Leseförderung
Projekt für Mütter im Senegal

Engagement in der Leseförderung
Foto (Ausschnitt): Angelika Prox-Dampha

Leseförderung bei den Müttern dient dazu, sie erst einmal selbst auf ein höheres Niveau bringen und ihnen ermöglichen Lesen an die weiter zu geben, denen sie das Leben geschenkt haben und um deren Erziehung und Schullaufbahn sie sich kümmern. Für die nächsten 5 Jahre hat das Goethe-Institut Senegal ein ehrgeiziges Projekt im Bereich Leseförderung geplant. Ziel ist, dass die Mütter ihre Kinder bereits in jüngsten Jahren auf den Geschmack bringen können zu lesen.

Am 21., 22. und 23. November 2014 war das Goethe-Institut Dakar Schauplatz angeregter Diskussionen zum Thema Leseförderung im Senegal. Ein Austausch, der zum Ziel hatte, geeignete Strategien zu entwickeln, um „das Lesen in der breiten Bevölkerung nachhaltig zu fördern und zu entwickeln“.

Die Auftaktveranstaltung, die vom Informationszentrum/Bibliothek des Goethe-Instituts Senegal organisiert wurde, hatte zum Ziel, Strategien für nachhaltige Projekte zur Leseförderung von Frauen und Kindern zu erarbeiten. Frauen kommt in ihren vielfältigen Rollen eine fundamentale Rolle in der Entwicklung der Gesellschaft zukommt. Mütter bringen nicht nur die Kinder zur Welt, sondern sind verantwortlich für die Erziehung und begleiten ihre Kinder auf dem Bildungsweg. Der Förderung des Lesens bereits bei den Kleinsten und in deren Muttersprache ist besonders wichtig.

Laut Cheikh Aliou Ndao, einem Sprachwissenschaftler, ist „die Muttersprache unersetzlich“. Bei (Schul-)Kindern soll so der Grundstein zum Lesen als Freizeitbeschäftigung früh gelegt werden, damit später die Lust am Lesen zum weiteren Wissenserwerb anregt.

Situation des Lesens im Senegal

Nach dem Willkommenswort des Institutsleiters, Dr. Michael Jeismann wurde am ersten Vormittag auf den Stand des Lesens in Senegal eingegangen. Ndèye Coumba Fall Diop, der Vertreterin der Direction du Livre et de la Lecture (DLL), ist Senegal mit einem ausgesprochenen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, insbesondere in den öffentlichen Bibliotheken konfrontiert, so dass die meisten dieser Bibliotheken nicht von Fachleuten verwaltet. Außerdem gibt es starke Unterschiede zwischen in den Städten und auf dem Land.. Jedoch „reichen die Mittel für den ländlichen Raum im Vergleich zur Situation in der Stadt, die von der dezentralisierten Kooperation profitieren kann, nicht immer aus“. Mit enem begrenzten Budget kann die Direction du Livre et de la Lecture die für eine gute Lese- und Buchpolitik notwendigen Ausgaben nicht leisten. Dennoch behauptet die Direction du Livre et de la Lecture, ihr politisches Mandat zu erfüllen und zwar durch die Biennale der Buchmesse, den Welttag des Buches und ihre Unterstützung der Privatinitiativen wie die Caravane du Livre der Claire-Afrique-Buchhandlung, die Begegnung auf dem Fluss (Rencontre sur le Fleuve), die  von der Autorin Sokhna Benga organisiert wird, und nicht zuletzt den Hilfsfonds zur Unterstützung von Buchveröffentlichungen.In diesem Zusammenhang erinnert der Bibliothekar des Centre Culturel Blaise Senghor daran, dass Senegal in diesem Bereich führend sei, denn die Grundlagen einer guten Buchpolitik bestehen bereits. Sie wurden durch einen ehrgeizigen administrativen Rahmen für die Entwicklung des Lesens und der Bibliotheken möglich, der zur Schaffung der Behörde Direction du Livre et de la Lecture geführt hat, um die nationale Politik und eine nationale Schule zur Ausbildung der Bibliothekare zu koordinieren. Der Staat hat sich auch bemüht, die Veröffentlichung zu fördern und die Alphabetisierungsrate zu erhöhen. Trotz alledem weist Saka Kane auf Sachverhalte hin, aufgrund derer die Entwicklung des Lesens noch hinter den Erwartungen und Möglichkeiten zurückgeblieben ist.

