Neues von bauhaus & film

Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich?, Teil 4, Neues Wohnen (Haus Gropius), Deutschland 1926/28, Reg. Richard Paulick  Produktion: Humboldt-Film GmbH

Fr, 12.06.2020 –
So, 14.06.2020

18:00 Uhr

Veranstaltung Online

Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich?, Teil 4, Neues Wohnen (Haus Gropius), Deutschland 1926/28, Reg. Richard Paulick Produktion: Humboldt-Film GmbH

Vorführung online auf dem Facebook des Goethe-Instituts Warschau

Der Film zugänglich 48 h ab dem 12.06.2020, 18.00 Uhr

Facebook-Kanal des Goethe-Instituts Warschau

László Moholy-Nagy, einer der bedeutendsten Bildkünstler des 20. Jahrhunderts plädierte für das Einrichten einer „zentralen Filmversuchsstelle“ an der Bauhausschule. Seine Idee konnte jedoch nie realisiert werden. Obwohl es niemals eine filmische Abteilung am Bauhaus gab, haben nach neuesten Forschungen 28 BauhäuslerInnen an Filmen oder Lichtprojektionen gearbeitet. Sie beteiligten sich an der Entwicklung des Avantgarde-Films, des experimentellen Films, des Kunstfilms. Das Filmprogramm „Neues von bauhaus & film“ zeigt, welches erstaunliche Potential die BauhäuslerInnen im Filmbereich entwickelt haben.

Thematisch  lassen sich die Werke vier unterschiedlichen Bereichen zuordnen: Abstrakte Filme, Politische und Experimentelle Filmessays, Architekturfilme, Erweiterte Filmformen.

Das Programm entstand in der Kooperation von ZKM Karlsruhe und dem Goethe-Institut Warschau.
Die Kuratoren: Thomas Tode und Markus Heltschl werden die Filme kommentieren und vorstellen. Sie sind zugleich  Autoren der ZKM Ausstellung „bauhaus.film.expanded“. Wir laden herzlich zu einer digitalen Begegnung mit wichtigen Elementen der Filmkunst des 20. Jahrhunderts ein.

Programm
Neues von bauhaus & film

70 Min.

 Intro
 
Amateurfilm Dessau
D 1931, 1'46'', Reg. Ivana Tomljenović, stumm
Der kürzlich aufgetauchte, einminütige 9,5mm Amateurfilm der Bauhäuslerin Ivana Tomljenović ist das filmische Pendant zu den bekannten Fotos vom sozialen Zusammenleben der Bauhausstudenten: Balkons des studentischen Prellerhauses in Dessau, Studenten*innen in der Sonne vor der Mensa, Kajak fahrend und badend in Elbe und Mulde. Möglicherweise stellt der extrem kurze Film nur eine Rolle Schnittreste dar, die auf einen längeren, verschollenen Film zur Freizeit am Bauhaus verweist.

Architekturfilme
 
Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich? Teil 4: Neues Wohnen (Haus Gropius)
D 1926/28, 14’, Reg. Richard Paulick,  stumm
In dem von Gropius initiierten und kontrollierten PR-Film Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich? war als Demonstration des Neuen Bauens gedacht und präsentierte die modernen Baumaterialien Stahl und Beton und die neuen Montageweisen Präfabrikation und Plattenbau. Der Teil 4 Neues Wohnen (Haus Gropius) widmet sich der Inneneinrichtung seines Dessauer Professorenhauses. Dort demonstriert Gropius' Frau Ise mit Freundinnen und Hausmädchen die Vorteile der schrittsparenden Küche, leichter Freischwinger und frei drehbarer Beleuchtung, bis hin zu Wischmopp und Bauhaus-Tee-Ei.

 
Die Feuerprobe
D 1935, 1'56', Reg. László Moholy-Nagy / Curt Schumann, Ton, Farbe, Trickfilm
Wie neueste, noch nicht publizierte Forschungen belegen hat der Ex-Bauhausprofessor László Moholy-Nagy zusammen mit seiner Frau Sibyl und seinem Assistenten György Kepes für die Jenaer Firma Schott mehrere Werbefilme über Jenaer Glas gedreht. Darunter war auch ein humorvoller Trickfilm und als das Farbfilmverfahren industrietauglich war, hat Moholy darauf gedrängt, einen der ersten Farbfilme zu realisieren, was die Ufa und Curt Schumann übernommen haben: Die Feuerprobe.

