Die göttliche Ordnung
Die Unterdrückung durch das Patriarchat

Die Göttliche Ordnung Länderportal
Die Göttliche Ordnung Länderportal | Foto (Ausschnitt): © Daniel Ammann, all rights reserved

In der Unausgewogenheit ertönt ein Schrei, der stets unterdrückt wird. Es ist der Schrei der Frau, die Stimme eines Geschlechts in stetem Kampf für eine Gleichberechtigung, die nur theoretisch umrissen werden kann. "Die Göttliche Ordnung" zeigt auf, wie dringend die Möglichkeit einer Gleichberechtigung sein kann.

Der Abschlussfilm der 15. Ausgabe des Festivals KINO wurde von einer Frau als Ode an den ewigen Kampf ihres Geschlechts gedreht. In ihm wird die im Titel angedeutete „Göttliche Ordnung” in ihrem angeblich unveränderbaren Dasein dekonstruiert. Die Frau als Hausfrau und fruchtbarer Schoß, ohne jegliches intellektuelle Denken. „Die Frau gehört an den Herd”, ein Klischee, das noch heute in veralteten Mentalitäten fortbesteht. Nora wohnt in einem abgelegenen Schweizer Dorf. Sie hat sich mit den Gegebenheiten abgefunden, jedoch erwacht in ihr eines Tages der Wille, mehr aus sich zu machen, auch wenn die Möglichkeiten gering sind. Abgesehen von dem politischen Umfeld, das sie als minderwertig abstempelt, trifft sie auch noch im eigenen Zuhause auf Widerstand. Ihr Mann möchte sie daran hindern, eine Arbeit anzunehmen, da er das Zusammensein mit anderen Männern nicht gutheißt und weil die gemeinsamen Kinder nicht einfach irgendein Fertiggericht aufgetischt bekommen sollen. Doch vor allem auch, weil er die „natürliche” Ordnung nicht untergraben will, eine Ordnung, die ihm alle Macht gibt. Er bringt das Geld nach Hause und steuert Noras Leben.
 

Die Ordnung untergraben

Der Alltag Noras, der für das Leben so vieler Frauen steht, wird in diesem Film in zwei unterschiedlichen Szenen dargestellt. Am Anfang staubsaugt sie, ohne je an die Möglichkeit zu denken, eine andere Stellung in der vorbestimmenden Gesellschaft einzunehmen. Ihr Schwiegervater, der gerade Zeitung liest, hebt die Beine und würdigt sie dabei keines Blickes. Sie bewegt sich mit der Selbstverständlichkeit einer Hausangestellten. Gegen Ende des Films, nachdem Nora schon andere Möglichkeiten des Frauseins erlebt hat, beobachtet sie dieselbe Geste, dieses mechanische Hochheben der Beine, mit einer Mischung aus Missbilligung und Konformismus. In diesem Moment besitzt sie noch nicht die nötigen Werkzeuge und resigniert erneut in der Rolle, die ihr zugewiesen wurde.

Nicht nur der Mann zeigt sich als Gegner. Die große Mehrheit der in dem Dorf lebenden Frauen verrät das eigene Geschlecht und nimmt gegen das Stimmrecht Stellung. Sie sind unfähig, über die sie beherrschende göttliche Ordnung hinaus zu sehen. Ironischerweise stellen sie selbst ein Hindernis für die Entwicklung der Rolle ihres eigenen Geschlechts in der Gesellschaft dar, sei es aus Konformismus oder aus Angst vor Vergeltung. Das Stimmrecht ist die Hürde zu einer Meinungsfreiheit, deren Bewältigung für sie utopisch ist. Ein Umdenken ist also notwendig, der Ehrgeiz muss entfesselt werden. Die göttliche Ordnung von Petra Biondina Volpe, Siebzehn von Monja Art und Haus ohne Dach von Soleen Yusef bereichern das Programm von KINO 2018 um die feministische Perspektive. Stets geht es um Frauen, die sich hohe Ziele setzen und die Dominanz der Männer in der Welt des Films durchbrechen.
 

Die Utopie der Lust

Auf dem Weg von „stepford wives“ zu selbstbestimmten Frauen durchlaufen die Frauen in Die göttliche Ordnung mehrere Prozesse, u. a. auch das Kennenlernen der eigenen Vagina. Ein „Love your vagina“ wird ausgerufen, eine Landeshymne zur Förderung der Freiheit in der Lust. Der Feminismus, Leitfaden des Films und seiner Handlung, verbindet das Streben nach Gleichberechtigung mit dem Bewusstsein des Körpers als Mittel zur Lust und nicht nur zur Vermehrung. Das Zurückgewinnen der Macht über den eigenen Körper erweitert sich danach auf das Stimmrecht – ein Recht, das Frauen in der Schweiz erst 1971 erlangten.

Der überaus lebendige Feminismus in Die göttliche Ordnung zeichnet historische Gegebenheiten nach und lässt dabei nicht viel Raum für die Feinheiten einer künstlerischen Sichtweise. Die diesjährige Ausgabe von KINO verabschiedet sich mit dem „Schrei der Frau“, der gleichermaßen ein Sprung zurück in der Zeit und paradoxerweise Spiegel einer Gegenwart ist, die auch heute noch beide Geschlechter zu sehr prägt.