Dafür gibt es viele Gründe: Mangel an einem ausreichenden Budget für die Bibliotheken, Mangel an Lesegewohnheiten, was sich dadurch erklärt, dass das Buch noch immer als Luxus für die Eliten betrachtet wird. Hinzu kommt, dass die Herausgeber  Mühe haben, ihre Produkte  zu verkaufen, denn der Markt ist klein und ein solides Vertriebsnetz fehlt völlig.

Das Buch und das Lesen im Senegal leiden so unter einem Mangel an Förderung in der breiten Bevölkerung und vor allem bei den bereits alphabetisierten Frauen.

Diese Gedanken zur Situation des Lesens im Senegal haben bei den Seminarteilnehmern viele Reaktionen und Verbesserungsvorschläge zur Überwindung dieser Situation ausgelöst. Die Bürgermeister sowie die betroffenen Ministerien (u.a. das Ministerium für Kultur, Erziehung, Alphabetisierung, aber auch für Gesundheit, Umwelt, ländliche Entwicklung etc.) sind eingeladen, sich an der Aktion zur Leseförderung zu beteiligen.

Massenalphabetisierung

Für eine nachhaltige Förderung des Lesens bei den Kleinkindern ist die Muttersprache von zentraler Bedeutung. Arame Diop Fall von der OSAD (Organisation Sénégalaise d’Appui au Développement) hat sich statt für die bisherige funktionelle Alphabetisierung für eine Massenalphabetisierung ausgesprochen, die den Bedürfnissen der Mütter angepasst ist. Ein Paradebeispiel einer erfolgreichen Alphabetisierung ist die Geschichte von Ramatoulaye Gning, die heute eine Bibliothek in Thieytou (Herkunftsdorf von Cheikh Anta Diop in der Region Diourbel) verwaltet und selbst Gedichte auf Wolof schreibt.

Obwohl im Senegal keine Buchvertriebsstrukturen bestehen, wird immer mehr in den Nationalsprachen produziert und gelesen. Dies führt den Zuständigen für die Publikationen bei der OSAD dazu, Presseveröffentlichungen in den Nationalsprachen zu befürworten. Diese Idee unterstützt der Vertreter des Verlags Papyrus Seydou Ndiaye, der meint, "die Senegalesen lesen und wollen gerne lesen". Die Arbeit an der Veröffentlichung und dem Vertrieb von Büchern in Nationalsprachen wird als ein großer Schritt im Entwicklungsprozess des Landes gesehen.

Das Beispiel der Elfenbeinküste

Zur Inspiration wurde den Teilnehmern Einblick in die zwei interessantesten Konzepte in Sachen Buchförderung gegeben, die in der Elfenbeinküste entwickelt wurden. Patricia Bouazo demonstrierte „Abili“ (was in der Bété-Sprache, einem Dialekt in der Elfenbeinküste, so viel bedeutet wie „lass uns Spaß haben“), ein Kartenspiel, mit dessen Hilfe die Werbefachfrau mit dem Alphabet und den Silben Wörter in allen Altersgruppen und Sprachen lehren will.

Bei „Lectureball“ von David Ngessa Djoko wird versucht, Kindern auf rafinierte Weise an das Lesen zu gewöhnen, indem man „das Spielen mit dem Lesen assoziiert.“ Im Spiel, das in einem Elfmeterschießenwettbewerb besteht, wetteifern zwei Mannschaften darum, für jedes geschossene Tor einen weiteren Absatz aus einer spannenden Geschichte lesen zu dürfen. Die Mannschaft, die das Buch zuerst fertig gelesen hat, darf das Buch behalten.

