ungewöhnlich. Wie kam es zu diesem Geschäftsmodell?

Vor mittlerweile 10 Jahren hatte ich davon in der Zeitung gelesen. Auf den Dächern von New York produzierte ein Imker Honig für Hotels und Restaurants. Das fand ich spannend. Kurze Zeit später traf ich zufällig Tim Mälzer. Er war offen für meine Idee, auf dem Dach der Bullerei Honig zu produzieren. Und weil die Gegebenheiten vor Ort wie Höhe, Sonne, Schatten und Trachtangebot für die Bienen und mich stimmten, haben wir es gemacht. Das sprach sich rum, es gab ein paar Berichte in den Medien und so kamen dann andere Kunden hinzu.
 
Wer sind denn die weiteren „Kunden“?

Die Kunden sind sehr unterschiedlich. Neben Gastronomen gibt es zum Beispiel ein Hamburger Unternehmen, das in der Schifffahrt tätig ist. Die Geschäftsführung suchte ein „Weihnachtsgeschenk“ für seine Mitarbeiter und wir haben dann den Bienenstock direkt am Firmensitz aufgestellt. Das Ganze ist dort mittlerweile so etabliert, dass der Bienenstock schon 5 Jahre dort steht. Eigentlich war nur ein Jahr geplant.

Ein anderes Beispiel ist eine Zahnärztin, die einen Bienenstock direkt vor dem Fenster des Behandlungszimmers hat. Bei ihr gibt es seit dem statt kleiner grüner Plastikelefanten ein kleines Honigglas für jeden nach der Behandlung.

Auch auf dem Golfplatz in Hamburg Falkenstein stehen zwei Bienenvölker. Anders als man vermuten würde ist ein Golfplatz, abgesehen vom sehr grünen Rasen, umrahmt und durchzogen von wilder Natur, Gras und Wiesenflächen, kleinen Wäldern, sanften Hügeln mit Heide und friedlicher Ruhe. Anders als in der Stadt.
 
Was kann man bei den Firmen, die sich ein Bienenvolk gemietet haben, beobachten?

Über das Jahr ist immer was los bei den Bienen, das Volk muss gepflegt und beobachtet werden. Die Mitarbeiter interessieren sich dafür, begleiten meine Arbeit und so sind die Bienen immer ein Gesprächsthema in der Firma. Es ist außerdem schön, den Leuten etwas über die Bienen zu erzählen. Sie geben ihr Wissen dann an die Familien weiter und manche Mitarbeiter bringen sogar ihre Kinder mit zur Ernte.

Egal welche Branche und wie groß oder klein eine Firma ist, das Bienenvolk wird von den Mitarbeitern fast wie ein Haustier „adoptiert“. Aus den Bürofenstern wird beobachtet wie stark die Bienen fliegen, ob sie Pollen bringen oder von Wespen geärgert werden. Schnell kommt man so ins Gespräch und ich kann erzählen wie die Bienen Pollen und Nektar sammeln, wie sie daraus Honig machen, was sie bedroht. Mir ist wichtig, dass die Menschen, die die Bienenstöcke mieten, miterleben was es alles braucht, bis der Honig im Glas ist. Mit den Bienen kann man die Leute also richtig berühren und es macht mir viel Freude, das zu sehen.
 

  • Der Smoker, mit dessen Rauch die Bienen beruhigt werden © Benjamin Cordes
    Der Smoker, mit dessen Rauch die Bienen beruhigt werden
  • Bienen am Bienenstock © Benjamin Cordes
    Bienen am Bienenstock
  • Die Bienenstöcke auf Tim Mälzers Restaurant Bullerei © Benjamin Cordes
    Die Bienenstöcke auf Tim Mälzers Restaurant Bullerei
  • Die Bienenstöcke auf Tim Mälzers Restaurant Bullerei, 2 © Benjamin Cordes
    Die Bienenstöcke auf Tim Mälzers Restaurant Bullerei, 2
  • Judith Heimann auf dem Dach © Benjamin Cordes
    Judith Heimann auf dem Dach
  • Judith Heimann - Portrait © Benjamin Cordes
    Judith Heimann - Portrait
  • Judith Heimanns Honig im Glas © Benjamin Cordes
    Judith Heimanns Honig

 
Was ist in der Miete alles inbegriffen und was kostet sie?