Abstrakte Filme
 
Kompositon I/1922
D 1922/77,1’45'', Reg. Werner Graeff, Farbe
Eine Beschäftigung mit dem Medium Film lässt sich bereits am frühen Bauhaus finden. Theo van Doesburg gibt 1921/22 in Weimar private Kurse und propagiert vor allem die Neuerungen der von ihm mitbegründeten Künstlervereinigung „De Stijl“. Der Bauhäusler Werner Graeff, Doesburgs Lieblingsschüler, entwirft zwei Kompositionen, von denen er eine 1923 in der Zeitschrift De Stijl publiziert, sie aber erst in der Nachkriegszeit realisieren kann: Kompositon I/1922.
 
Symphonie Diagonale
D 1924/25, 8’, Reg. Viking Eggeling / Erna Niemeyer
Das Bauhaus ist fasziniert vom universalistischen Prinzip, das die Vielfalt der Welt auf wenige Grundelemente, auf ein einzelnes Prinzip oder Ordnungsgesetz zurückführt. Eine Beschäftigung mit dem abstrakten Film lässt sich bereits am frühen Bauhaus finden. Formen und Farbenspiele, als filmische Partituren – radikal formal, radikal poetisch und freudig spielerisch. Zu ihnen gehört ein berühmter abstrakter Film von Viking Eggeling – dessen eigentliche Tricktischarbeit (Kamerabedienung, Bildrhythmen) von seiner Lebensgefährtin, der Bauhaus-Studentinnen Erna Niemeyer (Ré Soupault) geleistet wurde. Der abstrakte Film wurde bisher immer falsch herum und auf dem Kopf stehend präsentiert, die Restaurierung von Markus Heltschl von 2020 korrigiert dies.
 
Tanz der Muscheln
D 1956, 9'36'', Reg.  Alfred Ehrhardt, Musik: Wilhelm Keller / Bernhard Aign
Für den am Bauhaus bei Klee und Kandinsky geschulten Naturfilmer Alfred Ehrhardt, einen bedeutenden Fotografen der Neuen Sachlichkeit, ist Film primär Bildkunst. Seine vielfach preisgekrönten Filme wirken meist ohne Kommentar. In Tanz der Muscheln drehen sich die Muscheln als Wunderwerke der Natur zu den elektronischen Klängen Wilhelm Kellers und Bernhard Aigns: medial sichtbar gemachte Lebensprozesse.

 
Zyklus „Schaffende Hände. Wassily Kandinsky“
D 1926, 2'37'', Hans Cürlis, stumm
Der Kulturfilmer Hans Cürlis schuf in seinem Filmzyklus Schaffende Hände auch ein seltenes Dokument, in dem man Wassily Kandinsky beim Arbeiten in der Berliner Galerie Nierendorf sieht. Die Kamera konzentriert sich auf seine Hände.

Politische und experimentelle Filmessays
 
Alexanderplatz überrumpelt
D 1932-34, 9’24'', Reg. Peter Pewas, stumm
Der Bauhäusler Peter Pewas filmt in der Tradtion der Stadtporträts von Moholy-Nagy ein Porträt des berühmten Berliner Platzes, zeigt Armut, Prostitution und plötzlich ins Bild marschierende SA-Truppen, woraufhin er von der Polizei festgenommen und der Gestapo übergeben wird. Er bricht den Film ab, der ein wertvolles Dokument ist.
 
Gretchen hat Ausgang
D 1933, 6’35'', Reg. Ellen Auerbach, stumm
Die Fotografin Ellen Auerbach erhielt Privatunterricht beim Bauhaus-Fotografieprofessor Walter Peterhans, kaufte sich eine Amateurkamera und drehte Filme in ihrem Alltag. Gretchen hat Ausgang ist eine ironische Fantasie über ein einsames, täppisches Hausmädchen (gespielt von Auberbachs Freundin Grete Stern) an ihrem freien Tag.

