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Berufsbild Bibliothekar
Technische Brillanz und soziale Verantwortung

Bibliothekare gewährleisten eine am Benutzer orientierte Informationsvermittlung.
Bibliothekare gewährleisten eine am Benutzer orientierte Informationsvermittlung. | Foto (Ausschnitt): © SLUB Dresden/Henrik Ahlers - CC BY-SA 4.0

Data Librarian, Medienmanager und Integrationsinstanz: Die Aufgaben einer Bibliothekarin oder eines Bibliothekars sind vielfältig wie nie. Kann es bei so unterschiedlichen Ansprüchen noch ein gemeinsames bibliothekarisches Berufsbild geben?

Ein syrisches Mädchen wühlt in Bilderbüchern, bevor der Deutschkurs für ihre Mutter in der Stadtbücherei Ahrensburg beginnt: Die öffentlichen Bibliotheken Deutschlands sind zur wichtigen Integrationsinstanz für Flüchtlinge und Schutzsuchende geworden. Ein chinesischer Germanist ruft im Goethe-Institut Beijing Literaturdatenbanken ab, zu denen deutsche wissenschaftliche Bibliotheken auch ohne Hochschulzugehörigkeit Zugang gewähren: „Free access“ gehört zum technischen und ethischen Berufskanon des Bibliothekars. In Katar baut eine Berliner Bibliotheksdirektorin die Qatar National Library auf: Um das Kulturgut und geistige Erbe einer Nation auch unter schwierigen Bedingungen zu bewahren und mit der digitalen Transformation in die Zukunft zu führen, entwickeln Bibliothekare spezielle Methoden für Datenstrukturen und Informationszugänge. Ein Freundeskreis kämpft um die „offene Bibliothek“, die den 6.000 Einwohnern des Städtchens Glücksburg an der Ostsee intermedialen Zugang auch über die auf zehn Wochenstunden reduzierten Öffnungszeiten ermöglicht: Publikumsnahe bibliothekarische Angebote jenseits der Metropolen zu gewährleisten, gehört ebenfalls zum gültigen Berufsbild.

Die Bibliotheken definieren sich neu

Die Beispiele zeigen: Der Aufgabenbereich einer Bibliothekarin oder eines Bibliothekars orientiert sich an den absehbaren politischen, technischen, demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und möchte sie gleichzeitig positiv beeinflussen. Denn nach den überholten apokalyptischen Bildern vom Ende der Bücher, vom Kampf der analogen gegen die digitalen Speicher, vom Verschwinden offener Treffpunkte der Begegnung mit Wissen und Kultur atmen die Bibliotheken durch und definieren sich neu.

Arbeiten in der SLUB Dresden Arbeiten in der SLUB Dresden | Foto (Ausschnitt): © SLUB Dresden/Henrik Ahlers, CC BY-SA 4.0 Kann es bei so unterschiedlichen Ansprüchen überhaupt noch ein gemeinsames bibliothekarisches Berufsbild geben? Berufsverbände, Ausbildungsstätten und Arbeitsplatzbeschreibungen setzen auf die ständige Aktualisierung von Kernkompetenzen wie IT-Technik, Medienmanagement und benutzerorientierte Informationsvermittlung ebenso wie auf zusätzliche Spezialisierung in wissenschaftlichen, kulturellen und sozialen Bereichen. Diese neue Zusammensetzung von bibliothekarischen Kenntnissen, Fähigkeiten und Methoden je nach örtlich bedingter Aufgabenlage oder im Netz soll auch die in Deutschland für lange Zeiten getrennten bibliothekarischen Welten der wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken in ein neues zielgerichtetes Verhältnis zueinander setzen.

Im Dienst einer offenen Gesellschaft

Wenn die neuen Data Librarians Daten und Dokumente vornehmlich digital auffinden oder aufbereiten, ordnen, strukturieren, erarbeiten sie auch Qualitätsstandards für ihre Kolleginnen und Kollegen „vor Ort“. So dienen nach dem neuen Berufsbild Spezialisierungen wie die Unterstützung von Forschung und Lehre oder Kinder-, Jugend- und Schulbibliotheken einer gemeinsamen bibliothekarischen Zielsetzung: der schrankenlosen, nicht kommerziellen Bereitstellung von analogen wie digitalen Medien für klar definierte Aufgabenbereiche einer offenen Gesellschaft.

