Panel
Die Bibliotheken in der mündlichen Gesellschaft, heute und morgen ?

Die Bibliotheken in der mündlichen Gesellschaft, heute und morgen ? Anlässlich dieser Thematik hat das Goethe-Institut Senegal die Debatte um die Rolle von Bibliotheken in einem Land eröffnet, in dem die Mündlichkeit herrscht.
Herr Philip Küppers kündigte in seiner Begrüßungsansprache an, dass die Schlussfolgerungen des Panels vom Goethe-Institut genutzt werden um die Bibliothek des Instituts in den neuen Räumlichkeiten einzurichten.
Aus westlicher Sicht sind die Bibliotheken der Ort des Wissens schlechthin, erinnert Bouya Fall. Die Leiterin des Informationszentrum und der Bibliothek des Goethe-Instituts bedauert jedoch, dass bei der Einrichtung dieser Bibliotheken im senegalesischen Milieu die Mündlichkeit nicht in Betracht gezogen wird. Wie kann man heute das Schriftliche und das Mündliche verbinden? Kann das Digitale eine Lösung sein, besonders in Anbetracht der Hohen Nutzung von Smartphones? Wie können Bibliotheken wieder dynamisiert werden und an die afrikanischen Realitäten angepasst werden? Fragestellungen, deren Ansätze während der ersten Ansprachen beantwortet werden. Der Präsident des Asbad Thierno Kandji erinnerte daran, dass laut Professor Ibnou Samb, des ehemaligen Leiters des IFAN, ab dem 15.Jahrhundert „Hochschulbildung, wissenschaftliche Forschung und Bibliothekskultur Teil der regionalen Geschichte Westafrikas waren.“
Dr Adama Aly Pam, leitender Archivar der UNESCO, war der Moderator dieses Tages. Er rief ins Gedächtnis, dass " Wenn der Auftrag der Bibliothek weltweit gleich bleibt, kann man sich fragen, ob sich der übliche Funktionsmechanismus des Westens der mündlichen Gesellschaft in der die Formen der Erhaltung und Weitergabe von Wissen radikal unterschiedlich anpasst? ». Seiner Ansicht nach, sorgt « die Entwicklung von neuen Technologien für Informationen und Kommunikation zu einer vermehrten Nutzung von Mündlichkeit in Bibliotheken“.
Er gab das Wort weiter an Professor Mamoussé Diagen, der die Einführung in die Konferenz mit dem Titel „die Situation von Bibliotheken vor der Unabhängigkeit bis heute“ hielt. Das Thema der Konferenz erinnert ihn an seine Schriften über „den Griot und den Philosoph“. Es hätte heißen können, „wenn die Noten des "Xalams*" auf dem Mond ankommen". Mit anderen Worte versicherte er, " dass es die schönste Zeugenaussagen wäre, dass wir dem am 21. September 2019 verstorbenen Traditionalisten Samba Diabaré Samb widmen können. In seiner Mitteilung, die reich an Hinweisen auf die mündlichen Überlieferungen war, bekräftigte er abschließend, dass "die große Herausforderung für uns darin besteht, das Wissen unserer Griots zu sammeln, dessen Verlust einem Bibliotheksbrand gleichkommt damit das wissen nicht mehr „brennt“ und die Melodien unserer Traditionisten aus dem ganzen Universum zu hören sind".
Gerade Griots, stolze Traditionnisten wie Youssou Mbargane Mbaye, Dr. Massamba Gueye und Professor Babacar Mbaye Ndaak haben sich dem ersten Panel gewidmet.
Für Mbaye Ndaak ist es heutzutage unerlässlich dieses Paradigma zu ändern und diese Dinge nicht mehr aus westlicher Perspektive zu betrachten. Heutzutage ist es beispielsweise notwendig, dass wir, wenn wir Intellektuelle aufzählen, Frauen wie Sayda Mariama Niasse oder Mame Diarra Bousso zitieren, da diese sonst oft ignoriert werden. Die größten Leser dieses Landes sind arabische Gelehrte.
