Claudia Rusch
Kaukasusblog VII: Baku

Zack, über den Kaukasus, zack Koffer in Tbilissi abgeworfen, nicht ganz so zack ein Visum für Aserbaidschan bekommen (immerhin 70 Minuten vor Abfahrt zum Flughafen war es dann doch von Zauberhand da, AHHH) – und dann aber zack zack: BAKU.

Die meisten Deutschen kennen die aserbaidschanische Hauptstadt vom Eurovision Song Contest. Dabei ist das nun wirklich das Langweiligste an der Stadt. (Das Interesse am Grand Prix hab ich persönlich spätestens verloren als man sich vor Jahren für die Aufhebung der Pflicht in der eigenen Landessprache zu singen entschied. Völlig bescheuert! Die Sprachvielfalt war doch grade das Faszinierende an dem Schlagerauflauf. Zumindest für mich als Kind. Wo sonst konnte man im Osten schon mal Portugiesisch, Finnisch oder Ivrit hören?! Zumal nun, statt wie früher korrekt ihre jeweilige Muttersprache, alle ebenso banales wie unverständliches Hilfs-Englisch singen. Die einzig akzeptable Ausnahme davon waren natürlich die so wunderbar schillernden Buranowskije Babuschki). Wie auch immer: 2011 gewann Aserbaidschan den Pott und zwar mit einer klassischen Kitsch-Pop-Arie auf Englisch. Elli und Erkan. Oder so ähnlich. Daraufhin flogen im nächsten Jahr alle nach Baku. Im obligatorischen Fanfummel und mit Riesengeschrei wegen der hiesigen Homophobie. Es kam aber nicht zu Zwischenfällen. Aserbaidschan kämpft sehr um internationale Anerkennung und war deshalb – Schwule hin oder her - ein vorbildlicher Gastgeber. Zumal Gastfreundschaft wirklich eine ureigene aserbaidschanische Tradition ist!

Zu Aserbaidschan kann ich ansonsten hier eigentlich gar nicht viel sagen. Außer: BAKU, ICH KOMME WIEDER! Und das ist ein Versprechen. Denn DAS schaue ich mir noch mal genauer an (Steffi und Stefan sei hier schon mal Dank. Ich nehm Euch beim Wort!).

Dass ich Tbilissi nach 7 Jahren nicht auf Anhieb wiedererkenne ist wesentlich verwunderlicher, als dass mir Jerewan und Baku nach 31 Jahren komplett fremd erscheinen. Erstens sind drei Jahrzehnte ein halbes Menschenleben und zweitens waren es auch nicht irgendwelche Jahrzehnte… Viele Orte, an die ich mich erinnere (oder zu erinnern glaube, wie gesagt, die Katze Erinnerung ist unberechenbar) gibt es heute gar nicht mehr oder sind bis zur Unkenntlichkeit verändert. Das Einzige, worauf z.B. in Armenien meine Synapsen sofort mit Hallo-hier-war-ich-schon-mal-Alarm reagiert haben, war das Felsenkloster Geghard (Anne, Katrin, Danke, Ihr wisst, mein traurigster und schönster Moment, ich leg die Hand auf mein Herz und denk an Euch). Das wiederum ist wahrlich kein Wunder, denn Geghard hat sich seit 1700 Jahren nicht mehr verändert…

Aber nun Baku! Überrascht nehme ich zur Kenntnis, dass mir von der Reise mit Oma damals Baku am stärksten in Erinnerung geblieben ist. Und dass obwohl Baku sich von all den drei Hauptstädten seit 1985 am Signifikantesten verändert hat. Vergleiche Baku 1985 Baku 2016.

Vermutlich hat es damit zu tun, dass Aserbaidschan das mit Abstand exotischste Land war, dass ich vor 1989 gesehen habe. Nicht viele, aber doch einige klare Bilder haben sich mir von diesem Besuch eingeprägt. Eingebrannt gleichsam. Jedenfalls die Bohrtürme auf dem Kaspischen Meer. Ich würde sogar sagen, wir haben damals einen besichtigt, aber es ist im Bereich des Möglichen dass sich hier Szenen von Breaking the Waves (1996) mit der Zeit als eigene Erinnerungen ausgeben… Ich weiß es nicht. Meine Großmutter, die es vielleicht genau sagen könnte, kann ich nicht mehr fragen.

Ich erinnere mich an einen lebhaften, bunten Basar mit Früchten, die ich nie gesehen hatte und deren Namen ich nicht kannte, an Stände mit an den Füßen zusammengebundenen lebenden Hühner, Frauen mit Kopftuch, streunende Katzen, an den Besuch einer Moschee, nur Oma und ich allein, abseits der Reisegruppe, an die Fußgängerzone, an die Promenade am Meer, an die Wärme, die Sonne, das Licht und an wahnsinnig freundliche, offene Menschen mit wunderschönen großen, dunklen Augen. Und tatsächlich kann man all das, so viel wenigstens hab ich bei meiner mehr Durchreise als Reise doch mitbekommen, auch heute noch finden.

Wie gesagt: ich komm wieder!

P.S. Zur politischen Situation in Aserbaidschan kann ich mich nicht äußern. Dazu weiß ich viel zu wenig (außerdem – siehe Kaukasus Blog I). Was sich aber auch von außen leicht erkennen lässt, ist dass Baku ein Fassadistan ist (das Copyright auf diesen treffenden Begriff hält der kluge Stefan Johann Schatz, der Aserbaidschan, im Gegensatz zu mir, sehr gut kennt – und übrigens sogar Georgisch spricht!). Bakus wirklich elegante, neugebaute Wohnhäuser fallen sofort wohlwollend ins Auge – aber auch der Umstand, dass die allermeisten von ihnen unbewohnt sind. Das ist durchaus ein Zeichen: Baku demonstriert optisch einen Wohlstand, an dem die Bevölkerung keinen Anteil hat. Dazu muss man nicht mal hinter die Fassaden schauen, es reicht auch nur einen Meter von den äußerst gepflegten Wegen der schönen Fußgängerzone abzuweichen. Mit dem richtigen aserbaidschanischen Leben haben die Prunkpaläste der Alijews nichts zu tun.