Europa
EUNIC Portugal: ein europäisches Gegennarrativ

EUNIC Portugal
EUNIC Portugal | Foto (Ausschnitt): © Goethe-Institut

Der größte Reichtum Europas, seine kulturelle Vielfalt, nimmt in der Zusammenarbeit der Lissabonner Kulturinstitute und Botschaften konkret Form an. Diese organisieren innerhalb des Netzwerks EUNIC Portugal gemeinsam Veranstaltungen, die weit über das hinausgehen, was jede Institution für sich alleine auf die Beine stellen könnte. Ein Beispiel: Der alljährlich im September stattfindende Europäische Sprachentag. 

Die dezidiert europäische Perspektive der beteiligten Lissabonner Kulturinstitute und Botschaften bildet die Grundlage der starken und nachhaltigen Zusammenarbeit von EUNIC Portugal. Was mit einer einfachen Filmreihe begann, entwickelte sich kontinuierlich weiter, ohne jedoch den Schwung und die Begeisterung des Anfangs zu verlieren. Heute zählt der portugiesische EUNIC-Cluster, der in Lissabon regelmäßig Kulturveranstaltungen organisiert, 13 Institute und Botschaften. Zwei dieser Veranstaltungen haben sich dabei zum Markenzeichen der Organisation entwickelt: die vor fünf Jahren ins Leben gerufene Europäische Literaturnacht und der Europäische Tag der Sprachen, dessen nächste Ausgabe am 23. September 2017 in der Biblioteca Palácio Galveias in Lissabon stattfindet.

Die Bandbreite der von EUNIC Portugal innerhalb der verschiedenen Projekte angebotenen Aktivitäten ist enorm: von Spielen über Mal- oder Kochworkshops am Tag der Sprachen über Lesungen von Werken von europäischen Autoren an normalerweise nicht öffentlich zugänglichen Locations bei der Europäischen Literaturnacht bis hin zu einmaligen Veranstaltungen wie das Konzert mit sechs Organisten aus verschiedenen Ländern, das im Mai 2017 anlässlich des zehnjährigen Jubiläums von EUNIC Portugal und des 60. Jahrestags der Römischen Verträge ein zahlreiches Publikum nach Mafra lockte..

Ein Artikel über EUNIC Portugal erschöpft sich jedoch nicht in der Beschreibung dieser Initiativen, sondern liefert auch einen ausgezeichneten Vorwand, um Parallelen zum Europa der heutigen Zeit zu ziehen. Denn wenn das Image der Europäischen Union doch bisweilen sehr unter der stereotypen Auffassung zu leiden hat, eine bürokratische Institution zu sein, so zeigt die gelungene kulturelle Zusammenarbeit innerhalb des EUNIC-Netzwerks ein anderes, lebendiges und vielfältiges Europa, das nicht nur zu gemeinsamer Arbeit, sondern auch zu Kompromissen fähig ist.

VON KOLLABORATION ZU KOPRODUKTION

Im Rahmen der rotierenden Präsidentschaft ist derzeit Stephan Hoffmann vom Goethe-Institut Portugal Präsident des portugiesischen EUNIC-Clusters. Er unterstreicht, dass das Netzwerk die Konkretisierung dessen ermöglicht, was oft abstrakt bleibt: „die europäische Kultur, ihre Vielfalt, das ist etwas, das man sehen kann, über das man sprechen kann“; die Aktivitäten von EUNIC Portugal machen Europa „in einem Bereich, der nichts mit Politik zu tun hat, sichtbar“.

Manuel Malzbender von der Österreichischen Botschaft stimmt zu: die Veranstaltungen von EUNIC seien „einer der Anlässe, an denen Europa für uns und auch für die Besucher der Veranstaltungen sichtbar ist“. Denn es gehe nicht nur um das Ergebnis, sondern auch um den Prozess, in dem mehrere Vertreter „kommunizieren, zusammenarbeiten und Kompromisse schließen“ müssen, um die Veranstaltungen auf die Beine zu stellen, so Manuel Malzbender.