Eine Behauptung, die durch die Mitteilung von Dr. Massamba Gueye bestätigt wurde. Die Leseerfahrungen im Kreisverkehr von Sandaga im Rahmen des Festivals "La grande parole invite" oder in Gefängnissen illustrieren diesen Punkt gut. Er ist der Meinung, dass die Bibliotheksstruktur nicht ohne einen Eingriff in das Denksystem der von mündlicher Tradition geprägten Länder aufgestellt werden können, während Bibliotheken im Westen in Linearität konzipiert und gedacht werden.
Youssou Mbargane Mbaye, der vom Wolof von Ndiambour zu akademischen Franzosisch mit Leichtigkeit wechselt, kehrt zu den Grundlagen der mündlichen Tradition zurück. Die Rolle der Sprache , die immer, die immer eine Nachricht überträgt, die Rolle des Wahrsagers und des Griot in der Übermittlung von Wissen. Er beendete, in dem er die Rolle von Initiationsriten ansprach: Wie der "leul*", der einer der wichtigsten sozialen Mechanismen für Erlernung den Werte wie "Jom*", "kersa*", Ausdauer, Solidarität zwischen den Altersgruppen ist.
Nach dem Austausch mit dem Publikum bat die zweite Gesprächsrunde mit dem Thema Wie kann man eine inklusive Bibliothek erfinden, die alle Gemeinschaften anspricht? die Möglichkeit, die Ironie der Situation hervorzuheben. Im Senegal sprechen 10% der Bevölkerung Französisch, trotzdem sind 90% der in Bibliotheken veröffentlichten Dokumente auf Französisch veröffentlicht. Die Alphabetisierung der Bevölkerung, die Entstehung von Werken in den Nationalsprachen und die Entwicklung eines Netzes von Bibliotheken der Landessprachen seien eine Voraussetzung, so behauptet es die ehemalige Leiterin des Buches und der Lektüre Marietou Diongue Diop. Sie nannte das Beispiel, welches in Caytu mit den Frauen gemacht wurde. Eine Alphabetisierungskampagne half ihnen, die Gemeindebibliothek zu verwalten und aus ihnen eifrige und selbstständige Leserinnen zu machen. Ein Beispiel, dass die Bibliotheken und ihre Organisationen sich entwickeln müssen um dem Snobismus von Sammlungen in Landessprachen in ihren Bibliotheken zu beenden.
Eine Aufforderung, der Sada Kane, der Direktor der Bibliothek des Kulturzentrums Blaise Senghor, zugestimmt hat, bedauert den Mangel an Ressourcen und Humanressourcen. Die Dokumentarsammlungen sind ungewöhnlich und extrovertiert und entsprechen wenn überhaupt nur sehr wenige Themen, die mit Afrika in Verbindung stehen. Am Beispiel der Bibliothek, für die er verantwortlich ist, stellt er fest, dass nur 26% der Dokumentarsammlungen dieser Bibliothek Themen behandeln, die mit Afrika im Zusammenhang stehen. In Anbetracht dieser Statistiken, ist es schwer umsetzbar Bibliotheken zu erstellen, die das nationale Erbe reproduzieren. Man muss also eine neue Bibliothek erfinden, die sich auf das nationale Erbe konzentriert. Der Weg ist noch lang.
In Bezug auf das Thema "öffentlicher Zugang zum Internet durch Bibliotheken für afrikanische Online-Gemeinschaften" betonte Herr Mandiaye Ndiaye, dass Bibliothekare eine starke Interessenvertretung gegenüber den Behörden entwickeln müssen. Wie im IFLA-Manifest für das Internet (2002) dargelegt, sind Bibliotheken und Informationsdienste auf globaler Ebene, die lebenden Schnittstellen zwischen den Menschen, den Informationsquellen und dem Informationsfluss und der Kreativität, die sie suchen.
*Xalam : ein traditionelles Saitenmusikinstrument aus Westafrika
*Leul :Übergangsritus zum Erwachsensein durch Beschneidung
*Djom : Würde
*Kersa: Bescheidenheit