Diskussionsrunde
Geteilte Meinung über die Architektur in Afrika

Diskussionsrunde
Foto (Ausschnitt): Stéphanie Nikolaidis

Unkenntnis über den Beruf des Architekten, veraltetes Personal, Kommunikationsmangel, ungenügende Ausbildungsstrukturen – das sind nur einige der Probleme, die während der Diskussionsrunde am 21. September 2016 am Goethe-Institut Dakar zutage traten.

Es ist ein offenes Geheimnis: In Dakar wachsen die Neubauten wie Unkraut aus dem Boden. So nimmt die breite Öffentlichkeit vom Baugewerbe nur diejenigen wahr, die das Fundament gießen, die Wände hochziehen und das Dach darauf setzen – bis zu dem Tag, an dem ein Gebäude in sich zusammenbricht. „Von da an richten sich alle Blicke auf den Architekten. Plötzlich hagelt es von überall her Fragen und Kritik“, bedauert der Architekt Mbacké Niang, Teilnehmer der Diskussionsrunde am 21. September zum Thema „Jeune architecture : nouveau contexte, nouvelles pratiques“ (Junge Architektur : neuer Kontext, neue Praktiken). Dieser wurde vom Goethe-Institut, der Hochschule für Architektur in Dakar und der Agentur für Architektur und Recherche MBN des Senegals organisiert und stand unter der Leitung von Mamadou Jean Charles Tall, Architekt und Mitbegründer der Hochschule für Architektur, Mbacké Niang, Architekt und Lehrbeauftragter, sowie Carole Diop, Designer-Architektin und Herausgeberin der Zeitschrift Afrikadaa.

Die Begegnung fand im Rahmen der Wanderausstellung mit dem Titel „African Modernism, l’architecture de l’indépendance“ (African Modernism, Architektur der Unabhängig­keit) statt, initiiert vom Goethe-Institut Johannesburg. Bereits zu Beginn betonte der Moderator Michael Jeismann, der auch Direktor des Goethe-Instituts Dakar ist, die Wichtigkeit dieser Diskussionsrunde im Kontext der zahlreichen Herausforderungen im Bezug auf den Klimawandel, denen die ganze Welt und Afrika im Besonderen gegenübersteht. „Die afrikanische Architektur entwickelt sich weiter, es müssten also Maßnahmen getroffen werden, um diese Entwicklung zu begleiten“, forderte er.

Mehr noch als ein Labyrinth, so bleibt der Weg zum Verständnis dieses Berufs ein nahezu unlösbares Rätsel für den Laien. Daher rührt die Notwendigkeit, einen spürbaren Unterschied zwischen einerseits "Architektur", der Kunst des Entwerfens und Erbauens von Bauwerken nach ästhetischen Kriterien und klar definierten sozialen, technischen, wirtschaftlichen und umweltbezogenen Regeln, (Anm. d. Red.) und andererseits dem "Architekten", der auf Anfrage eines Bauherren oder Klienten in die Konstruktion, die Instandsetzung oder die Anpassung der öffentlichen und privaten Gebäudelandschaft eingreift, festzustellen.

Lobby

Auch wenn die mehrheitlich von Fachleuten aus dem Okzident realisierte Architektur der 1960er Jahre seine Blütezeit erlebt hat, waren sich die Experten im Saal Weimar des Goethe-Instituts einig, dass heutzutage Reformen auf allen Ebenen des Fachs in Angriff genommen werden müssten. Zum einen müsse man Nachwuchs für die Branche finden. Im Senegal gab es zum Beispiel seit 1991 nicht einen Absolventen einer nationalen Hochschule für Architektur; die Hochschule für Architektur in Dakar öffnete ihre Pforten offiziell erst im Jahr 2012. Doch wohin gingen die potenziellen Anwärter des Berufs, um das nötige Know-How zu erwerben? „Nach Paris, London oder anderswo in Afrika. Zum Beispiel nach Lomé, wo es eine große zwischenstaatliche Hochschule für Architektur gibt“, berichtete ein Experte.

Zum anderen müsse der Staat in Erwägung ziehen, Architekturwettbewerbe zu organisieren, da vor allem durch diese Art des Wettstreits Talent und Kreativität ausgedrückt werde. Ebenso sollten Klienten den professionellen  Weg einer Kanzlei wählen, man sollte den Zugang zu Ausschreibungen ermöglichen, den Gebrauch lokaler Baumaterialien fördern, die von der Zement-Lobby zurückgehalten werden, den Anschluss an neue Technologien wagen, etc.

Zwischen Tradition und Moderne

Bereits jetzt sehnen sich die Nostalgiker nach der Epoche Senghors zurück, in der, so sagen sie, Architekten noch die künstlerische und kulturelle Ader in ihren Werken berücksichtigten. Andererseits beklagten einige die große Neigung mancher Architekten, verglaste Gebäude zu errichten – in Ländern, in denen die brütende Hitze den Alltag der Bewohner erschwert.

Mamadou Niang Kane, einer der Teilnehmer der Diskussionsrunde, forderte, dass die Architektur in Afrika vor allem kontextuell sein müsse. Als Beispiel nannte er die Baumodelle der Wohnungen im Süden des Senegals, die laut ihm besser an das Klima angepasst seien. M.J. Charles Tall erklärte hingegen, „dass afrikanische Architekten nicht im logischen Widerspruch ‚Tradition gegen Moderne‘ gefangen bleiben.

In diesem Zusammenhang wandte sich der Präsident für Verbraucherschutz des Senegals, Momar Ndao, an den Präsidenten des Architektenverbandes, Fodé Diop, der ebenfalls zur Begegnung geladen war: „Sie sollten etwas offensiver sein. Es herrscht Unkenntnis über diesen Beruf und Kommunikation ist unabdingbar.“ Der Präsident und Gründer der Internationalen Akademie der Künste, Alioune Badiane, erhoffte sich die Berücksichtigung der „zivilisationellen“ Dimension der Siedlungsweise im subsaharischen Afrika. Amina Ndaw Cissé hingegen zog die Aufmerksamkeit der afrikanischen Staaten auf die Notwendigkeit, die Suche nach und die Weiterbildung von Architekten zu stärken, um letztendlich ein starkes Afrika zu erbauen – weit entfernt von den einstürzenden Wohnhäusern, die tagtäglich zahlreichen Familien Leid zufügen. Außerdem, betonte Koyo Kouoh, Direktorin der Raw Material Company, müsse man jede Art Komplex hinter sich lassen, da „wir so sehr psychisch, soziologisch und physisch gelitten haben, dass es schwierig geworden ist, uns von unserer kolonialen Vergangenheit zu lösen.