Die Handlung von Als ich jung war kreist um zwei Todesfälle, die sich zu verschiedenen Zeitpunkten im Leben von Franz ereigneten, und beschreibt ausführlich die Gegebenheiten, die ihnen vorangingen.
Ein Jahrzehnt zuvor kam bei einer ereignisreichen Hochzeitsfeier die Braut ums Leben. Was anfänglich ein Unfall oder Suizid zu sein scheint, lässt einige Fragen offen und die Ermittler zuletzt die Möglichkeit erwägen, dass es sich um einen Mordfall handelt. Obwohl Franz am Abhang, von dem die Braut stürzte, nur war, um das Brautpaar zu fotografieren, bleibt offen, ob er nicht doch in den Vorfall verstrickt ist. Später wird Franz in die USA gehen, um in Wyoming als Skilehrer zu arbeiten. Dort wird er mit Jan, einem deutlich älteren Schüler, Freundschaft schließen. Jan wird sich, Jahre später, durch einen mutwilligen Aufprall gegen einen Baum beim Skifahren selbst töten.
Bei seiner Rückkehr nach Tirol hat Franz nicht nur mit den weiterhin bestehenden Unklarheiten über Iris Tod, der Braut, die in den Tod gestürzt ist, zu kämpfen. Er muss sich auch den Konsequenzen stellen, die daraus entstehen, dass er einige Wochen vorher, auf einer anderen Hochzeitsfeier, Sarah, ein minderjähriges Mädchen, von dem er glaubte, es sei älter, gegen seinen Willen geküsst hat.
Die Gegebenheiten vor den Todesfällen von Iris und Jan und vor seinen Avancen gegenüber Sarah sind in der Ich-Erzählung durchgehend präsent. Doch Franz ist ein Ich-Erzähler, dessen Glaubwürdigkeit immer wieder angezweifelt wird. Auch die Identifikation und Sympathie, die der Leser gegenüber Franz entwickelt, tragen nicht zu einer objektiven Sicht auf die dargestellten Fakten bei (die natürlich durch den Erzähler verzerrt werden). Diese Erzählweise mag für einen Kriminalroman nicht ideal sein (in dessen Tradition das Buch nichtsdestotrotz steht), aber sie dient dem Zweck, das psychologische Innenleben des Protagonisten zu erkunden.
Dem Leser werden die Erfahrungen nahegebracht, die Franz in der Vergangenheit prägten: Er war Opfer erniedrigender Misshandlungen und wuchs in einer Familie auf, in der die Mutter, vom Vater verachtet, im Alkohol Zuflucht sucht… Die im Titel der Werkes suggerierte Nostalgie nach vergangenen Zeiten ist in Wahrheit eine Sehnsucht nach dem verpasstem Glück. Das (idealisierte) Glück scheint auf Sarah projiziert zu werden.
Franz und Jan sind im Grunde scheinbar normale Personen, doch sie weichen von der sozialen Norm ab und haben offensichtlich Schwierigkeiten im Umgang mit dem anderen Geschlecht. Franz erfährt nach und nach von den vergangenen Traumata Jans, wobei er auch immer mehr über sich selbst preisgibt: Ihm wird z.B. bewusst, dass er als früheres Opfer sich auch in einen Täter verwandeln könnte.
Als ich jung war von Norbert Gstrein thematisiert die Schattenseiten der Sexualität sowie die Schuldgefühle, die damit einhergehen. In Zeiten, in denen viele Missbrauchsopfer den Mut finden, ihre Geschichten publik zu machen, und dem Gespräch über das Toxische in den Beziehungen zurecht viel Wert beigemessen wird, präsentiert uns der Autor die Opfer nicht als moralisch überlegen. Er regt dagegen zu Fragen an, wie: „Wieviel weiß man über die eigenen Abgründe? Oder über die Abgründe derjenigen, die uns nahe stehen?
Auf meisterhafte Art und Weise, sprachlich souverän und mit viel Feingefühl geht Gstrein mit dieser Thematik um, was allein schon eine portugiesische Übersetzung dieses Werkes rechtfertigen würde.
Es gibt nicht viele Bücher, die, wie dieses, solch ein beunruhigendes Unwohlsein nach Beendigung der Lektüre hinterlassen.