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„Open Library“
Der Schlüssel zum Buch

Schlüssel zur Bildung
Schlüssel zur Bildung | © Oleksandr, fotolia.com

Bibliotheken unabhängig von ihren Öffnungszeiten nutzen? Das Konzept „Open Library“ macht das möglich. In Deutschland läuft dazu seit Dezember 2014 ein Pilotprojekt in Hamburg. Das Modell könnte Nachahmer finden.

„Die Öffnungszeiten von Bibliotheken entsprechen oft nicht den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden“, sagt Carolin Rohrßen. Die Bücherhallen Hamburg, wo sie als stellvertretende Leiterin des Bereichs EDV und Organisation arbeitet, sind zum Beispiel wochentags von 11 bis 19 Uhr geöffnet. „Aber viele würden unsere Angebote gerne auch davor, danach und vor allem am Wochenende nutzen.“ Um den Bedürfnissen besser entgegen kommen zu können, forschten Rohrßen und ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern nach vorbildhaften Modellen. Dabei stießen sie auf das in Dänemark bereits 2004 eingeführte Konzept der Open Library.

Vorbild Dänemark

Das Prinzip ist einfach: Während der offiziellen Öffnungszeiten ist Personal in der Bibliothek anwesend. „Zu anderen festgelegten Zeiten können die Nutzer sich ihre Bibliothek quasi selbst aufschließen“, erklärt Rohrßen. In Dänemark – wo die Ausleihe generell kostenfrei ist – funktioniert dies über die Gesundheitskarte, die jeder Bürger besitzt. In der Hamburger Zweigstelle Finkenwerder, die für den Testversuch ausgewählt wurde, gelangen die Kunden mit ihrer Bibliothekskarte über einen Zugangscomputer im Eingangsbereich in die Räumlichkeiten. In der ersten Phase des Hamburger Projekts Open Library gilt dies für die Zeit der Mittagspause. Die kleine Zweigstelle schließt von 13 bis 14 Uhr. In dieser Zeit können nun die Kunden, die bereits vor Ort sind, in der Bibliothek bleiben. Wer nach 13 Uhr kommt, zieht seine Karte durch ein entsprechendes Lesegerät am Eingang, das seine Daten mit dem Bibliotheksmanagement-System abgleicht und ihn als Nutzer verifiziert.

Schrittweise offener

„Wir mussten natürlich die Grundlage dafür schaffen, dass alle Services auch ohne Personal vor Ort nutzbar bleiben“, erklärt Rohrßen. Der Kunde müsse selbständig Ausleihe und Rückgabe vornehmen und eventuell angefallene Gebühren an einem Automaten bezahlen können. Die technischen Voraussetzungen dafür bestanden größtenteils schon: Bereits seit 2007 scannen Kunden die Medien der Zweigstelle Finkenwerder an einem Selbstverbuchungsgerät zur Entleihe ein, die Rückgabe funktioniert genauso. Kassenautomaten für die Gebührenentrichtung sind 2015 angeschafft worden.

In einem zweiten Schritt des Projekts Open Library sollen die Stunden ohne Personal auf die Zeit vor der regulären Öffnung ausgeweitet werden. Dies sei „logistisch vergleichsweise einfach umzusetzen“, so Rohrßen. Aufwendiger sei es, den Zugang zur Bibliothek am Abend zu gewährleisten – die geplante Phase drei in Finkenwerder.

Sicherheit und Schutz

Die Zweigstelle ist mit Lautsprechern ausgerüstet, die vor der Schließung per Durchsage zum Verlassen der Räumlichkeiten auffordern können. Vier Kameras behalten den gesamten Bibliotheksbereich im Blick. Falls sie nach der offiziellen Schließung noch Bewegungen in den Räumen registrieren, könnte ein zugeschalteter Sicherheitsdienst alarmiert werden. Mit diesem System genieße die Bibliothek eine Vorreiterrolle, erklärt Rohrßen: „Wir klären mit dem Hamburger Datenschutzbeauftragten exakt die rechtlichen Rahmenbedingungen – etwa, wie lange wir Aufzeichnungen speichern dürfen“. Die Sorge, dass uns jemand ein Buch entwendet, sei nicht der hauptsächliche Grund für die Kameras, so die Bibliothekarin. „Es spielen vor allem auch versicherungstechnische Fragen eine Rolle“.

Kontrolle und Vertrauen

Freilich hört Rohrßen von Skeptikern oft die Frage nach Diebstählen oder gar Vandalismus. Sie zitiert in diesem Zusammenhang gern die Worte eines dänischen Bibliotheksleiters zum Modell Open Library: „It’s a balance between trust and control“ – es ist eine Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle. Die ersten Versuche wurden auch in Skandinavien in kleineren Orten mit hoher sozialer Kontrolle unternommen, Finkenwerder vergleichbar. Inzwischen gäbe es aber auch in Kopenhagen Open Libraries, selbst in Vierteln, die den Ruf sozialer Brennpunkte haben. Zu nennenswerten Vorfällen kam es bisher nicht.

Rund 80 Prozent der Bibliotheksöffnungszeiten würden in Dänemark ganz ohne Mitarbeiter bestritten, weiß Rohrßen. Das Person vollständig abzuschaffen sei aber weder das Ziel der Bücherhallen, noch der Wunsch der Kunden. „Wir hören im Gegenteil oft, dass die Nutzer auf Ansprechpartner vor Ort nicht verzichten möchten“, versichert sie.

Die 24-Stunden-Bibliothek?

In der deutschen Bibliotheksszene wird das Hamburger Modell aufmerksam verfolgt. Auch andere Städte planen, es in öffentlichen Bibliotheken einzuführen. Der Westen berichtete über das Projekt der Hemer Stadtbücherei, sogar rund um die Uhr zu öffnen, das aber vorerst keine politische Unterstützung fand.

Eine öffentliche Bibliothek mit täglichen Öffnungszeiten rund um die Uhr strebt man in Finkenwerder nicht an. „Schon weil unser Bibliotheks-Management-System in der Zeit zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens die Benutzerkonten für das Berichtswesen scannt, ist hier eine Grenze“, erklärt Rohrßen. Ein Ansturm der Nachteulen wäre vermutlich ohnehin nicht zu erwarten. Die meisten Kunden wünschten sich, „den Bibliotheksbesuch flexibel in ihren Tagesablauf integrieren zu können“.

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