JiGG 16
Interview mit Rui Neves

JiGG 2016 - Rui Neves
© Carlos Porfírio

Seit 2005 bringt das Festival JiGG – Jazz im Goethe-Garten jedes Jahr im Juli zeitgenössischen europäischen Jazz in die Hauptstadt Portugals. Der künstlerische Leiter des Festivals, Rui Neves, lässt in diesem Interview die zwölf Jahre JiGG Revue passieren und zieht die Bilanz der Ausgabe 2016.

Sie sind seit der ersten Ausgabe der künstlerische Leiter des JiGG - Jazz im Goethe-Garten. Wann und wie kam es zum ersten Kontakt mit dem Goethe-Institut?

Es war 1973, und zwar zur Zeit der Institutsleitung durch Dr. Curt Meyer-Clason, eine angesehene und für das kulturelle Leben Lissabons unvergessliche Persönlichkeit, die zu dieser Zeit wertvolle und alternative Aktionen in mehreren Bereichen vorantrieb: Theater, Kino, Literatur, Performance, Musik, sowohl vor als auch nach dem 25. April 1974. Ich hatte gerade als Sopran-Saxofonist in der Gruppe Plexus, unter anderen mit dem Violinisten Carlos Zíngaro und dem Cellisten Celso de Carvalho, als Musiker angefangen und mit dem Auftritt in der 4. Ausgabe des von Luís Villas-Boas geleiteten Internationalen Jazzfestivals in Cascais eine gewisse Anerkennung erlangt. Nach einigen Jahren, 2004, entschloss sich die Europäische Kommission Lissabons dazu, Partner zur Realisierung eines vom Goethe-Institut koordinierten und zu 100 Prozent aus europäischem Jazz bestehenden Festivals zu ernennen. Ich denke, man war sich darüber einig, mir die künstlerische Leitung anzuvertrauen. Als alle Vorraussetzungen erfüllt waren, wurde beschlossen, dieses EURO JAZZ 2004 benannte Festival in der Stadt Tomar stattfinden zu lassen. Die Stadt stimmte der Idee mit Begeisterung zu und war bereit, sich daran zu beteiligen.

Es schlossen sich also Repräsentanten aus 16 Ländern der Europäischen Union an, die gezeigt haben, dass es einen europäischen Jazz mit eigener Identität gibt, was   auch der Ausgangspunkt für die erste Ausgabe des Jazz im Goethe-Garten im Jahre 2005 war. Der damalige Direktor des Instituts, Kurt Scharf, gründete das Festival und übertrug mir die Leitung. Dies tue ich – mit der Unterstützung der nachfolgenden Direktoren des Goethe-Instituts, die nie am Erfolg der Initiative gezweifelt haben – bis heute. Die Gründung des Festivals geschah just zu der Zeit, wo der heutige Garten des Goethe-Instituts vom Parkplatz der Deutschen Botschaft zu einem zauberhaften Ort wurde, wie wir ihn heute kennen. Ein Ort, der zudem über die technischen Vorraussetzungen verfügt, die zur Realisierung von Konzerten nötig sind.

Welche sind die wichtigsten Eigenschaften des JiGG, was macht das JiGG so einzigartig?

Die Vorstellung der aktuell in Europa praktizierten Jazzmusik. Wir wählen neue, vom amerikanischen Modell unabhängige Formate aus – dies ist die Haupteigenschaft des JiGG, denn es gibt in Portugal keine vergleichbare Veranstaltung, seitdem das “Festival de Jazz Europeu do Porto” in den 1990er-Jahren eingestellt wurde. Auch ist mir unbekannt, ob weltweit irgendeine Delegation des Goethe-Instituts irgendetwas in diesem Bereich organisiert. Hervorzuheben sei auch der Veranstaltungsort, der Garten des Goethe-Instituts, der 300 Menschen Platz bietet und der ein echter Biergarten in Lissabon ist. Man kann hier essen und trinken, was zusammen mit  der Entscheidung, das Event an Wochentagen abends, um 19 Uhr, stattfinden zu lassen (after hour-Konzept), zur Beliebtheit des Festivals beiträgt. Wahrscheinlich ist der Umstand, dass es eine Zusammenarbeit mit mehreren Kulturinstituten und Botschaften europäischer Länder in Lissabon gibt, die ihrerseits zur Finanzierung des Festivals beitragen, der entscheidende Aspekt, der das Festival ermöglicht.

