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Paula Gerhardus: Künstlerporträt Joseph Beuys
100 Jahre Joseph Beuys

Joseph Beuys (Ausschnitt)
© Lothar Wolleh Estate, Berlin

Der Künstler und Bildhauer Joseph Beuys hätte dieses Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert. Den Großteil seines Lebens verbrachte er in Düsseldorf, einer Stadt, die ihm mit Bewunderung ebenso wie mit Unverständnis gegenübertrat. Als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts polarisierte er stets mit seinen Werken und politischen Ansichten.

Von Paula Gerhardus

Kindheit und Jugend am Niederrhein

Kurz nach Joseph Beuys Geburt 1921 in Krefeld zog seine Familie nach Kleve, wo er die Grundschule und später das Gymnasium besuchte. Bereits während seiner Schulzeit zeigte sich sein zeichnerisches Talent. Der Kontakt zu anderen Künstlern und ihren Arbeiten bestärkten den Jugendlichen in seinem Wunsch Bildhauer zu werden und legten somit den Grundstein für seine spätere Karriere.
 
Mythos um Fett und Filz

Nach dem Schulabschluss meldete sich Beuys 1941 freiwillig zur Luftwaffe. Zwei Jahre später entstand ein Mythos, der den Künstler noch heute umgibt. Nach eigenen Aussagen wurde sein Kampfflieger über der ukrainischen Krim abgeschossen, er musste anschließend mehrere Tage von Tataren gepflegt und mit Filz und Fett gewärmt werden. Angeblich führte dies zu seinen späteren Arbeiten mit den beiden Materialien. Die Dramatik der Situation stellte sich später allerdings als ausgeschmückte Fantasie heraus. Zum einen konnten Historiker nachweisen, dass die Tataren, die den jungen Mann angeblich umsorgt haben sollen, zu besagtem Zeitpunkt nicht mehr dort ansässig waren. Zum anderen stimmten auch die zeitlichen Angaben seiner Version nicht ganz mit der Realität überein. Trotz der erfundenen Details konnte Beuys seine Bewunderer jahrelang von seiner Geschichte überzeugen.
 
Künstler und Kunstfigur

Auf seine Zeit im Krieg folgte der Beginn seiner akademischen Laufbahn als Künstler. 1946 schrieb er sich an der Kunstakademie Düsseldorf für Monumental-Bildhauerei ein und legte damit den Grundstein für seine spätere Professur. Zeitgleich bezog er ein Haus am Drakeplatz in Düsseldorf, wo er sich ein Atelier einrichtete. Dort lebte Beuys bis zu seinem Tod 1986 und schuf einige seiner bekanntesten Werke. Seine extravagante Kunst sorgte oftmals für Aufsehen, zeitweise sogar für Missverständnisse. So geschah es 1973 auf einer Feier, dass ein vorzeitig ausgestelltes Werk des Künstlers durch Unwissenheit verunstaltet wurde. Beuys hatte eine vermeintlich verschmutzte Badewanne als Teil einer Ausstellung angefertigt, die in die Finger von zwei Damen geriet. Beide waren der Ansicht, nach einer gründlichen Putzaktion könne man diese gut zum Gläserspülen verwenden. Dass das Duo ein Kunstwerk von hohem Wert zerstörte, ahnte es nicht. Auch vielen anderen erschloss sich Beuys Denken und sein Schaffen nicht immer.

Er sah der Kunst keine Grenzen gesetzt und verknüpfte sie auch immer mit seiner eigenen Philosophie des Lebens. Sein Credo „Jeder Mensch ist ein Künstler“ zeigt das ganz deutlich. Seiner Ansicht nach sollte jeder Mensch sein volles kreatives Potenzial ausschöpfen. Damit zusammenhängend entwickelte sich auch der sogenannte „erweiterte Kunstbegriff“ und die „soziale Plastik“. Nicht nur Beuys Arbeit, sondern auch er selbst als Person kann als Kunstfigur verstanden werden. So war er fast nie ohne seinen typischen Filzhut anzutreffen und setzte diesen auch nicht aus Höflichkeitsgründen ab. Hinzu kam die bezeichnende Anglerweste, die ebenfalls zu seinem Erkennungsmerkmal wurden.

Beuys politisches Engagement

Während seiner Zeit als Professor, begann Beuys sich zunehmend politisch zu engagieren. Seine Vorstellung einer direkten Demokratie und der Wahlverweigerung zeigten sich zunächst 1967 in der Gründung der „Deutschen Studentenpartei“ (später „Organisation der Nichtwähler“ und „Freie Volksabstimmung“). Zwei Jahre später versuchte er allen Bewerber*innen, die zuvor von der Kunstakademie abgelehnt wurden, den Besuch seiner Klasse zu ermöglichen und besetzte dafür aus Protest das Sekretariat. Infolgedessen wurde Beuys fristlos gekündigt. Nachdem er 1980 als ein Gründungsmitglied der Grünen fungiert hatte, wandte er sich in den folgenden Jahren zunehmend von der Partei ab. Beide Seiten konnten sich nicht mehr mit den Vorstellungen und Zielen des anderen identifizieren.
 
