Matthias Jügler
Nach Fergana

Nach Fergana
© Matthias Jügler

Nebeltag. 13:15 Uhr. Fahrt von Taschkent nach Fergana. Dass ich in einem Diplomatenfahrzeug sitze, ist Zufall und Glück. Acht Inlandsgrenzen erzählt die Fahrerin, gilt es zu überwinden. Man werde uns durchlassen, dem grünen Kennzeichen sei dank. Taschkenter Umland: Felder, Kanäle, schlammiges Wasser, ein paar Angler, daneben Rohre, die aus den Fabriken kommen, die Abwasser bringen, Schwermetalle, anderes. Ob die Angler wissen, was sie da essten, mein erster Gedanke. Der zweite: Lieber Gift auf dem Teller als gar nichts. Auf den Feldern ringsum, auf der Straße sogar, sodass wir einen kleinen Slalom um die Herde einlegen: überall Hirten; sitzen, schauen, rufen, kein Tier verlieren.

Später Bergdörfer. Familien stehen an den Straßen, hier die Jungs, weiter hinten die Mütter, Tulpen in den Händen, gelb und rot. Hey Mister! rufen sie, denn wir fahren langsam, der Schlaglöcher wegen, die Fenster heruntergekurbelt. Aber wir halten nicht.

Dichter Nebel auf 2000 Metern Höhe. Miliz überall, fotografieren verboten. Irgendwo, seit Minuten kein Haus, kein Mensch zu sehen, irgendwo steht ein Tisch am Straßenrand, daneben ein Stuhl. Ein Polizist sitzt gelangweilt, mit seinem Handy spielend, ein großes Buch vor sich, ein Stift, Stempel. Immer wieder das gleiche Bild.

Meine Fahrerin, eine Deutsche, sagt: Dieser Bergpass sei die einzige Verbindung in das Fergana-Tal. Sprenge hier jemand einen Tunnel, seien Hunderttausende isoliert. Deshalb die Kontrollen, deshalb das, was man Generalverdacht nennen könnte. Jeder könnte der Feind sein. Aber eben auch dies: Machen sie einen Aufstand dort drüben, im Tal, gehen sie auf die Barrikaden, wegen der Zwangsarbeit auf den Baumwollfeldern zum Beispiel, weil das Geld, das sie verdienen so lächerlich wenig ist, dass Bestechung nicht zur Bereicherung dient, sondern zum Überleben – passiert das, dann sei es gut, dass dieser Bergpass die einzige Verbindung ist. Dann machen sie zu, die Leute in der Falle, aushungern lassen. Kein Witz. Einen Panzer sehen wir, Soldaten mit Maschinengewehren in den Händen. Alle zwanzig Minuten das gleiche Bild. Die Gesichter über den Läufen der Gewehre sind schön und jung. Manche zwanzig, manche vielleicht jünger. Später in Fergana Sonne.