Erweiterte Filmformen
 
Oskar Schlemmer Bühnenballett
D 1926, 1'35'', Reg. Oskar Schlemmer, stumm
Der Tanz spielte am Bauhaus eine wichtige Rolle, dokumentierte er doch die Bemühung, die Einheit von Tanz, Kostüm und Musik in dieser Gattung zu realisieren. Statt der irdischen Leidenschaft, wie im klassischen Ballett oder im zeitgenössischen Ausdruckstanz, sollte die Tanzkunst des Bauhauses anschaulich machen, was in Maß und Zahl beschlossen liege, getreu dem Motto: „Eine Form muss mit dem Zirkel nachprüfbar sein.“ In Oskar Schlemmer Bühnenballett kredenzt der Verehrer mit Melone (Joost Schmidt) der Frau im Tütenkostüm (Lis Beyer) einen Blumenstrauß und beide werden vom Abstrakten (Oskar Schlemmer) bedroht.
 
Kreuz-Spiel
D 1923/1963/64, Reg. Ludwig Hirschfeld-Mack 
Ludwig Hirschfeld Mack entwarf ab 1923 für Bauhausfeste live aufgeführte Lichtprojektionen mit farbigem Licht und selbst komponierter Musik. In einer Apparatur verschiebbare Scheinwerfer projizieren Licht mit Hilfe beweglicher Schablonen auf eine Leinwand: ein abstraktes, bewegliches Formeninventar. Die Zeitgenossen betrachteten die Lichtspiele als live hergestellte abstrakte Filme, präsentierten sie als Bestandteil von Filmprogrammen mit abstrakten Filmen, so bei der Veranstaltung „Der absolute Film“ am 3.5.1925 in Berlin oder bei der Eröffnung des Bauhauses in Dessau am 5.12.1926. Nach dem Krieg hat Hirschfeld-Mack seine Partituren rekonstruiert und 1964/65 beispielhaft mit der Werkkunstschule Darmstadt und dem Bauhaus-Archiv Darmstadt das stumme, schwarz-weiße „Kreuz-Spiel“ aufgeführt und auf 16mm Film aufgezeichnet.

Beschreibung der Filme: Thomas Tode, Kurator des Programms „Neues von bauhaus & film“

Thomas Tode © Thomas Tode Thomas Tode kuratierte die Ausstellung „bauhaus.film.expanded“, gemeinsam mit Markus Heltschl und Peter Weibel. Er ist freier Filmemacher, Kurator und Publizist. Er forscht und lehrt zu Essayfilm, Sowjetavantgarde-Filmen, politischen Dokumentarfilmen, Re-education-Filmen, Architekturfilmen und Archäologiefilmen Eine Auswahl seiner Publikationen sind Viva Fotofilm – bewegt/unbewegt (2010); Der Essayfilm – Ästhetik und Aktualität (2011), bauhaus & film (2012) und  Potemkin-Meisel (2015). Zuletzt produzierte er die Filme Hafenstraße im Fluss (2010); Das Große Spiel: Archäologie und Politik (2011); Dreams Rewired – Mobilisierung der Träume (2015) und Moskau Enigma (2016).

Markus Heltschl © Markus Heltschl Markus Heltschl kuratierte die Ausstellung „bauhaus.film.expanded“ am ZKM Karlsruhe, gemeinsam mit Thomas Tode und Peter Weibel. Er ist Autor, Regisseur, Fotograf und Kurator und forscht seit vielen Jahren über Bauhaus-Filme.
Filme (Auswahl): Das bedrohte Paradies - Der Fotograf Heinrich Kühn (2013/2015); Neue Architektur in Österreich (2012); Ein unentdeckter Archipel (2011); Der gläserne Blick / Dead Man´s Memories (2003)
Drehbücher (Auswahl): Der gläserne Blick (Kinospielfilm, 2000/2003 ); Unter Freunden (Kinospielfilm, 1989, Regie: Lukas Stepanik); Raffl (Kinospielfilm, 1984, Regie: Christian Berger)
Kuratierung (Auswahl): Das bedrohte Paradies (Rabalderhaus, Schwaz, 2017); Das bedrohte Paradies (Museum im Ballhaus, Imst, 2016)

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