Wie wählen Sie bei einem so diversifizierten musikalischen Panorama die Bands für das Festival aus?

Ein Programmgestalter muss natürlich Intuition besitzen, um zu verstehen, was das Publikum interessieren könnte. Andererseits muss der Programmgestalter ein breites Wissen einer bestimmten musikalischen Realität besitzen, in deren Bereich er sich bewegt. Im Fall des JiGG werden die Künstler unter denen ausgewählt, die weniger bekannt sind, jedoch sehr wertvolle neue Ideen und Konzepte einbringen, bei denen es also nahezu zwingend ist, dass sie bekannt gemacht werden. Aber tatsächlich ist es auch so, dass durch die steigende Autonomie des in Europa praktizierten Jazz sich mittlerweile ein weites Feld mit großer Auswahl entwickelt hat, wozu das Erscheinen neuer Festivals, die sich spezifisch auf diese Tatsache konzentrieren, sowie neue Strukturen in der Schulung und Finanzierung beitragen. Dies lässt zuversichtlich auf die nähere Zukunft blicken.

Was änderte sich und was blieb während der letzten zwölf Ausgaben gleich?

Ich denke, dass das Programm des JiGG seit der ersten Ausgabe immer ehrgeiziger wurde, was nicht heißen soll, dass die ersten Ausgaben weniger interessant waren, da es immer das ästhetische Ziel gab, welches das Festival bis heute kennzeichnet. Ich würde sagen, dass das Programm auf mehreren Ebenen verfeinert wurde: es bildete sich ein Stammpublikum, was auch zu einer steigenden Besucherzahl führte, es gab eine immer größere Mediatisierung, was auch Ergebnis der Verbesserung der technischen Aspekte in Bezug auf Tonqualität vor Ort ist, und eine effektivere Produktion, da die kontinuierliche Arbeit der letzten zwölf Jahre auch ihre Früchte trägt.

Erzählen Sie uns ein wenig über diese zwölfte Ausgabe. Was prägte das JiGG 2016?

Das JiGG 2016 brachte uns glücklicherweise keine Enttäuschungen, was man nie ganz ausschließen kann, obwohl man sich, was die Fähigkeiten der ausgewählten Musiker und Bands angeht, sowie deren Wirkung auf die Decodierung des Hörers des Festivals, natürlich sicher ist. Alle Bands haben sich bemüht und es wäre nicht fair, hier Vergleiche zu ziehen. Nichtsdestotrotz hat mich die durchaus positive Reaktion des Publikums auf das deutsche Quartett Grid Mesh, das JiGG 2016 abgeschlossen hat, sehr gerührt. Sie praktizieren eine durchgearbeitete improvisierte Musik und behaupteten sich durch die tiefgründige Originalität in einer musikalischen Richtung, an die sehr wahrscheinlich der größte Teil der Zuhörer nicht sehr gewöhnt ist.

Welche sind die Perspektiven für 2017?

Ich strebe immer eine Verbesserung des JiGG an, zum Beispiel, was die internationale Medienpräsenz angeht. Meiner Meinung nach ist sie verdient. Es gibt sicherlich hochwertige europäische Musiker und Projekte, die das Fortbestehen sichern. Und schließlich sollte es noch mehr Partner geben, die es ermöglichen, das Niveau höher anzusetzen. 
 

Rui Neves ist seit über 40 Jahren als Rundfunksprecher, Kritiker, Produzent, Art Director und Autor tätig. Sein Schwerpunkt sind die verschiedenen Genres und Typologien der zeitgenössischen Musik des 20. und 21. Jahrhunderts. Er ist künstlerischer Leiter der Festivals JiGG – Jazz im Goethe-Garten und Jazz em Agosto.