Ursprünglich waren die Initiativen von EUNIC nicht mehr als die Summe einzelner Beiträge, berichtet Ronald Grätz, Generalsekretär des IfA (Institut für Auslandsbeziehungen) und ehemaliger Leiter des Goethe-Instituts Portugal. Er zählte 2006 zu den Gründern von EUNIC Portugal und war auch der erste Präsident des portugiesischen Netzwerks: „Jedes Land schlug einen Film vor, und daraus bastelte man dann eine Filmreihe zusammen“. Nach und nach „begannen sich die Dinge aber zu ändern und aus einer simplen Zusammenarbeit entwickelten sich echte Koproduktionen“, erzählt er begeistert.

Diesen Gedanken der Koproduktion unterstreicht auch Fátima Dias vom British Council. Die ursprüngliche Idee, so Fátima Dias, war es, die von einigen Lissabonner Kulturinstituten organisierten Veranstaltungen in einen europäischen Kontext zu stellen. „Warum nicht einige Veranstaltungen gemeinsam organisieren, wenn wir doch dieselben Themen bearbeiten und gemeinsame Ziele verfolgen?“

STÄRKUNG IN ZEITEN DES “BREXIT"

Fátima Dias weist darauf hin, dass der British Council von den herrschenden politischen Kräften unabhängig handelt und dass es in Zeiten der Vorbereitung des „Brexit“ „für den British Council sehr wichtig ist, die kulturellen Bande weiterhin zu stärken, jetzt wo das Vereinigte Königreich im Begriff ist, [aus der Europäischen Union] auszutreten“.

„Es ist unmöglich, sich mit dieser Arbeit zu beschäftigen, ohne Parallelen zur aktuellen Lage Europas zu ziehen“, betont seinerseits Manuel Malzbender. „Seit 2006 organisieren wir Veranstaltungen, die nur aufgrund des Willens zur Zusammenarbeit zustande kommen. Dies ist der Beweis, dass es möglich ist, eine gemeinsame Grundlage zu haben und Kompromisse einzugehen. Und das wiederum widerspricht dem Narrativ, an das wir uns bereits gewöhnt haben. Europa ist kein schwieriges und unmögliches Projekt. Unsere Geschichte [von EUNIC Portugal] zeigt das Gegenteil“, bekräftigt Manuel Malzbender und stellt zugleich die Frage in den Raum: „Wie sonst erklärt sich der Erfolg der letzten Jahre?”

WACHSTUM UND INTERESSE

EUNIC Portugal ist einer von mehreren EUNIC-Clustern (European Union National Institutes for Culture), deren Strategie von EUNIC Global definiert und anschließend in jedem lokalen Cluster umgesetzt wird. Im Vergleich zu den anderen Clustern ist EUNIC Portugal von mittlerer Größe, verfügt jedoch über ein stabiles Mitgliedernetz und wächst derzeit sogar: „es gibt neue Partner, neue Sponsoren – das Interesse ist da“, stellt Stephan Hoffmann fest.

Aus den ursprünglich acht Gründungsmitgliedern ist das Netzwerk inzwischen auf 13 Mitglieder angewachsen und wird von der Vertretung der Europäischen Kommission in Portugal unterstützt. Neben den Kulturinstituten und Botschaften aus Deutschland, Österreich, Spanien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Portugal, dem Vereinigten Königreich, der Tschechischen Republik und Rumänien, die bereits beim Europäischen Tag der Sprachen 2016 dabei waren, sind bei der diesjährigen Ausgabe auch Kroatien als neues Mitglied von EUNIC Portugal und die beiden Gastländer Georgien und Polen mit von der Partie..

Was bis heute erreicht wurde, so Fátima Dias, „ist schon nicht schlecht“, aber niemand möchte an diesem Punkt stehenbleiben. „Wir möchten weiter wachsen, mehr Projekte anbieten, die immer mehr Leute erreichen“. Die aktuelle Herausforderung liegt darin, die Bekanntheit von EUNIC Portugal weiter zu steigern.
 
EUNIC ist ein Netzwerk nationaler Kulturinstitute und Botschaften von Ländern der Europäischen Union. Ziel von EUNIC ist die Förderung der kulturellen Zusammenarbeit inner- und außerhalb der Europäischen Union. Mitglieder von EUNIC Portugal sind derzeit: Alliance Française du Portugal, British Council, Camões, I.P., Österreichische Botschaft, Griechische Botschaft, Botschaft der Tschechischen Republik, Botschaft der Republik Kroatien, Goethe-Institut Portugal, Instituto Cervantes, Instituto Cultural Romeno, Instituto Ibero-Americano da Finlândia, Institut Français du Portugal und Istituto Italiano di Cultura.