Wie aus der Musikszene Karachis ein Zuhause entstehen kann

Building Musical Home in Karachi
Foto: Humayun M

Islamabad ist keine hektische Stadt. Das Lebenstempo ist eher gemächlich. Das fiel dem Musiker Asfandyar Khan, der in dieser Stadt geboren wurde und auch unter dem Namen TMPST veröffentlicht, zunächst gar nicht auf. Das änderte sich erst als er 2005 nach Karachi umzog. Ihm wurde schnell klar, dass diese Stadt sehr viel mehr Ähnlichkeit mit seinem Lebensrhythmus hat. Vielleicht ist es dieser Wechsel, den man auf TMPSTs neuer Veröffentlichung „Unravel“ hören kann, die demnächst erscheinen wird.
 

“Unravel” hat deutlich schnellere Rhythmen als „Serpentine“, seine letzte Platte (EP). Beim ersten Hören denkt man zunächst an mehrere vorgefertige Motive, die vor einem Satie-ähnlichen Hintergrund auftreten, der die Emotionen liefert. Es ist frisch, unverbraucht und authentisch. Fast wie eine augenzwinkernde Einladung auf die Tanzfläche. Nach einer Pause von fast drei Jahren wird TMPST mit „Unravel“ im September seine erste Platte seit „Serpentine“ veröffentlichen.
 
Während dieser Zeit arbeitete Asfandyar Khan jedoch auch an anderen Projekten. „Everything, At the Last Minute“, das 2017 herauskam, hört sich an wie eine schwermütige Einführung in die Kunst des Stehbluestanzens an einem wolkenverhangenen Abend. Khan ist im Stande eine Vielzahl musikalischer Identitäten zu verkörpern und gleichzeitig einen „normalen“ Job zu haben. Das allein ist schon bemerkenswert. Gleichzeitig arbeitet er aktiv daran mit, eine starke Musikerszene in Karachi aufzubauen: „Es gibt viel mehr Musiker hier und ich habe einen viel besseren Zugang zu ihnen. Wir alle wollen etwas aufbauen, das Musiker und Publikum gleichermaßen unterstützt und arbeiten hart daran.“
 
Das Plattenlabel Forever South spielt eine wichtige Rolle in der Musikszene Karachis, aber auch Radiosender wie Third World Radio und Karachi Community Radio. Diese Plattformen ermutigen und unterstützen gezielt Diskussionen über die unabhängige Musikindustrie und bieten jungen Künstlern Möglichkeiten. Und, was fast noch wichtiger ist, sie sprechen über Voraussetzungen, die nötig sind, um in einem politisch herausforderndem Umfeld eine Musikkultur zu schaffen. „Wenn es nicht politisch ist, ist es keine Kunst“, sagt Khan. „Und wenn wir das, was wir schaffen, nicht schützen, warum machen wir es dann überhaupt? Diese Kultur zu schützen ist eine wichtige Arbeit. Wenn wir sie verlieren, verlieren viel von dem, was uns als Menschen auszeichnet.“
 
Andererseits muss nicht jedes Kunstwerk aus einer politischen Aussage bestehen. Khan stimmt dem zu:“Widerspruch ist nicht immer ein ausgesprochener Satz. Wenn ein Kunstwerk in einem Umfeld existiert, das ihm das Existenzrecht abspricht, ist das allein schon eine Form des Widerspruchs.“
 
Es gibt heute viele junge Musiker in Karachi, die beeinflusst von diesem Kunstbegriff arbeiten. Sie haben Zugang zu einer Musikszene gefunden, die Leute wie Khan, Rudoh, Stupid Happiness Theory, Tollcrane und andere seit Jahren aufgebaut haben. Khan ist überzeugt, dass die meisten etablierten Musiker froh sind über die Tatsache, dass die Zahl derer wächst, die das Anliegen vorantreiben, auch wenn es hier und da ein paar finstere Blicke gibt auf die Nachkömmlinge, die es so viel einfacher haben, sich einen Namen in der unabhängigen Musikindustrie Pakistans zu machen.
 
Und es sind nicht nur die jungen Musiker, die Wellen schlagen. Auch Frauen setzen ein Zeichen im Musikgeschehen der Stadt. Slowspin oder Natasha Noorani, um nur zwei zu nennen, haben nicht nur ihren eigenen Stil gefunden, sondern öffnen Karachis unabhängige Musikszene auch für andere Frauen.
 
Khan ist überzeugt davon, dass es nicht mehr wie früher eine Band braucht, um die herum sich eine Szene bilden kann. Dennoch kann es keinen Zweifel daran geben, dass es in nahezu jeder Indie-Musik Gruppierung eine solide Männerclique gibt und Frauen es schwer haben, Fuß zu fassen. Er bestätigt, dass sich solche Gruppen oft unbeabsichtigt und ohne jeden bösen Hintergedanken formieren, aber ist das nicht genau die Art und Weise wie Privilegien sich manifestieren?
 
Gleichzeitig ist er überzeugt davon, dass sie durch ihre Musik die Männer in den Schatten stellen. „Es geht ihnen nicht darum, das nachzumachen, was andere tun. Sie tun, was sie tun wollen und lassen den Rest der Welt entscheiden,“ setzt er mit unverhohlener Bewunderung dazu.
 
Die Tatsache, dass es inspirierende weibliche Musiker gibt, hilft sicher auf dem Weg, ein musikalisches oder wie auch immer geartetes Zuhause in einer von Unfrieden gekennzeichneten Stadt wie Karachi zu finden, fügt Khan noch hinzu. Aber es ist eine Aufgabe, die nicht zu unterschätzen ist. Vielleicht braucht es ein ganzes Dorf. Oder vielleicht einfach nur Leute, die dazukommen, die mitmachen beim Tanzen und Zuhören, die ihren Widerspruch formulieren, die Neues schaffen oder ganz einfach nur da sind.