Kinder und Jugendfilm Reuber, de Axel Ranisch

Ausgerechnet am seinem 10. Geburtstag gibt es Ärger für Robby Reuber Foto: Sehr gute Filme GmbH

Mi, 11.03.2020

19:30 Uhr

Goethe-Institut Peru

Wer kennt nicht den Räuber Hotzenplotz

Regie: Axel Ranisch, Farbe, 72 Min., 2011-2013

Die Ehe von Franziska und Rüdiger Reuber steckt in einer Krise. Am 10. Geburtstag von Robby erzählt ihm sein Vater eine Räubergeschichte: Weil sich der Junge verantwortlich fühlt für die Entführung seiner kleinen Schwester, rennt er weg in den „Wald der verlorenen Seelen“. Er will sich dort vom gefürchteten Räuber ausbilden lassen. Vorher trifft er auf den Zauberer Stefan, der ihm seine Kindheit zu stehlen versucht. Der wilde Räuber rettet ihn. Als Robby in sein normales Leben zurückkehrt, ist längst klar: Robbys Vater Rüdiger und der imaginierte Räuber sind ein und dieselbe Person. Wirklichkeit und Traum durchdringen sich. 

Ausgerechnet am seinem 10. Geburtstag gibt es Ärger für Robby Reuber: Seine Mutter Franziska und andere Gäste hatten vergeblich auf ihn gewartet, als er mit Verspätung und unerwünschter Begleitung – Vater Rüdiger und Onkel Stefan – endlich auftaucht. Wenig später erlebt der Junge einen heftigen Familienstreit. Er geht lieber ins Bett und lässt sich von seinem Vater, wohl nicht zum ersten Mal, die Geschichte vom berüchtigten Räuber Rüdiger erzählen. An nächsten Tag muss Robby auf seine kleine Schwester aufpassen, doch das Kind wird entführt. Der Junge rennt weg in den „Wald der verlorenen Seelen“. Er entkommt den selbstsüchtigen Warnungen von Pauline Pilz und lernt den Zauberer Fidibus und seinen kleinen Hund Peppino kennen, nicht ahnend, dass dieser ihm seine Kindheit wegnehmen will und ihn einen trügerischen Vertrag unterschreiben lässt.

Endlich gelingt es Robby, den berüchtigten Räuber zu treffen, einen lauten, furchterregenden, korpulenten Kerl, der ihn zurückschicken will und sich dann doch bereit erklärt, den Jungen als Räuber auszubilden. Der Wald wird zum Sportplatz, Robby und sein Lehrer schreien, kämpfen, die beiden balgen sich, lassen Drachen steigen und nehmen Pilzsammlern die Klamotten weg. Immer deutlich wird: REUBER erzählt die Geschichte einer Annäherung zwischen Vater und Sohn, bis an die Grenzen der wechselseitigen Adoption. Dieses geheime Glück wird durch den Kontrakt zwischen Robby und Fidibus empfindlich gestört: Der Zauberer hat sich, in der Rolle des Kindes, bei dessen Mutter eingeschlichen; damit hätte Robby seine Kindheit verloren.

In der Figur des Räubers ist Robbys Vater Rüdiger zu erkennen, und Onkel Stefan hat sich in Fidibus verwandelt. Der Sohn träumt von seiner Rettung durch den Vater; der Räuber findet eine Klausel im Vertrag zwischen Robby und Fidibus: Wenn der Räuber den Wald verlassen und ins Dorf (insgeheim: zur Familie) zurückkehren würde, wäre der Tausch der Identität zwischen Robby und dem Zauberer hinfällig. Der Räuber widersetzt sich lange, dann opfert er, dem Kind zu liebe, sein paradiesisches und vor allem ungebundenes Leben. Ein Vater übernimmt Verantwortung.

REUBER erinnert in vielen Momenten an den wunderbaren Kinderfilm EIN TAG MIT DEM WIND (1977/78) von Haro Senft, nur ist Axel Ranischs Film zeitloser; der Weg in den Wald, der hier trotz aller Ironie natürlich auch als mythischer Ort erscheint, ist auch ein Schritt aus der aktuellen Zeit aus der Realität in eine vielleicht rettende Fantasie. Ranisch hat auf eine vorherige Festlegung seines Films durch ein bindendes Drehbuch verzichtet: „Dass sich die Geschichte um den kleinen Robby ranken würde, der im Wald auf Zauberer und Räuberhauptmann stößt, war uns klar. Die konkrete Handlung aber fanden wir tagsüber im Wald und abends auch mal in einem Gläschen Wein. Wir drehten chronologisch, improvisierten alle Dialoge, schnitten in der Nacht die Szenen zusammen, ritten auf den Wellen des Moments und lebten miteinander wie eine große, verlauste Räuber-Sippe...“ (Axel Ranisch) Der Musik (vor allem Klassik, Kompositionen von Bach, Händel, Mozart, Schubert, Wagner) ist es zu verdanken, dass der Film trotz allen Übermuts und ungeachtet aller Übertreibungen, nicht im „Hotzenplotzigen“ versandet.

Biografie

Axel Ranisch wurde 1983 in Berlin geboren. Er realisierte schon vor dem Abitur erste Kurzfilme und arbeitete dabei als Darsteller, Autor, Komponist und Cutter. Von 2004 bis 2011 studierte er Regie an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg.


Filmografie (Auswahl)

2008 DER WILL NUR SPIELEN!
2011 DICKE MÄDCHEN
2013 ICH FÜHL MICH DISCO
2013 REUBER
2015 ALKI ALKI
2016 LOTZMANN UND DAS GROSSE GANZE

Hans Günther Pflaum, 21.04.2016

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