Literatur Nietzsche im 21. Jh: Die Wiederentdeckung der Schulden und des asketischen Ideals

Friedrich Nietzsche © Public domain

16.10.2019, 19:00 Uhr

Goethe-Institut Lissabon

Leituras Cruzadas - Literarisches Gespräch mit Nuno Nabais

Am 16. Oktober um 19:00 Uhr spricht Professor Nuno Nabais im Rahmen der Reihe Leituras Cruzadas - Literarische Gespräche in der Bibliothek über das neue Interesse am Werk des deutschen Philosophen Friedrich Nietzsche. Das Gespräch wird von Filipa Melo moderiert.

Im 21. Jahrhundert manifestiert sich allerorten ein neues Interesse am Werk Friedrich Nietzsches. Dabei geht es weniger um Themen wie Nihilismus und die Dekadenz des christlichen Wertsystems, und (trotz der Inflation deontologischer Positionen im ethischen Diskurs am Ende der 1990er-Jahre) auch nicht um die unterschiedlichen Versionen der nietzscheanischen Unmoral. Sogar der radikale Perspektivismus Nietzsches spielt in den Debatten über Wahrheit und Postfaktizität keine herausragende Rolle mehr.

Wenn das Werk Nietzsches heute wieder Pflichtlektüre ist, dann aufgrund seiner Gedanken zur Wirtschaftsphilosophie und zur politischen Anthropologie. Der stetig wachsende Schuldenberg mit seinen verheerenden Auswirkungen auf Staatshaushalte als auch die Kaufkraft Einzelner brachte einige Soziologen und Wirtschaftswissenschaftler dazu, aus Nietzsches Theorie zum Begriffspaar "Schuld/Schulden" der zweiten Abhandlung seines Werke Zur Genealogie der Moral eine neue Perspektive auf die Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner zu entwickeln. Jüngst erlangten auch die von Nietzsche in der dritten, dem "asketischen Ideal" gewidmeten Abhandlung beschriebenen asketischen Praktiken (nach dem Vorbild monastischer Regeln des Mittelalters) im Werk von Agamben und Sloterdijk neue Relevanz.

Nuno Nabais wurde 1957 geboren. Er ist Professor für Philosophie an der Universidade de Lisboa, wo er zeitgenössische Philosophie, Anthropologie und performative Künste unterrichtet. Im Promotionsstudiengang Philosophie der Wissenschaften, Technik, Kunst und Gesellschaft unterrichtet er die Fächer Epistemologie und Technikphilosophie. Für sein 1997 veröffentlichtes Werk Metafísica do Trágico. Estudos sobre Nietzsche (Relógio d'Água) wurde er mit dem Essay-Preis des PEN-Clubs ausgezeichnet. Das Buch wurde 2006 vom Verlag Continuum Books (New York/London) ins Englische übersetzt. Seit 2017 ist es Teil der Nietzsche-Bibliografie in der Stanford Encyclopedia of Philosophy. 2007 gründete er im ehemaligen Verwaltungsgebäude einer Rüstungsfabrik in Lissabon das Kulturzentrum Fábrica do Braço de Prata mit einer Buchhandlung, verschiedenen Konzertsälen, Kunstgalerien und einem Restaurant.

Filipa Melo ist Schriftstellerin, Literaturkritikerin und Journalistin. Ihr Roman Este É o Meu Corpo (2001) wurde in sieben Sprachen übersetzt. Weitere Werke sind die Reportage Os Últimos Marinheiros (2015) und das Dicionário Sentimental do Adultério (2017). Seit 20 Jahren arbeitet Filipa Melo für die Presse und das Fernsehen im Bereich Literatur, moderiert Lesezirkel, organisiert Veranstaltungen und gibt Workshops für Kreatives Schreiben. Außerdem leitet sie den Postgraduiertenstudiengang "Schreiben und Fiktion" an der Universidade Lusófona in Lissabon.

 
Die Leituras Cruzadas, moderierte literarische Gespräche in der Bibliothek, geben dem Publikum die Gelegenheit, sich mit einem Gast aus der portugiesischen Kulturszene über seine deutschen Lektüren auszutauschen. Ob Klassiker oder Zeitgenosse, Prosa oder Poesie – die Leituras Cruzadas bieten ein Forum für Literaturgespräche zu aktuellen Themen und interessanten Autoren.

 

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