künstler Residenz
Eine Spuur an den Wänden von Dakar

Diablos und Timm Höller
Diablos und Timm Höller | ©Stéphanie Nikolaïdis

Sechs Wochen lang war der deutsche Graffitikünstler Timm Höller für einen künstlerischen Aufenthalt in Dakar, dank eines Stipendiums der Kunststiftung des Landes Sachsen-Anhalt in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Sénégal.

Legal vs. Illegal

Im Gegensatz zu Deutschland gilt das Sprühen von Graffitis im Senegal nicht als Straftatbestand. So war es für Timm ohne große Schwierigkeiten möglich, Wände zu finden, auf denen er sich ausdrücken konnte. Der Künstler war überrascht von der durchweg positiven Resonanz, die er von Passanten oder Hausbesitzern erhielt, welche ihm jedes Mal erneut sehr dankbar für seine Arbeiten waren. Timm fand heraus, dass Graffiti im Senegal als eine Möglichkeit gilt, Farbe in die Stadt zu bringen und nicht als ein Akt des Vandalismus oder einer Beschädigung von fremden Eigentum angesehen wird. Dieser Aufenthalt ermöglichte es ihm daher, seine Kunst zu "legitimieren", sich noch mehr von dieser überzeugen zu lassen und sich in seiner Entscheidung für die Ausübung der Graffiti-Kunst bestätigt zu fühlen.

Graffiti von Timm Höler in Dakar Graffiti von Timm Höler in Dakar | ©Timm Höller

Weniger Ego, mehr Botschaften

Timm bemerkte, dass es im Senegal ein echtes soziales Bewusstsein unter Graffitikünstlern gibt. Ihre künstlerische Herangehensweise und ihre Werke sind sehr beliebt. Die Ich-Zentriertheit ist weniger präsent als in Europa. Dies fällt besonders auf, weil Künstler nicht überall ihren Namen hinterlassen, sondern Botschaften vermitteln, Beispielsweise indem sie Worte wie: Frieden, Respekt... malen. Dies veranlasste Timm zu einem Nachdenken über die Wirkung seiner Kunst. Zwar hatte er sich bereits Gedanken darüber gemacht, diese wurden durch diese Reise aber so stark wie nie angeregt. Er fragte sich, warum es nötig ist, dass Graffiti-Künstler, ihm inklusive, immer wieder ihre Namen an die Wände setzen müssen.

Anpassungsfähigkeit

Im Senegal ist es nicht immer einfach, Graffitidosen mit einem breiten Farbspektrum zu erwerben, was für Timm jedoch kein besonderes Problem darstellte. Für ihn zählt nicht die reine Technik, sondern der Einfallsreichtum, der gezeigt werden muss, um bestimmte materielle Zwänge und Hürden zu überwinden. Daher muss ein Künstler auch andere Werkzeuge wie den Pinsel oder die Rolle benutzen können. Timms Meinung nach ist es wichtig, dass ein Künstler in der Lage ist, eine auf den ersten Blick nachteilige Situation zu nutzen, indem er Anpassungsfähigkeit zeigt.
Vor allem die Improvisation und Spontanität interessierte ihn, die notwendig ist, um ein plötzlich auftretendes Problem lösen zu können. Gerade im Senegal ind sie ein gängiges Mittel; sowohl in der Kunst als auch im alltäglichen Leben.

Timm bemerkte, dass das "soziale Miteinander" im Senegal ein elementarer Bestandteil in allen Alltagssituationen ist. Auf dem Handwerksmarkt in Soumbedioune zum Beispiel bat ihn ein Verkäufer, einen Korb zu malen. Zuerst war Timm erstaunt und verstand nicht wirklich, warum er ihn um diesen Gefallen bat. Schließlich akzeptierte er die Bitte und stellte fest, dass seine Zeichnung dem Händler sehr gut gefiel. Es war ihm während seines Aufenthaltes stets wichtig, gute Beziehungen zu der einheimischen Bevölkerung zu pflegen und zugleich den Kontakt zu anderen Menschen wieder in den Mittelpunkt der künstlerischen Prozesse zu stellen.

Workshop und Ausstellung

Neben der kreativen Gestaltung von vielen Mauern in der Stadt teilte Timm zusätzlich sein Wissen im Rahmen eines Workshops an der PA 13 Schule im Stadtteil Parcelles Assainies. Dort arbeitete er zusammen mit der fünften Klasse eines sehr engagierten Lehrers, Herrn Mbodj. Zuerst zeichneten die Kinder mit Bleistiften und Markern auf Papier. Dann malten sie paarweise einen Schriftzug an eine Wand der Schule, wo jetzt zu lesen steht: Willkommen bei P.A. 13! Diese schöne Gemeinschaftsarbeit wird für einige Jahre ihre Spuren an der Schulwand hinterlassen. Workshop in der Schule P.A. 13 Workshop in der Schule P.A. 13 | ©Stéphanie Nikolaïdis Zum Abschluss seines Aufenthaltes organisierte Timm in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut eine Ausstellung im Centre Culturel Blaise Senghor. In Form von Fotos, Texten und Zeichnungen präsentierte er alle Arbeiten, die er während seines Besuches gestaltet hatte. Das Publikum konnte so den großen Umfang seiner vor Ort erstellten Werke bestaunen. Während seines sechs-wöchigen Aufenthaltes im Senegal hat Timm sehr viel gemalt.

Zugleich bot diese Ausstellung auch die Gelegenheit, alle Menschen, die er während dieser Zeit kennen gelernt hatte, zusammenzubringen. Hierzu gehörten auch die Graffiti-Künstler rund um die RBS-Gruppe, mit denen zusammen er viele Wände verziert hatte.
In seiner Kunst konzentriert sich Timm üblicherweise darauf, an Formen zu arbeiten. So lässt er beispielsweise gerne Buchstaben tanzen. Während der Ausstellung fand eine überraschende Performance statt, zusammen mit dem Graffitikünstler Diabloss (RBS) malte Timm ein Live-Fresko, begleitet von Text- und Tanzpassagen des Künstlers Bay Dame Kassé. Ein spektakulärer Moment, der das Publikum begeisterte. Eine halb-improvisierte Performance, die dennoch gut einstudiert erschien. Wieder einmal hatte die Improvisationsmagie des Senegals funktioniert.

Das Besondere an Graffitis ist, dass es sich nicht um eine kurzlebige, sondern um eine langfristig angelegte Kunstform handelt. Timm hat eine Spur an den Wänden von Dakar hinterlassen, welche über seinen Aufenthalt hinaus bleiben wird.