Umweltgerechtigkeit
Nachhaltigere… und gerechtere Städte

Viele der aktuellen Umweltprobleme, wie die Verschmutzung der Meere, die weltweite Erdölförderung und die Abholzung des Amazonas, betreffen unseren Alltag nur indirekt. Doch auch in den Städten, in denen wir leben, gibt es unzählige Umweltprobleme: Luftverschmutzung, Lärm, der uns den Schlaf raubt, ein Mangel an schattenspendenden Bäumen, Müll auf den Straßen und die Allgegenwärtigkeit von Beton und Asphalt in den Wohnvierteln beinflussen unseren Alltag ganz direkt und beinträchtigen unsere Gesundheit und Lebensqualität.
Von Jessica Verheij
Diese Risiken für Bürger*innen stehen im Zentrum des Konzepts der Umweltgerechtigkeit, das einen besonderen Augenmerk darauf legt, inwiefern manche Menschen stärker betroffen sind als andere.
Umweltprobleme sind soziale Probleme
Der Begriff der Umweltgerechtigkeit wurde in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts von einer zivilen Bewegung in den Vereinigten Staaten geprägt. Diese Bewegung setzte sich für mehr Umweltschutz für ärmere und an den Rand der Gesellschaft gedrängte Bevölkerungsschichten ein, die aufgrund toxischer Abfälle in ihren Wohngebieten Umweltrisiken in besonderem Maße ausgesetzt waren. Man entwickelte den Grundgedanken, diese Umweltprobleme als etwas anzugehen, das eng mit den schon vorhandenen sozialen Ungleichheiten verknüpft war. Diese Herangehensweise betrachtet Umweltkrise und soziale Ungerechtigkeit als zwei Seiten derselben Medaille. Seitdem wird das Konzept der Umweltgerechtigkeit auf Umweltkonflikte überall auf der Welt angewandt, wobei sich viele dieser Konflikte im ländlichen Raum abspielen. Da der Kampf gegen alltägliche Umweltrisiken zentraler Bestandteil des Konzepts ist, besteht jedoch auch eine enge Verbindung zum städtischen Raum, in dem wir einen Großteil unseres alltäglichen Lebens verbringen.Die urbane Umweltgerechtigkeit möchte herausfinden, wo man in der Stadt den größten Umweltrisiken ausgesetzt ist, welche sozialen Gruppen am stärksten davon betroffen sind und auf welche Art die Städtepolitik dazu beiträgt, diese ungerechten Auswirkungen zu verstärken oder zu mindern. Gleichzeitig fordert sie eine aktive Beteiligung der Bevölkerung an den Prozessen der Entscheidungsfindung in Bezug auf Umweltfragen in ihren Vierteln. Ziel ist es, nicht nur eine gerechte Verteilung der Güter und der Kosten zu erlangen, sondern auch das Recht auf eine aktive Stimme bei den Prozessen, die diese Verteilung regeln. Das öffentliche Mitspracherecht ist also ein Grundbaustein der Umweltgerechtigkeit.
Umweltgerechtigkeit in Lissabon
Wird das Konzept der Umweltgerechtigkeit auf Lissabon angewandt, stechen einige Fragen besonders hervor. In einer Stadt, in der das Auto weiterhin eines der bevorzugten Fortbewegungsmittel ist und der größte Flughafen des Landes die Gesundheit der Bewohner*innen der anliegenden Viertel stark beeinträchtigt, zählen Luftverschmutzung und Lärm zu den größten Risiken. Zugleich stehen im Vergleich zu anderen europäischen Städten wenig Grünflächen zur Verfügung – auch wenn Lissabon über mehr Grünflächen pro Einwohner*innen verfügt als die meisten anderen südeuropäischen Städte. Dennoch ist die Stadt weit von einem gesunden städtischen Ambiente entfernt.
Urbane Umweltgerechtigkeit in Zeiten der Pandemie
Fragen der Umweltgerechtigkeit gewinnen durch die Covid-19 Pandemie noch stärker an Dringlichkeit. In Lissabon haben nur 47% der Bevölkerung Zugang zu Grünflächen in der direkten Umgebung ihrer Wohnungen (nach Angaben der Stadt Lissabon von 2015). Grünflächen nehmen weniger als 35% der Stadtfläche ein. Dies bedeutet, dass durch die Verordnung der Ausgangssperre viele Lissabonner*innen keinen Zugang zu einem Stück Natur in ihrer Nähe haben, obwohl dies aus vielerlei Gründen wichtig für die Gesundheit wäre.