Seminar
Leseförderung mit Xenia Bühler

Am 11. und 12. Juli hielt Xenia Bühler, Theaterpädagogin, im Goethe-Institut einen zweitägigen Workshop ab, an dem zwölf Teilnehmer unterschiedlichen Alters und Berufes teilnahmen. Mit Xenia stellte sich uns eine lebhafte, passionierte Frau mit einem ansteckenden Lachen vor.
In den zwei Tagen arbeitete sie mit uns an Hand des Kinderbuches "Je suis plus fort que toi" an verschiedenen Übungen, mit denen wir lernen sollten, unsere schauspielerischen Fähigkeiten in die Praxis umzusetzen. Außerdem zeigte sie uns verschiedene Gruppenspiele, die Einfallsreichtum als auch Konzentration erforderten.
Auf Basis des Kinderbuches begannen wir nun zu arbeiten und adaptierten verschiedene Szenen der Geschichte in unsere Theaterarbeit. Das Ergebnis unserer kreativen Verflechtung war zum einen ein Clapping-Chor, in den jeder Teilnehmer eine eigene originelle Klatsch-Bewegung integriert hatte. Der Chor erforderte viel Rhythmusgefühl und Koordination mit der Gruppe, was anfangs eine große Herausforderung darstellte.
Für eine andere ihrer vielen Übungen hatte Xenia einen blauen Seidenschal mitgebracht. Sie trug uns auf, damit etwas pantomimisch darstellen, wobei der Schal unser einziges Utensil sein durfte. Er konnte sich ins unseren Händen in alles verwandeln – nur nicht in einen Schal. Nach anfänglicher kreativer Ebbe, begann unsere Vorstellungskraft zu blühen und er erwachte in unseren Händen zu einer Gitarre, einem Kamm, einer Schlange, einem Spiegel oder sogar zu einem Bett.
Eine andere interessante Übung, genannt "Führen und geführt werden" erforderte vor allem eines: Vertrauen. Nachdem wir uns in Pärchen zusammen gefunden hatten, stellte sich einer hinter den anderen und legte ihm beide Hände auf die Schultern. Sodann begann er ihn durch den Raum zu führen. Jener, der geführt wurde, musste beide Augen fest geschlossen halten und sich nur von den Händen seines Partners leiten lassen. Man merkte schnell, dass es große Überwindung abverlangte, seinem führenden Partner blind zu vertrauen. Anschließend wurden die Rollen getauscht und der Führer wurde zum Geführten. Nachdem jeder Partner beide Rollen ausprobiert hatte, trommelte Xenia uns zu einer kurzen Resümee-Runde zusammen, in der wir das Erlebte austauschen konnten. Es stellte sich heraus, dass viele Teilnehmer es als schwieriger empfunden hatten, den anderen zu führen, als selbst geführt zu werden – sie fühlten sich verantwortlich für den anderen und wollten ihr Bestes tun, um sein Vertrauen nicht zu enttäuschen.
Eine weitere Übung hieß "Bildhauer und Statue": Dazu fanden wir uns wiederum zu Paaren zusammen. Einer übernahm sodann die Rolle des Bildhauers und durfte seinen Partner wie eine Skulptur "formen", indem er dessen Arme, Beine, Schulter und Kopf in eine bestimmte Position bewegte, in der der sie anschließend bleiben sollten. Xenia gab uns die Vorgaben für unsere Skulptur: Zuerst sollte der Bildhauer die Skulptur eines sehr eingebildeten Menschen modellieren, danach die eines besonderes traurigen Menschen. Dieser Angabe entsprechend formten wir unsere Statuen und heraus kamen zum einen Figuren mit erhobenen Fäusten, gerecktem Kinn und in die Hüfte gestemmten Händen, zum anderen Figuren mit gekrümmten Rücken, gesenkten Köpfen und vor der Brust verschränkten Armen.
Zusammenfassend war Xenia Bühlers Workshop spannend, vielfältig und lehrreich. Sie zeigte uns, dass es für ein Theaterstück nicht viel braucht; es genügt oft nur ein kleiner Samen (beispielsweise in Form eines Kinderbuches oder Schals), um die Fantasie anzuregen. Man benötigt keine große Bühne, schweren Vorhänge oder Scheinwerfer. Wir lernten, dass das Wichtigste für ein Theaterstück vor allem die Schauspieler, das Publikum und die Lust der Akteure zur sozialen Interaktion sind.
Xenia vermittelte uns außerdem, wie wichtig Gruppenarbeit ist. Ihr Leitsatz "Die Gruppe ist intelligenter als das Individuum" begleitete uns den gesamten Workshop lang und bewies sich immer wieder aufs Neue – vor allem wenn es darum ging, Szenen aus dem Kinderbuch kreativ in die Praxis umzusetzen; wenn dem Einzelnen die Ideen ausgingen, war es die Gruppe, die anregenden Input gab oder Details verfeinerte.
Insgesamt erforderten Xenias Übungen und Spiele viel Koordination, Konzentration und Achtsamkeit. Sie steigerte jede Übung immer ein wenig, sodass sie kniffelig und abwechslungsreich blieb. Für Xenia war aber nicht nur unsere physische, sondern auch unsere mentale Mitarbeit wichtig, daher bestärkte sie uns immer wieder, eigene Ideen für Inszenierungen und Adaptionen des Buches einzubringen.
Am Ende des zweitägigen Workshops hatten die Teilnehmer viel gelernt – davon, in einer Gruppe zu interagieren bis hin zu körperlicher Inszenierung. Immerzu stand das "Miteinander" im Mittelpunkt. Alles in allem bereicherte uns Xenia mit einem originellen und konstruktiven Workshop, bei dem das Lachen nicht zu kurz kam.