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Elektronische Publikationen
„Das E-Book erobert das Schlafzimmer“

2012 hat das E-Book einen Anteil von 9,5 Prozent am Umsatz der deutschen Verlage erreicht. Steffen Meier, Sprecher des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren im Börsenverein des Deutschen Buchhandels, erläutert im Gespräch mit Goethe.de die aktuellen Entwicklungen am wachsenden E-Book-Markt.

Herr Meier, die Zeiten, in denen E-Books etwas Exotisches hatten, sind nun auch in Deutschland vorbei. Boomt das E-Book hierzulande?

Wir haben es eher mit einem dynamischen, organischen Wachstum zu tun. Der E-Book-Markt ist ein Hardware-Markt: Um ein E-Book zu rezipieren, brauche ich ein Endgerät. Mit der wachsenden Anzahl der verfügbaren Endgeräte steigt die Nachfrage nach E-Books. Und die steigende Nachfrage veranlasst die Verlage, mehr Angebote zu schaffen.

Nach der neuesten E-Book-Studie des Börsenvereins haben 53 Prozent der deutschen Verlage E-Books im Angebot. 54 Prozent der Neuerscheinungen sind heute auch als E-Book verfügbar. Das ist nicht gerade viel, oder?

Steffen Meier Steffen Meier | © privat Mit dem Thema E-Book sind für Verlage große Investitionen verbunden. Darum haben viele die Entwicklung erst einmal beobachtet. Dazu muss man wissen: E-Books, die in Verlagen hergestellt werden, sind kein Abfallprodukt. Für die Produktion müssen komplette Workflows umgestellt werden. Es ist technisch immer noch nicht einfach, so viele Endgeräte wie möglich zu bedienen. Hinzu kommt ein erheblicher Aufwand rund um das Thema Rechte-Management und Kunden-Support.

Insofern ist es sehr verständlich, dass die Verlage hier vorsichtig sind. Aber unsere Studie sagt auch: 84 Prozent der Verlage haben sich zum Ziel gesetzt, in Zukunft am E-Book-Markt teilzunehmen.

Von der Reisebegleitung in den Lesesessel

Sind die Menschen in Deutschland E-Books gegenüber reservierter als in anderen Ländern?

Nicht unbedingt. Oft wird Deutschland mit den USA verglichen, wo der E-Book-Markt eine wirklich hohe Dynamik hat. Doch dieser Vergleich hinkt ein wenig. In Deutschland haben wir über unsere engmaschige Buchhandelstruktur eine sehr gute Grundversorgung mit Büchern. Es gibt also kaum einen Bedarf an E-Books aus dem Mangel heraus, dass etwas nicht schnell als Print verfügbar ist.

Zudem sind E-Books in den USA zum Teil 50 Prozent günstiger als die Printausgaben. In Deutschland gibt es einen solch großen finanziellen Anreiz nicht. Die Preise für E-Books liegen hierzulande etwa 20 Prozent unter dem Ladenpreis für die Printversion. Und sie unterliegen der Buchpreisbindung, sie kosten also überall gleich viel.

Wie werden E-Books denn heute von deutschen Verbrauchern genutzt?

Zunächst lagen die typischen Nutzungssituationen im mobilen Bereich: auf Reisen etwa, oder bei Wartezeiten unterwegs. Das E-Book entwickelt sich aber jetzt langsam vom technischen Spielzeug für unterwegs in die klassischen Lesebereiche hinein. Das E-Book erobert das Schlafzimmer, das Sofa, den Balkon. Und das bedeutet: E-Book und klassisches Buch werden zunehmend als gleichwertig wahrgenommen.

Materielles Gut versus anfälliges Nutzungsrecht

Welche Vorbehalte gibt es bei Käufern gegenüber E-Books?

Ganz grundsätzlich: das tradierte Leseverhalten, die Haptik. Es ist ein Unterschied, ob ich 29,90 Euro zahle und dafür dann ein gedrucktes Buch in den Händen habe oder ob ich für einen minimal niedrigeren Preis eine Datei, eigentlich sogar nur ein Nutzungsrecht, erwerbe. Ich denke, diese Einstellung wird sich auch nicht ganz so schnell wandeln. Schließlich arbeiten die Kinder und Jugendlichen in der Schule auch heute noch mit gedruckten Büchern.

Ein E-Book zu lesen bedeutet für viele Menschen zudem, sich mit Technik auseinandersetzen zu müssen. Auch das einfachste Endgerät ist in seiner Bedienung komplexer als das Buch. Dann sind da auch noch andere Einschränkungen: Ich kann das E-Book nicht so einfach verleihen oder verschenken. Und es besteht die Unsicherheit, was beim Wechsel von einer Anbieter-Plattform auf die andere mit den zuvor gekauften E-Books passiert.

Aber ich denke, wir werden in Zukunft dazu Standards entwickeln. Und vielleicht wird man schon in der übernächsten Leser-Generation keinen wirklichen Nutzungsunterschied mehr spüren.

Wird das E-Book die gedruckten Bücher in Zukunft verdrängen?

Das gedruckte Buch wird mit seinen handwerklichen Qualitäten zumindest auf absehbare Sicht weiterhin seine Rolle spielen – und zwar dort, wo es auf Haptik, auf eine ansprechende Gestaltung, auf schöne Typografie und so weiter ankommt. In anderen Bereichen – zum Beispiel bei Taschenbüchern, in der Belletristik – werden die Vorteile überwiegen, die das digitale Medium hat.

Wir sehen jetzt schon deutlich, dass das gedruckte Buch Marktanteile an das digitale verliert. Die entscheidende Frage für die Verlage ist nun, wie sie mit der Situation umgehen beziehungsweise wie sie auch den digitalen Markt bedienen können.

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