Die Frau – die Kleinkinder

Das Seminar ging mit Arbeitsgruppenrunden weiter, um Lösungen zur  Förderung des Lesens bei den eingeschulten Kindern, den Frauen und den Kleinkindern zu entwickeln.

Diese Arbeit hat den Liebhabern des Buches und des Lesens ermöglicht zu verstehen, dass „das Lesen anregt, Langeweile vertreibt, Fähigkeiten und Intelligenz fördert und der Fantasie freien Lauf lässt“, wie Antoine Albalaat in seinem Werk L’art d’écrire: enseigné en vingt leçons sagt.

Die Arbeitsgruppe zur Förderung des Buches und des Lesens bei der Mutter und den Kleinkindern emfiehlt: „Die Frau soll erstmal für sich selbst lesen“. Dafür muss man sie sensibilisieren, damit sie anhand passender Bücher Leselust bekommen. Daraufhin empfehlen der Schriftseller Mame Younousse Dieng und Soulyemane Ly der Direction de l’Alphabétisation et des Langues Nationales Werke, deren Inhalte dem Umfeld und den Bedürfnissen der Frauen angepasst werden. Sie sollen durch eigenes Lesen die Neugier der Kinder für das Lesen auslösen.

Eine weitere Erkenntnis des Seminars war, dass bei Letzteren die Lust zu entdecken durch das Berühren, das Handhaben, das Anschauen von Bildern und faszinierenden Farben ausgelöst werden kann. Der Bericht weist darauf hin, dass Kleinkinder lustige Texte wie z.B. Märchen, Fabeln, Rätsel, Abzählverse, Wiegenlieder etc. brauchen. Wichtig ist allerdings, so die Seminaristen, dass eine Fokussierung auf das Lesen „in der Muttersprache des Kindes“ erfolgt, denn das Kind kennt, so die Arbeitsgruppe, schon im Alter von drei Jahren „das ABC seiner Kultur und Sprache“. Daher die Bedeutung, das Projekt „in den einheimischen Sprachen durchzuführen, in denen die Frauen bereits alphabetisiert worden sind“.

Ein spielerischer Umgang mit dem Lesen bei den Kindern in der Schule

Bei den eingeschulten Kindern muss die Leselust mit spielerischen Methoden weiterverfolgt werden, die darin bestehen sollen, zuerst eine Verankerung im Kulturgut zu fördern und dann Weltaufgeschlossenheit zu ermöglichen. Eine stabile Verwurzelung in der eigenen Kultur und Aufgeschlossenheit für andere Kulturen sollen mit „klassischen universellen Büchern, die ihrem Alter und ihrer kulturellen Umgebung angepasst werden“, erreicht werden. Dabei soll die Lust zum Lernen und Entdecken gefördert werden. Diese Überlegungen, zeigen auf, dass es auch notwendig ist, dass „der Sensibilität dieser jungen Leser freier Lauf gelassen wird, um zu vermeiden, dass sie einseitig beinflusst werden“. Dies kann man machen, indem man die literarischen Gattungen variiert (Märchen, Romane, Novellen, Comics, Dokumentationen …) und zwar mit zweisprachigen Büchern unter besonderer Berücksichtigung der Nationalsprachen und einer Presse für Kinder von Kindern.

Eine Veranstaltungsreihe rund um das Buch ist notwendig, will man die Aufmerksamkeit dieser jungen Leserschaft ebenfalls erlangen. Daher der Vorschlag eines spielerischen Verfahrens mit „Rollenverteilungen, Theatervorführung, Vorlesen, Leseführungen“. Hinzu kommt das Stimulieren der Vorstellungswelt durch den Besuch von Parks, Bibliotheken und Buchhandlungen. Aber das Wichtigste bei diesem Prozess der Leseförderung bei den Kindern ist, so die Arbeitsgruppe, der „Einsatz von erzieherischen Spielen“. Ein weiterer wichtiger Aspekt wäre die Verwendung des Digitalbuchs, damit die Kinder sich an die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien gewöhnen können. Der Vorbildrolle von Stars wie  Sängern, Kämpfern, Schauspielern etc. kommt ebenfalls eine bedeutende Rolle zu.

