Literaturseminar
Zeitgenössische deutsche Literatur mit Jo Lendle

Vom 11. bis zum 13. Juli 2016 organisierte das Goethe-Institut im Saal Weimar des genannten Instituts ein Seminar unter dem Thema Die deutsche Gegenwartsliteratur. Leiter dieses Seminars war der aktuelle Geschäftsführer des Carl Hanser Verlags Johannes Lendle. Johannes Lendle, besser gekannt unter dem Namen Jo Lendle, ist zugleich Schriftsteller; er ist Autor mehrerer Bücher wie zum Beispiel: Die Kosmonautin (2008) und Was wir Liebe nennen (2013).
Nach der Einführung des Direktors des Goethe-Instituts, Prof. Dr. Michael Jeismann und Bouya Fall, Leiterin der Bibliothek, die die Seminarteilnehmer willkommen hießen, konnte das Seminar anfangen.
Rund um den Tisch saßen u.a.: Prof. Dr. Amadou Oury Bâ, Leiter der Abteilung für Germanistische Sprach- und Kulturwissenschaft der Universität Cheikh Anta Diop Dakar, der Stellvertreter des Dekans der Fakultät für Geisteswissenschaften war, Jo Lendle selbst und Prof. Dr. Daha Chérif Bâ, Direktor des Hochschulwesens, der stellvertretend für den Minister für Hochschulwesen und Forschung war und der das Seminar offiziell für eröffnet erklärte.
Anwesend am ersten Tag des Seminars waren Professoren der Abteilung für Germanistische Sprach- und Kulturwissenschaft der UCAD, Masterstudierende und eine Doktorandin der genannten Abteilung aber auch ein Professor aus der Universität Gaston Berger Saint-Louis (UGB). Nachdem er sich kurz vorgestellt hat, gab Jo Lendle den Teilnehmern das Wort und letztere haben sich der Reihe nach vorgestellt.
Als Lendle das Wort wieder ergriff, fügte er Ergänzungen hinzu und kündigte die Themen an, die im Laufe dieses Seminars angeschnitten werden. Das erste Problem bezog sich auf die Frage, ob es die Verleger selbst sind, die entscheiden, ob dieses oder jenes Werk als Gegenwartsliteratur klassifiziert wird oder nicht. Diese Frage beantwortete er selbst, indem er sagte, dass mehrere Institutionen in der Tat darüber entscheiden. In der Literaturgeschichte hat jede Epoche ihre Themen und Formen. Er sagte noch dazu, dass man eben von Gegenwartsliteratur spricht, weil der Autor in den Formen und der Sprache von heute schreibt. In der Folge betonte Lendle, dass es ein Machtverhältnis zwischen Autoren, Verlegern und Lesern gibt und fügte hinzu, die Rolle des Verlagshauses besteht nicht darin, einem gewissen Autor vorzuschreiben, über dieses oder jenes Thema zu schreiben. Lendles Meinung nach besteht die Rolle des Verlegers darin, das Buch zu verlegen, das den Lesern interessiert und dass er alles was in seiner Macht steht, in die Tat umsetzt, um die Neugier des Lesers zu erregen, damit das Buch sich gut verkauft.
Der Leiter der Germanistikabteilung der UCAD, Prof. Dr. Amadou Bâ, hat bei einer seiner Wortmeldungen die wichtige Rolle der Literaturkritik beim Verkauf von Büchern angesprochen. Als Beispiel nannte er Marcel Reich-Ranicki, der als größter Literaturkritiker der deutschsprachigen Literatur galt. Nach Professor Bâs Auffassung war eine gute Kritik von Marcel Reich-Ranicki für ein Buch Synonym für seinen guten Verkauf, aber ein Verriss von ihm bedeutet, dass das Buch sich schlecht verkaufen wird.
Danach machte Lendle die Feststellung, dass heutzutage Menschen weniger lesen als in der Vergangenheit. Anstatt ein Buch zu lesen, das sie in einer Bibliothek gekauft haben, hängen viele von ihnen lieber am Smartphone oder Tablet und lesen elektronische Bücher, die heute in großer Konkurrenz zu den gedruckten Büchern stehen. In der Folge sagt er als Fachmann, dass die Präsentation des Buches auch eine wichtige Rolle bei seinem künftigen Erfolg bei den Lesern spielt.
Der Nachmittag des 11. und der 12. Juli wurde der Praxis gewidmet. An die Teilnehmer wurden Textauszüge aus Büchern zeitgenössischer Autoren verteilt. Die Autoren und Werke, die ausgewählt wurden, waren folgende: Clemens Meyer: Als wir träumten (2007) (einer der meist preisgekrönter zeitgenössischer Autor), Martin Kluger : Die Gehilfin (2008), Leif Randt : Leuchtspielhaus (2010), Jan Brandt : Gegen die Welt (2011), Thomas Glavinic : (einer der größten österreichischer zeitgenössischer Autor): Das Größere Wunder (2013), Lutz Seiler Kruso (wurde 2014 mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet), Arno Geiger Selbstporträt mit Flusspferd (2015), Abbas Khider : Ohrfeige (2016), Ronja von Rönne : Wir kommen (2016), Tilman Rammstedt : Morgen mehr (erscheint demnächst).
Diese ausgewählten Werke unterscheiden sich sowohl durch die Auswahl der Themen, die behandelt werden, als auch durch den Aufbau der Erzählung. Verzweiflung, Schuld, nicht mehr Herr seines eigenen Schicksals zu sein (Geiger), der Gegensatz Gegenwart-Vergangenheit (Meyer), die Schwierigkeit Erwachsen zu werden, die Flucht vor der Realität und der Bürger gegenüber der festgesetzten Regeln (Ronja von Rönne), der Immigrant gegenüber der deutschen Bürokratie (Abbas Khider) sind einige Themen, die in diesen Werken behandelt werden. Der Sprachregister (Khider), Ironie (Rönne), der Gebrauch von Hinweisen mit bestimmten Aufgaben (Seiler), eine besondere Erzählung (Glavinic) sind gewisse literarische Mitteln, die die deutsche Gegenwartsliteratur kennzeichnen. Ein anderes wichtiges Element ist die Vertretung von Schriftstellern ausländischer Herkunft, die am Anfang nicht als Autoren der deutschen Literatur anerkannt wurden. Heutzutage hat sich diese Situation geändert und der Beweis dafür ist, wie Lendle sagte: "Beim letzten Ingeborg Bachmann-Preis stammten 10 von 17 Texten von Autoren mit Migrationshintergrund".
Die Organisatoren, Jo Lendle und alle Teilnehmer, die mit ihren Wortmeldungen die Debatten auf ein höheres Niveau gehoben haben, waren von der Organisation und dem behandelten Stoff des Seminars sehr zufrieden.