© Eugene Fotohudinow
Das Goethe-Institut Nowosibirsk, das Kunstzentrum ZK19 und Kurator*innen des Festivals „48 Stunden Neukölln“ präsentieren
die zweite Ausgabe des Festivals für zeitgenössische Kunst „48 Stunden Nowosibirsk“.
Vom 17. bis zum 19. September 2021 erwartet die Bewohner*innen von Nowosibirsk und Gäste der Stadt ein reichhaltiges Programm, bestehend aus Kurator*innenprojekten in unterschiedlichsten Formaten: ortsgebundene Performances, Interventionen und Installationen im öffentlichen Raum, Ausstellungen in von Künstler*innen selbst organisierten und verwalteten Räumen, Musikveranstaltungen, Diskussionen, Künstler*innengespräche, eine Konferenz für Initiativen in der zeitgenössischen Kunst, Gastprojekte und natürlich Präsentationen von Werken sibirischer Künstler*innen als Ergebnis eines Open Calls. Zur Teilnahme an diesem umfangreichen Festivalprogramm sind Künstler*innen, Kurator*innen, Forscher*innen, Musiker*innen und Performer*innen aus Russland, Deutschland und Usbekistan eingeladen.
Programm des Festivals
Als Anhaltspunkt des Festivals dient dieses Jahr
das Thema „Survival bias“, das ein breites Spektrum von Interpretationsmöglichkeiten für die Festivalsteilnehmer*innen bietet: vom Reflektieren über existenzielle Fragen bis zu Mechanismen der Selektion und des Ausschlusses, vom Umgang mit globalen Krisen und gesellschaftlichen Prozessen bis zu lokalen Überlebensstrategien der künstlerischen Szene.
Das Festivalprogramm vereinigt Projekte, die sich konzeptionell mit dem Festivalthema auseinandersetzen.
Die Ausstellung „Das, was noch nicht passiert ist“ wird in den Räumlichkeiten
des Kunstzentrums ZK19 eröffnet. Die Kurator*innen der Ausstellung –
„Das Mikroterritorium – Die Stadt Ustinow (Ischewsk)“ experimentieren mit einem „Museum mit Lieferung “. An den Festivaltagen ermöglicht es den Stadtbewohner*innen während der Ausstellungszeit, „Mikromuseen“ miteinander auszutauschen und somit zu Hüter*innen von Kunstwerken russischer Künstler*innen zu werden, um auf diese Weise eventuell eigene Antworten auf die Fragen bezüglich der Existenz von Kunst und deren Bedeutung außerhalb von Museen zu finden.
Da zu den wichtigsten Zielen des Festivals „48 Stunden Nowosibirsk“ zählt, die Positionen der zeitgenössischen Kunstszene in Sibirien zu stärken, wird in diesem Jahr ein besonderer Schwerpunkt des Hauptprogramms auf die Zusammenarbeit mit den von Künstler*innen selbst organisierten und verwalteten Kunstgruppen und unabhängigen Plattformen gelegt. So wird
das Projekt „Ich weiß nicht“ der Künstler*innengruppe „Dirty Women“ über die Illusion der Entscheidungsfindung in
dem Theaterwerkstatt Kriklivij und Pankow (lab4dram) realisiert;
der neue Kunstraum esc. bietet Unterschlupf für die Mitglieder
der Künstlergruppe presidiomodelo (Denis Frank, Wladimir Botscharow und Jewgenij Lemeschonok), wo sie zusammen mit
Polina Kardymon und
Jewgenij Gawrilow eine „Light-Apokalypse” überleben werden;
der Gründer der Galerie und Werkstatt „POST“ Andrej Kusnezow und
die Kuratorin Natalja Chabarowa reflektieren über die Abwanderung von Akteur*innen der Nowosibirsker Kunstszene und präsentieren
„Die fünf Routen“ von ausgewanderten Künstlerinnen. Und die Organisatorinnen
der Druckerei fab.8 laden
die Kuratorin Waleria Nowitzkaja (Tomsk) ein, um
das Projekt „Die Insel“ zu veranstalten – das Publikum sieht die Ergebnisse des Kunstlabors, das die Geschichte des Gebäudes Nummer 8 in der Fabritschnaja-Straße erforschte.
Durch die neue Ausgabe des Festivals „48 Stunden Nowosibirsk“ wird die Präsenz der Kunst im öffentlichen Raum ausgeweitet.
Anja Ljalina und Maxim Ameltschenko aus
dem Künstlerteam beznazvaniia (Meschduretschensk/Tula) gestalten zusammen mit sibirischen Künstler*innen temporäre Installationen auf Blumenbeeten, in Parks, Höfen und verwahrlosten Gebäuden. Mit der Überlebensstrategie und dem Dialog performativer Kunst mit ihrer konservativen Umgebung beschäftigt sich
die Theaterkuratorin und Produzentin Julia Tschurilowa. Während des Festivals werden sich
Dmitri Gomsjakow und Olga Reich (Tomsk) durch das Zentrum von Nowosibirsk in einem Ballon fortbewegen,
Polina Kardymon wird vor Publikum mit ihrem toten Vater sprechen und
Sergej Samojlenko stellt eine audiopoetische Intervention auf dem Zentralmarkt dar. Auf großen Bildschirmen im Freien können Nowosibirsker Stadtbewohner*innen die Videostream-Performance
„Lebendige Schaufenster“ des Berliner temporälen
Kollektivs Jonajavo (Yaskar aka Zazou, Kiki und Ramos Servik, Josephine Nahrstedt) und
das Projekt „Zoom“ des Kollektivs Reflektor Neukölln verfolgen. Eine kulturelle Brücke von Neukölln nach Nowosibirsk bauen mit ihrem Projekt
Parachute(s) Tandem die Künstlerinnen
Kathrin Hammelstein, Wiebke Heiber, Lea Sophie Meier, Carolin Pflüger und Nadine Thoden (Berlin) in Zusammenarbeit mit
Oksana Budulak (Krasnojarsk), indem sie mithilfe von QR-Codes auf Fallschirmen Kunst für alle Interessierten an verschiedenen Standpunkten zugänglich machen werden.