Diese Vorschläge fanden infolge des Berichts zur Förderung des Lesens bei den Kindern in der Schule allerdings keine allgemeine Zustimmung. Zu guter Letzt wurden Beispiele von Künstlern gegeben, die den Kindern tief ins Herz gewachsen sind und der Förderung eines berühmten Autors als Vorbild.

Um all diese Ziele im Hinblick auf die Förderung des Lesens zu erreichen, ist „das Projekt auf einen Zeitraum von  fünf Jahren mit der Möglichkeit einer Verlängerung angelegt“. Die Experten wurden sich darüber einig, das Projekt „überall durchzuführen, wo es ein eingeschultes Kind gibt, wobei dessen unmittelbare Umgebung mitberücksichtigt wird“.

Resümee

Das Seminar endete mit einem hoffnungsvollen Schlusswort seitens der Teilnehmer des durch das Goethe-Institut organisierten Treffen. Sie wünschten sich, dass in Zukunft das Lesen für alle stärker zugänglich werde, im Einzelnen "Zugang zum Buch für alle, Kauf von Büchern für Bibliotheken, die sich als ein typischer Fonds für die Frauen, Kleinkinder und die eingeschulten Kinder verstehen und die Förderung der Buchproduktion für die Zielgruppe" erreicht werden. Die Aktivitäten sollen von Anfang an, halbzeitlich und in der Schlussphase bewertet werden.



Die Empfehlungen und Resultate des Seminars verlas Marguerite Noëlla Thiam im Namen der Teilnehmer, nachdem sie sie an das Mitmachen der ganzen Gesellschaft auf lokaler und nationaler Ebene appelliert hatte. Dieser Appel fand bei Mamadou Mara Gehör. Er lud die Direction de l’Alphabétisation et des Langues Nationales im Namen deren Direktorin dazu ein, das Projekt auf dem gesamten Territorium Senegals zu begleiten und zu unterstützen. "Wir sind überzeugt, dass mit solch einem erfolgversprechenden und zeitgemäßen Projekt die Nachfrage groß sein wird“, sagte er. Bakary Faye, der erste stellvertretende Bürgermeister der Gemeinde von Malicounda (Region Thiès) zeigte seinerseits die Begeisterung, die das Projekt der Förderung des Lesens des Goethe-Instituts in der Region ausgelöst hat. Malicounda stimme vollends mit den festgelegten Kriterien überein und ist durchaus in der Lage, das Projekt sowohl in politischer als auch in ökonomischer Hinsicht durchzuführen, bestätigtet er im Namen des Bürgermeisters und der 48000 Bewohner dieser Gemeinde.

Mit dem Schlusswort hat der Leiter des Goethe Instituts Dakar das Publikum beeindruckt, indem er das Publikum in drei Sprachen, Wolof, Deutsch und Französisch verabschiedete. So demonstrierte Michael Jeismann auf seine Art, wie wichtig es ist, die Nationalsprachen in ihrer Vielfalt anzuerkennen und zu respektieren. Der Institutsleiter bestätigte, dass er alle im Rahmen des Seminars gemachten Empfehlungen zur Kenntnis genommen habe, und dafür Sorge tragen werde, unter Berücksichtigung der Auswahlkriterien bei der Auswahl der Orte und der zu erwerbenden Bücher, den emotionalen, pädagogischen und kulturellen Bedürfnissen der Kleinkinder, der eingeschulten Kinder und der Mütter, gerecht zu werden. Er hat ebenfalls das Engagement seines Instituts unterstrichen, für den Fortbestand dieses Projekt zu sorgen.

Das Treffen wurde mit dem Motto beendet: „QUE LA QUALITE RESTE NOTRE CREDO“ (MÖGE DIE QUALITÄT UNSER KREDO BLEIBEN).