„Wer wenn nicht wir“

„Wer wenn nicht wir“ © Goethe-Institut

So, 11.03.2018

Warschau Kino Iluzjon

Regie: Andres Veiel
Deutschland 2011, 124 Min.

Der Film wird im deutschen Original mit polnischen Untertiteln gezeigt.
 
„Gudrun, ich brauch dich, ich schaff das nicht alleine“ schreibt der Schriftsteller Bernhard Vesper* Mitte der 1960er Jahre in einem Brief an seine Geliebte, die Germanistin Gudrun Ensslin. In seinem Spielfilmdebüt erzählt der gefeierte Dokumentarfilmer Andres Veiel von der Entstehung und Entwicklung der bundesrepublikanischen Protestbewegung, die sich unter anderem gegen die bürgerlich-kapitalistische Nachkriegsordnung in Deutschland richtete und auf deren Boden die linksradikale Terrororganisation RAF entstand. Die Handlung des Films umfasst eine Zeitspanne von 1949 bis 1971, doch konzentriert sich der Regisseur jedoch vor allem auf die Ereignisse der 1960er Jahre. Akribisch zeichnet Veiel den gesellschaftlich-politischen Kontext nach, in den Mittelpunkt rückt er jedoch die privaten Schicksale der an den damaligen Ereignissen beteiligten Personen, indem er die stürmische Beziehung zweier junger Intellektueller auf geradezu melodramatische Weise in Szene setzt. Der Filmemacher, der in den 1970er Jahren an einem Regieworkshop mit Krzysztof Kieślowski in Westberlin teilnahm, porträtiert seine Protagonisten sehr ambivalent: In seiner Version erscheinen Ensslin und Vesper anziehend und abstoßend zugleich. Das nationalsozialistische Erbe, dem sich die junge Generation der Deutschen gegenübergestellt sah, die von der Generation ihrer Eltern moralische Wiedergutmachung für die Verbrechen des NS-Regimes forderte, verleiht Veiels Figuren tragische Züge. Dies offenbart sich in den schonungslosen Worten der Mutter der Hauptfigur: „Ohne den Führer hätte es dich nicht gegeben.“ Sorgfältig inszeniert, mit Musik aus jener Zeit unterlegt und angereichert mit einem queeren Handlungsstrang, wurde „Wer wenn nicht wir“ auf der Berlinale 2011 mit dem Alfred-Bauer-Preis ausgezeichnet. (Text: Ewa Fiuk)
 
* Bernward Vesper war der Sohn des nationalsozialistischen Schriftstellers Will Vesper.
 

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