Spuren im heutigen Düsseldorf


Auch heute noch sind Beuys Spuren in Düsseldorf sichtbar. Neben der Kunstakademie, in der heute über den Künstler und dessen Werke gelehrt wird, findet sich sein Name auch an anderen Stellen. So wurde beispielsweise ein Teil der Rheinpromenade 1998 in das „Joseph-Beuys-Ufer“ umbenannt, um an sein Leben in der Stadt zu erinnern. Auch sein Wohnhaus und Atelier in Oberkassel können Interessierte, zumindest von außen, noch immer betrachten. Im Jahr 2000 wurde ebenfalls die Gesamtschule in der Siegburger Straße nach ihm benannt und zeigt seitdem den berühmten Filzhut des Künstlers auf ihrem Logo.
 
Joseph Beuys künstlerisches Wirken hat bis heute Einfluss auf unser Leben, er stellte viele Fragen, die uns gegenwärtig noch immer beschäftigen: Ist jeder Mensch ein Künstler? Sind Bäume intelligenter als Menschen? Ist Plastik ein Synonym für das Menschliche? Sind wir die Revolution? Leben wir in einer Scheindemokratie? Sind die Tage des Kapitalismus gezählt? 100 Jahre nach der Geburt von Joseph Beuys stellt das Land Nordrhein-Westfalen die seiner Kunst und seinem Denken zugrundeliegenden Fragen neu: Im Rahmen des Jubiläumsprogramms Beuys 2021. 100 Jahre Joseph Beuys beschäftigen sich eine Vielzahl von Ausstellungen, Aktionen und Performances, Theater-, Musik- und Lehrveranstaltungen mit den faszinierenden wie umstrittenen Ideen von Beuys, eines der weltweit einflussreichsten bildenden Künstler des 20. Jahrhunderts. Wer daran interessiert ist, schaut einfach mal auf die Homepage: www.beuys2021.de
 
 
LITERATURVERZEICHNIS
 
ARD Mediathek, (10.05.2021), “100 Jahre Joseph Beuys – Warum er heute noch wichtig ist“, Realisation: Yasemin Ergin, Sophia Münder-Führing, NDR, zuletzt abgerufen am 20.06.2021, 
 
Bayerischer Rundfunk, zuletzt abgerufen am: 20.06.2021,
https://www.br.de/radio/bayern2/jeder-mensch-ist-ein-kuenstler-verstehen-sie-beuys-100.html
 

Beuys 2021, zuletzt abgerufen am: 20.06.2021,
https://beuys2021.de/index.php/de/joseph-beuys
 
Imdahl, Georg (16.07.2013): Umstrittene Biografie über Joseph Beuys, In: Süddeutsche Zeitung, zuletzt abgerufen am: 20.06.2021.
 
Kock, Felicitas (31.08.2012): Zerstörte Kunstwerke - Von Fettecken und Badewannen, In: Süddeutsche Zeitung, zuletzt abgerufen am: 20.06.2021,
https://www.sueddeutsche.de/kultur/unabsichtlich-zerstoerte-kunstwerke-mit-dem-ellbogen-durch-den-picasso-1.1448652-2
 
Köster, Thomas (12.05.2021): Zum 100. Geburtstag: Sechs verblüffende Fakten über Joseph Beuys, zuletzt abgerufen am 20.06.2021,
https://www1.wdr.de/nachrichten/joseph-beuys-fakten-100.html
 
Lutteroth, Johanna (09.12.2011): Skandal um Beuys-Badewanne – Gescheuerte Kunst, In: Der Spiegel, zuletzt abgerufen am: 20.06.2021,
https://www.spiegel.de/geschichte/skandal-um-beuys-badewanne-a-947414.html
 
Müller, Bertram (23.01.2016): Was bleibt von Joseph Beuys?, In: Rheinische Post, zuletzt abgerufen am: 20.06.2021,
https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/kultur/was-bleibt-von-joseph-beuys_aid-21258987
 
Müller, Felix (18.08.2011): Wie Joseph Beuys seine Rettung mit Fett erfand, In: Die Welt
https://www.welt.de/kultur/kino/article13549441/Wie-Joseph-Beuys-seine-Rettung-mit-Fett-erfand.html
 
Schönhoff, Dietmar (2018): Mit Beuys durch Düsseldorf, Droste Verlag
 
Stadt Düsseldorf, zuletzt abgerufen am: 20.06.2021,
https://www.duesseldorf-tourismus.de/erleben/kunst-und-kultur/beuys
 

Sünner, Rüdiger (2021): Der Künstler als „Schamane“: Spirituelle Dimensionen bei Joseph Beuys, In: Schamanen Sibiriens und ihr Vermächtnis, herausgegeben von Erich Kasten, S. 259-276, Fürstenberg/Havel: Kulturstiftung Sibirien

SWR2 Forum, Podcastfolge: Künstler, Schamane, Revolutionär – wer war Joseph Beuys?, zuletzt abgerufen am: 20.06.2021,

Ursprung, Philip (07.05.2021): Joseph Beuys und die Grünen, In: Heinrich Böll Stiftung, zuletzt abgerufen am: 20.06.2021,
https://www.boell.de/de/2021/05/07/joseph-beuys-und-die-gruenen
 
100 Jahre Joseph Beuys, In: Heinrich Böll Stiftung, zuletzt abgerufen am: 20.06.2021,
https://www.boell.de/de/100-jahre-joseph-beuys

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