In der Miete ist alles inbegriffen: Der Bienenstock, die Pflege der Bienen, die Ernte und das Abfüllen des Honigs. Der Kunde kann quasi beobachten, wie vor seiner Tür Honig produziert wird oder je nach Wunsch auch mithelfen. Die Kosten sind dabei sehr individuell und hängen vom Umfang des Angebots ab.
 
Stadtimkerei hat sich zu einem Trend entwickelt. Was ist so positiv daran?

Positiv an der Stadtimkerei ist, dass mit den Bienenvölkern ein Stück Natur in die Stadt kommt und viele Menschen verstehen, dass dieses Stück Natur Pflege und weitere Natur in Form von blühenden Gärten, sauberem Wasser und ein Stück blauem Himmel braucht. Mit etwas Glück, gibt die Imkerei dem einen oder anderen einen Denkanstoß.

Aber die Stadtimkerei hat nicht nur Vorteile, es kommt immer auf den Einzelfall und den konkreten Standort an. Bei dem muss man einiges bedenken: Wie sind die Winde auf dem Dach, Hitze und Schatten, wie ist die Wasserversorgung und ganz wichtig: haben die Bienen auch die Ruhe, die sie brauchen, um sich zu entwickeln? Und da gibt es in der Stadt natürlich vieles störende, zum Beispiel U-Bahnen, Baustellen und der allgemeine Verkehr.
 
Aber Bienen fliegen doch und unterhalten müssen sie sich auch nicht...

Oh doch! Bienen kommunizieren unentwegt und intensiv. Das läuft über Düfte und Bewegungen. Wenn eine Biene eine neue Nektarquelle gefunden hat, kommt sie zum Bienenstock zurück und teilt den anderen Bienen mit, wo sie hinfliegen müssen. Und wenn es dann um den Stock herum unruhig ist, können da regelrechte Missverständnisse entstehen, sodass die anderen Bienen zum Beispiel in eine falsche Richtung fliegen. Gleiches gilt auch für die Warnung vor Feinden wie Wespen oder Hornissen.
 
Stimmt es denn, dass es in der Stadt eine größere Vielfalt als auf dem Land gibt?

Nicht unbedingt, das hängt vom Standort sowohl auf dem Land als auch in der Stadt ab. Aber ein Vorteil der Stadt ist, dass hier immer etwas blüht und auch später Schluss ist mit der Blütezeit. In der Regel haben wir zwei sogenannte Trachten: die Frühtracht im Mai und Juni und eine Spättracht Mitte Juli. Das ist dann hauptsächlich die Lindenblüte. Und das war´s dann auch schon. Den Rest des Jahres bereiten sich die Bienen auf den Winter vor.
 
Dieses Jahr war es in Hamburg ungewöhnlich heiß. War das ein Problem für die Bienen?

Wärme ist generell erstmal gut für Insekten, also auch für die Bienen. Man muss aber darauf achten, dass die Bienenstöcke nicht in der prallen Sonne stehen. In Extremfällen kommt es vor, dass das Wachs im Bienenstock schmilzt, wenn es zu heiß wird. Das wäre eine Katastrophe. Zum Glück habe ich das hier aber noch nie erlebt. Ein Nachteil der extremen Trockenheit ist, dass die Pflanzen weniger Nektar abgeben. Am besten ist ein Mix aus Wärme und Regen. Denn nur Pflanzen, die ordentlich mit Wasser versorgt sind, geben ihren Nektar gerne an die Bienen ab.
 
Was ist denn die schönste Form, den Honig zu genießen?


Das Landhaus Flottbek serviert den Honig meiner Völker als Wabenhonig auf dem Frühstücksbüffet. Dafür stellt man das ganze Rähmchen mit den Waben aus Wachs auf den Tisch und die Gäste schneiden sich ein Stück davon raus. Diesen Honig auf einem Croissant oder mit einem Stück Brioche zu genießen, ist für mich die schönste Form, Honig zu servieren. Das Wachs muss man dabei entweder einfach runterschlucken oder ausspucken. Besser schmeckt Honig nur noch direkt aus dem Stock, mit den Aromen aus dem Bienenstock und der warmen Temperatur. Ich persönlich komme immer mehr weg vom Honig auf dem Brot, weil das eigentlich fast zu schade ist. Ich finde, Honig muss für sich stehen. Zum Beispiel in der Kombination mit Käse und dem Spiel von würzig-salzig und würzig-bitter-süß.