Documenta 14: Arabische Kuratorinnen und Kuratoren in Athen
Mostafa Aghrib

Mostafa Aghrib
Foto: Mostafa Aghrib

Man kann sich vorstellen, dass es ein sehr mutiger Schritt war, einen Teil von einer der wichtigsten zeitgenössischen Kunstveranstaltungen, der documenta, von ihrem historischen Standort in Kassel, Deutschland, nach Athen zu verlegen.

Den Kontext der griechisch-deutschen Beziehung vor dem Hintergrund der Rettungshilfen der Europäischen Union in Erinnerung behaltend, sollte dies einen Dialog anregen und dort Erfolge verzeichnen, wo die Politik fehlschlägt.

Das Goethe-Institut hätte sich keinen besseren Moment aussuchen können, um KuratorInnen aus der arabischen Welt zu vereinen und ihnen die Möglichkeit zu geben, zu interagieren und einen Dialog zwischen KünstlerInnen aus den Regionen des Mittleren Ostens und Nordafikas zu initiieren. Es war zudem interessant, Teil der documenta 14 zu sein, bei der die Hauptausstellungen die tagtäglichen sozialen und geopolitischen Probleme unserer Region und die ökonomischen und politischen Strukturen  des Westens hinterfragen – zumeist durch nichtwestliche Kunstwerke.

Mostafa Aghrib Foto: Mostafa Aghrib Aufgrund der geopolitischen Lage Griechenlands als Zugangspunkt für Migranten nach Europa war die Flüchtlingskrise eines der Hauptthemen der documenta in Athen, wie es Bouchra Khalili’s Dokumentation „The Tempest Society“ eindrücklich einfängt, die das Schicksal von Flüchtlingen in Athen nachzeichnet.

Kritik an Medien und Kapitalismus wurde in Emeka Ogboh’s „The Way Earthly Things Are Going“ geübt, der eine LED-Lichtshow, die die Aktienkurse der Weltmärkte anzeigt, mit afrikanischen Gesängen konfrontierte...Eine Konfrontation der kapitalistischen Systeme und der Ressourcen, aus denen sie ihren Wert gewinnen.

Ich muss sagen, dass es trotz der Hilfe des Teams vom Goethe-Institut und dem Lesen der vorhandenen Texte zur Veranstaltung nicht einfach war, von einem kuratorischen Standpunkt aus eine klare Idee oder Vorstellung von der documenta 14 zu gewinnen. Anscheinend war dies das Ziel des Kuratorenteams.

„Verlerne, was du weißt“, sagte eine der Tourleiter in der Athener „School of Fine Arts“, „eine Ausstellung sollte eine Erfahrung sein, ohne große vorherige Erwartungen.“ Und das Kuratorenteam führte diese Idee bis zu dem Punkt weiter, an dem nicht einmal die Kunstvermittler über die Ausstellungen informiert wurden und sie ihre eigenen Interpretationen mit unseren Nachfragen konfrontieren mussten.

Mostafa Aghrib Foto: Mostafa Aghrib Über das Hinterfragen der Lernmodelle und –konzepte und und über unsere Fähigkeit hinaus, unsere Köpfe sogar zeitweise von unseren gedanklichen Assoziationen zu befreien und für die Zeit einer Ausstellung „zu verlernen“, ließen mich als Besucher die fehlenden Richtlinien, um durch die verzweigten Ausstellungen in den großen Räumen und Sälen zu finden, orientierungslos zurück...Die einzigen verfügbaren Richtlinien waren einfache Arbeitstitel und Künstlernamen auf Marmorblöcken auf dem Boden, aber ich genoss es sehr, frei von schwerfälliger kuratorischer Didaktik zu sein.

Außerhalb der Ausstellungssäle waren die Proteste und Tränengaseinsätze, die Gleichgültigkeit und Feindseligkeit gegenüber der documenta in Athen, eine deutliche Demonstration, dass die documenta nicht nur eine Zeit war, um als politische Akteure zusammenzukommen (?). Yanis Varoufakis, der frühere griechische Finanzminister, formulierte eine der feindseligsten Aussagen: „Es ist wie Krisentourismus. Es ist ein Gimmick, mit dem die Tragödie in Griechenland ausgebeutet wird, um das Bewusstsein mancher Menschen von der documenta zu beruhigen. Es ist so, als ob reiche Amerikaner eine Tour durch arme afrikanische Länder unternehmen, eine Safari machen, auf eine humanitäre Touristenkreuzfahrt gehen. Ich empfinde es nicht als hilfreich, weder künstlerisch noch politisch.“
 
documenta 14 präsentierte starke politische Stellungnahmen; Besucher wurden gezwungen, Informationen für sich selbst herausfinden, aber es ist mehr Zeit notwendig, um durch alle Räume zu finden. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass dies bloß ein Kapitel war; das Zweite wird in Kassel stattfinden, bis dahin.