Wie die Berliner Künstler*innen werden auch die eingeladenen Nowosibirsker Teilnehmer*innen digitale Plattformen und physische Veranstaltungsorte für ihre Projekte vereinigen. So entsteht eine von
Erog Saizwe und Philipp Krikunow initiierte Ausstellung im Hotel Zentralnaja sowie ein ZOOM-Symposium und eine Abstimmung über die Telegram-App, um herauszufinden, ob die Gründung von Nowosibirsk nicht doch zu ihrer Zeit ein Fehler war.
Nach dem Abschluss eines Open Calls, der im Juni 2021 unter der Leitung
der Kuratorin Anna Galeewa stattfand, wurden die Gruppenausstellungen von sibirischen Künstler*innen konzipiert. Die Projekte, die in das Festivalprogramm unter dem Gesamttitel
„Die freie Form“ eingegangen sind, sind
im Kunstraum „Art-El“, auf der Kunstplattform „Dom da Vinci“, in der Galerie „100 Quadrate“, in den Kunsträumen „Grunge & Cubic“ des Loftviertels in der Fabritschnaja-Straße,
in der Kunstwerkstatt von Anna Galejewa und Alexander Filippow, in den Höfen
der Bars Woody und The Rooks sowie
in der Bar „Memories“ zu besichtigen.
2021 wird das Festivalprogramm von einer Vielzahl ganz spezieller Projekte bereichert. Im Kunstzentrum ZK19 werden Gastausstellungen von den Partnerfestivals
„48 Stunden Neukölln“ (Kurator*innen:
Thorsten Schlengel und Nora Zender) und
„48 Stunden Taschkent“ (Kuratorin:
Schachnosa Karimbabaewa) gezeigt. Es eröffnen weitere Ausstellungen, die vom Goethe-Institut Nowosibirsk während des Festivals der deutschen Kultur und der deutschen Sprache in Wladiwostok im Rahmen des Deutschlandjahres in Russland 2020/2021 initiiert wurden: Die Exponate von Teilnehmer*innen
des Ausstellungsprojektes „Trepang-Syndrom“ des Kurators Alexander Nikolski (Kemerowo) werden im öffentlichen Raum neu umgesetzt, indem sie auf Bannerstoffen zwischen modifizierten Baugerüsten platziert werden und
die Literaturausstellung „Künstler*innenbücher als Praktik der Selbstorganisation“ präsentiert neben Büchern des Berliner Unternehmens Motto Books als lokale Erweiterung eine Sammlung von Werken des Genres Künstler*innenbuch von Nowosibirsker Künstler*innen. Zudem ist eine Re-Erfindung
der Ausstellung „Ochumelaya Vystavka – The Fine Hands Show“ des Kurators Thibaut de Ruyter (Berlin) extra für den öffentlichen Raum angekündigt. Die Ausstellung wurde zu einem Hauptprojekt der 14. Krasnojarsker Museumsbiennale, die im Juni 2021 im Museumszentrum Ploschad Mira (Krasnojarsk) veranstaltet wurde.
An den Festivaltagen lädt die Bar Jonathan zum
musikalischen Programm „Ephemera live“ in ihren Innenhof ein. Organisiert und zusammengestellt von
der Formation DEVOTED als Live-Auftritt – von experimenteller elektronischer Musik bis zur freien Improvisation – vereinigt die Musikveranstaltung Künstler*innen aus Sibirien und Sankt Petersburg.
Über den begrenzten Festivalzeitraum hinaus dauert das Programm der begleitenden Veranstaltungen. Als Ergebnis einer künstlerischen Forschung im Rahmen
des „Sommerlabors für Mutationen“, gefördert von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, entsteht eine Ausstellung, in der dem Publikum Videoinstallationen von der Expedition
der Künstler*innengruppe „Tschto delatj“/„Was ist zu tun“ (Sankt Petersburg) und sibirischer Künstler*innen im Juli 2021 nach Krasnoobsk vorgestellt werden. Am 20. und 21. September findet außerdem
eine Mini-Konferenz von Initiativen im Bereich zeitgenössischer Kunst
„Nachhaltige Anwesenheit. (Nicht)Nachhaltige Entwicklung“ im Theatersaal
der Gebietsbibliothek statt. Die Konferenz richtet sich an Fachpublikum und wird vom Museum für zeitgenössische Kunst Garage unterstützt.
Um einen Überblick über so eine reichhaltige Palette an Events zu erhalten, wird eine Reihe von öffentlichen Onlinediskussionen und Künstler*innengesprächen veranstaltet, die einige Wochen vor dem Festival-Wochenende beginnt. Darin werden dem Publikum die Kurator*innen und Projektteilnehmer*innen vorgestellt.
Das Festival wird mit Mitteln der Östlichen Partnerschaft realisiert, einem Programm des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland, das der Förderung zivilgesellschaftlicher Beziehungen zwischen Deutschland und osteuropäischen Ländern dient.
Zurück