Deutsch in Senegal
„Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen“

Deutsch in Senegal
Foto (Ausschnitt): Bernhard Ludewig

​„Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen“, stellte der berühmte deutsche Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe in seinem vielzitierten Werk Maximen und Reflexionen (1833) fest. Ein solcher Ansatz, der für Mehrsprachigkeit und die Begegnung zwischen den Kulturen spricht, hat heute nichts von seiner Aktualität verloren – im Gegenteil.

Im gegenwärtigen Kontext der Mobilität der Menschen, der Globalisierung und der interkulturellen Begegnungen ist es von unbestreitbarem Vorteil, fremde Sprachen sprechen zu können. In Anbetracht dessen werden im Bereich Fremdsprachendidaktik immer wieder neue Konzepte und Methoden entwickelt, die zur besseren Vermittlung der Fremdsprachen beitragen.

Ob Diplomat, Literaturwissenschaftler, Historiker, Philosoph oder Forscher welcher Disziplin auch immer: Wer eine oder gar mehrere Fremdsprachen beherrscht, genießt einen nicht zu unterschätzenden Vorteil. Der Arbeitsmarkt ist immer internationaler ausgerichtet, insofern, als der Austausch mit Partnern aus verschiedenen Ländern eine wichtige Basis für wirtschaftliche Entwicklung darstellt. Für Länder, die nach dauerhafter wirtschaftlicher Entwicklung streben, ist der Austausch mit Partnern auf der internationalen Ebene unumgänglich. Und Senegal ist keine Ausnahme von der Regel.

Die Förderung der Vermittlung einer Fremdsprache wie Deutsch durch den senegalesischen Staat trägt wesentlich dazu bei, die Beziehungen, die Senegal mit deutschsprachigen Ländern pflegt, zu festigen. Wer diese Bemühungen torpediert, riskiert, die bilaterale Zusammenarbeit nachhaltig zu schädigen.

Die Förderung fremder Sprachen allgemein und des Deutschen im Besonderen kann fruchtbare internationale Austausche ermöglichen und erleichtern, insbesondere auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet. Deutsch ist schließlich die Sprache eines der wirtschaftlich mächtigsten Länder der ganzen Welt. Dazu kommt der Austausch mit Deutschsprachigen jenseits der deutschen Grenzen, nämlich in Österreich, der Schweiz, in Lichtentstein, Belgien, Luxemburg etc.

Der Schriftsteller Johann Wolfgang von Goethe, der sehr früh Interesse an fremden Ländern, Sprachen und Kulturen entwickelte, regte die Deutschen immer wieder dazu an, fremde Sprachen zu erlernen. „Der Deutsche soll alle Sprachen lernen, damit ihm zu Hause kein Fremder unbequem, er aber in der Fremde überall zu Hause ist“ (Maximen und Reflexionen). Sollten sich andere Völker nicht auch von diesem Gedanken inspirieren lassen? Oder von dem Konzept des Dialogs der Kulturen, das der erste Staatspräsident Senegals, Léopold Sédar Senghor, propagierte? Seine Begeisterung für die Sprache Goethes war gar so groß, dass er den Deutschunterricht ins senegalesische Schulsystem einführte. Dies bedeutete für senegalesische Schüler einerseits einen Zugang zu anderen Kulturen durch das Medium der Sprache, andererseits eine interdisziplinäre Koexistenz jener Sprache mit weiteren Fächern wie Philosophie, Geschichte, Mathematik, Physik, Chemie, etc. In all diesen Bereichen haben eine Reihe deutscher Wissenschaftler Weltbewegendes geleistet.

Laut einer koreanischen Studie aus dem Jahr 2010 ist die Methodik des Spracherwerbs, metaphorisch gesprochen, das Öl, das das Hirn schmiert, um mathematisches Verständnis zu ermöglichen. War das etwa der Grund, weshalb Senghor darauf bestand, dass die jungen Senegalesen in der Schule das Deutsche lernen, eine moderne Sprache mit Deklination? Eine Sprache, die eine gute Veranlagung für den Erwerb naturwissenschaftlichen und technologischen Wissens legen kann.

Bleiben wir im Bereich der Bildung und Erziehung in Senegal. Das LMD-System, dessen Ziele sich u.a. stark an der Mobilität der Studierenden orientieren, befürwortet die Berücksichtigung fremder Sprachen als wichtige Lernstoffe in den Curricula der Universitäten des Senegal. Fremdsprachen sind ein gutes Mittel, um Schüler und Studenten hinsichtlich der Herausforderungen des LMD zu steuern. Insofern sind Einführung, Aufrechterhaltung und Festigung des Fremdsprachenunterrichts allgemein im Schulsystem nach wie vor mit Nachdruck zu befürworten.

Dennoch hatte sich die senegalesische Regierung entschieden, einige Fremdsprachen, darunter das Deutsche, aus den Lehrplänen der Schulen zu streichen. Sie möchte dadurch ausgerechnet naturwissenschaftliche Fächer wie Mathematik, Physik und Chemie fördern und Impulse für eine intensivere Beschäftigung mit Technologien geben.

Durch einen Erlass aus dem Jahr 2014, der erst im Oktober 2016 in die Tat umgesetzt wurde, fällt einseitig und ohne jede Absprache fortan der Unterricht in den Sprachen Deutsch, Italienisch und Russisch weg, während Spanisch, Portugiesisch und Arabisch beibehalten werden. Während Italienisch- und Russischlehrer kaum protestierten, gingen Deutschlehrer und ihre Schüler auf die Straße, um ihren Unmut laut kund zu tun.
 

"Qui ne connaît pas les langues étrangères ignore sa propre langue"

Mit Erfolg. Dank einer Unterschriftensammlung, zahlreicher Presseberichte und Demonstrationen sah sich die Regierung gezwungen, die Maßnahme zurück zu nehmen. Der Erfolg liegt zum Teil auch darin begründet, dass die Zahl der Deutschlerner in den letzten Jahren stetig wuchs. Immer mehr senegalesische Studenten genießen Stipendien deutscher Institutionen, um in Deutschland naturwissenschaftlich zu forschen.

Die Deutschlehrer des Senegal haben nun die Entscheidungsträger eingeladen, um gemeinsam über die Frage der Bedeutung von Fremdsprachen zur Förderung naturwissenschaftlicher Fächer nachzudenken. Neben dem Deutschunterricht ist jetzt auch der Unterricht in Italienisch und Russisch zurück. Der größte Sieger des Protests ist damit das senegalesische Schulsystem insgesamt. Bleibt zu hoffen, dass die senegalesische Regierung einen neuen Erlass zur offiziellen Wiederherstellung der abgeschafften Sprachen herausgibt und jetzt Schritte unternimmt, um den Fremdsprachenunterricht nachhaltig zu fördern.