Galerie der Stadtbibliothek Stuttgart Galerie der Stadtbibliothek Stuttgart | Foto (Ausschnitt): © Stadtbibliothek Stuttgart (yi architects)/Martin Lorenz Das Prinzip Bibliothek kann missbraucht werden. Seine Demokratie stiftende Wirkung entfalten Forschungsbibliotheken von Exzellenz-Hochschulen ebenso wie die Kinderbibliotheken in einem sozialen Brennpunkt nur im Zusammenspiel mit freiheitlichen Rahmenbedingungen.

Politische Veränderungen lassen keine Stagnation zu

Was als technische Perfektion imponieren mag und als Veröffentlichungspraxis für jeden verstanden werden kann, verlangt Konsequenzen für den unzensierten Informationszugang, faire Copyright-Regeln und eine Neudefinition der Bibliotheken als verantwortungsvolle Datenhersteller, -moderatoren und -coachs. Auch die politischen Veränderungen der letzten Jahre lassen keine Stagnation zu. Die internationale Bibliotheksprogrammatik wurde bisher von angelsächsischen und skandinavischen Vorbildern dominiert. Aber allein die rasante Entwicklung der Schwellenstaaten und die Kriege in Nahost konfrontieren die westlichen Demokratien mit Menschen und Ideologien, deren Vorstellung von Information, Wissen und Kultur anderen Maximen folgt. Die gegenwärtige Ausbildung muss darauf reagieren.

Variationsbreite der Ausbildung

Inhalte stehen ebenso auf dem Prüfstand wie die dem Kulturföderalismus Deutschlands geschuldete Variationsbreite der Ausbildung. Bundesweit existieren drei Levels bibliothekarischer Berufstätigkeit:

  • die nach Beamtenstatus geregelte Ausbildung des Höheren Dienstes mit Hochschulabschluss und bibliothekarischer Ausbildungszeit,
  • die nach Bachelor- und Master-Studienordnungen geregelten Studiengänge in Universität und Fachhochschulen mit Zugang zu fachbibliothekarischen Arbeitsfeldern und zum gehobenen Dienst in Beamtenarbeitsverhältnissen,
  • die duale Ausbildung von Fachangestellten oder Beamten des mittleren Dienstes. 

Nachhaltige bibliothekarische Ausbildung Nachhaltige bibliothekarische Ausbildung | Foto (Ausschnitt): © yossarian6 - Fotolia Bibliothekarische Professionalität besteht weiterhin aus den Faktoren Bildungsabschluss, Tätigkeitsmerkmale und tariflicher oder tarifähnlich gestaffelter Bezahlung. Die vielfältigen Facetten digital oder sozial orientierter Bibliotheks- und Informationsarbeit haben diese Faktoren neu definiert, kombiniert und bei Spezialanforderungen oder kurzfristigem Bedarf auch ignoriert. Die auf Bibliothek und Information spezialisierten staatlich geführten Studiengänge in Berlin, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig und Stuttgart stehen für Fortentwicklung, Innovation, aber auch Nachhaltigkeit der bibliothekarischen Ausbildung. Sie besitzen den notwendigen Praxisbezug, können Projekte mit Drittmitteln realisieren und bieten potenziellen Studierenden ein transparentes Lehr-, Forschungs- und Weiterbildungsprofil. Als Departments und Fakultäten von Hochschulen offerieren sie außerdem interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Alte Rechte und neue Chancen

Daneben entdecken immer mehr Studiengänge in den Bereichen IT, Medienwissenschaften, Sozialwissenschaften und Kulturmanagement das Arbeitsfeld Bibliotheken. Viele Bibliotheken beschäftigen bereits ihre Absolventen. Sind IT-Spezialisten für die Aufbereitung von Forschungsdaten nicht mindestens ebenso geeignet wie Absolventen eines fachwissenschaftlichen Studiums mit bibliothekarisch orientierter IT-Kompetenz? Findet der Sozialarbeiter neben der bibliothekarisch versierten Kennerin der Medieninhalte nicht sehr wohl eine Funktion? Wer hier auf alte Rechte pocht, verpasst neue Chancen!

Es ist kein Zufall, dass die IFLA, die Weltorganisation der Bibliotheken und ihrer Beschäftigten, die Ethik des Berufsstandes und die Weiterbildung in den Fokus ihrer Programmatik und Leistungsstandards rückt. Datenbanken, Buchbestände, Experten und atemberaubende Bibliotheksarchitektur bedeuten wenig, wenn sie nicht mit dem Willen und der Fähigkeit zu allgemeiner Wohlfahrt in Freiheit im Einklang stehen.

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