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Diversity-Management
„Die öffentliche Bibliothek als offenen Raum gestalten“

Zwei Frauen sitzen an einem Tisch und lesen in Zeitschriften, an der Wand hängen viele Porträtfotos
Eingangsbereich der Stadtbibliothek Bremen mit Portraitfotos der Nutzerinnen und Nutzer | Foto (Ausschnitt): © Stadtbibliothek Bremen

Wie stellen sich Bibliotheken auf die wachsende Vielfalt der Gesellschaft ein? Britta Schmedemann, Spezialistin für Zielgruppenarbeit an der Stadtbibliothek Bremen, über Strategien des Diversity Managements.

Frau Schmedemann, wann ist Diversity Management in öffentlichen Bibliotheken zum Thema geworden?

Das lässt sich so pauschal nicht sagen, weil es stark von der jeweiligen Bevölkerungsstruktur im Umfeld einer Bibliothek abhängt. Einige Bibliotheken haben sich schon früh auf die Arbeitsmigranten in Deutschland eingestellt, die sich weiterbilden oder in ihrer Muttersprache etwas lesen wollten. Andernorts ist erst mit der neuen Generation von Flüchtlingen mehr Bewusstsein für die Notwendigkeit von Diversity Management entstanden.
 
Also geht es vor allem darum, auf Migration zu reagieren?

Nein, nicht nur. Wir schauen vielmehr, wo Unterschiede in der Gesellschaft bestehen, und wie wir als Bibliothek mehr Chancengleichheit gewährleisten und Verständnis füreinander schaffen können. Das bezieht sich auch auf das Einbinden von Menschen mit Behinderung oder mit Bildungsnachteilen. Ebenso wichtig ist Gender-Mainstreaming, also die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter.
 
Welche Maßnahmen sind notwendig, um mehr Chancengleichheit zu schaffen?

Britta Schmedemann Britta Schmedemann | Foto (Ausschnitt): © Privat Das kommt auf die Zielgruppe an. Bleiben wir beim Beispiel Migration: Hier ist es wichtig, die Zuwanderer und Flüchtlinge selbst, aber auch die Gruppe der Helfer sowie die einheimische Bevölkerung im Blick zu haben, die ja die Menschen aus anderen Kulturen kennenlernen soll. Für jede dieser Gruppen haben wir eigene Medien und Angebote.
 
Für Flüchtlinge zum Beispiel Bücher auf Arabisch?

Die gibt es bei uns schon lange. Wir haben bereits in den 1980er-Jahren begonnen, Bücher in Sprachen zur Verfügung zu stellen, die über den Bildungskanon mit Englisch, Französisch und Spanisch hinausgehen. Dazu zählen Persisch, Arabisch, Türkisch, Kurdisch oder Russisch. Wichtig ist aber vor allem, die Bibliothek so zu gestalten, dass sie nicht nur ein öffentlicher, sondern auch ein offener Ort ist. Hier sollen sich Menschen aus verschiedenen Kulturen und Kontexten wohlfühlen. In Bremen haben wir im Eingangsbereich ein Kunstobjekt aus 300 Portraitfotos aufgehängt, überwiegend von Kundinnen und Kunden der Bibliothek. Es zeigt, wie verschieden die Menschen sind, die zu uns kommen: Da findet sich der Punk neben dem Polizisten.
 
Wurde in Bremen ein Gesamtkonzept für das Diversity Management entwickelt oder haben Sie Schwerpunkte gesetzt?

Unsere Bibliothek hat 2010 eine Diversity Strategie entwickelt und in ihr Leitbild aufgenommen. Zusammengefasst geht es darum, die Pluralität der Gesellschaft zu respektieren, die Grundsätze des Gender-Mainstreamings zu beachten und die intra- wie interkulturelle Integration zu fördern. Dazu gehört natürlich auch, in die Communitys zu gehen und nachzufragen: Was braucht ihr von uns als Bibliothek? Wo haben wir in unseren Angeboten noch einen blinden Fleck?
 
Wird diese Strategie auch auf die internen Abläufe an Ihrem Haus angewendet?

Ja. Wir haben zum Beispiel interkulturelle Trainings für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angeboten, die darauf zielten, über Selbstreflexion den Umgang mit dem Anderssein zu lernen. Was bedeutet es, in eine neue Gesellschaft zu kommen und die Regeln noch nicht zu kennen? Was heißt es, eine fremde Schrift erlernen zu müssen? Wir haben unsere Namen auf Arabisch geschrieben und gemerkt, wie krakelig die Schrift im Vergleich zu der von Muttersprachlern aussieht. Solche Übungen schaffen Akzeptanz dafür, dass Flüchtlinge unsere Anmeldeformulare vielleicht nicht so leserlich ausfüllen, wie wir das gerne hätten.
 
Die Stadtbibliothek Bremen hat 2016 den Bremer-Diversity-Preis gewonnen. Wie lässt sich erfolgreiches Diversity Management messen?

Die Statistiken erfassen nur, wie viele Kinder oder Erwachsene einen Bibliotheksausweis bei uns besitzen, wer Arbeitslosenermäßigung bekommt. Weitere Auskünfte sind immer auf freiwilliger Basis und deshalb statistisch gesehen nicht sehr aussagekräftig. Aber wir schauen, welches Publikum im Haus ist.
 
Holen Sie auch Feedback ein?

Ja. Ein schönes Erlebnis hatten wir mit der neuen Generation von Flüchtlingen. Sehr viele haben den Weg zu uns nicht nur über die Angebote gefunden, die wir in Flüchtlingsunterkünften gemacht haben, sondern weil Stammkundinnen und -kunden uns empfohlen hatten. Gefreut hat es uns auch, als die Moschee-Gemeinde vor Ort den Leiter einer unserer Zweigstellen angesprochen hat, ob nicht in der Bibliothek das religiöse Fest des Fastenbrechens stattfinden könnte, weil es eine gemeinsame Feier für den ganzen Stadtteil werden sollte. 
 
Hat sich das Bewusstsein für die zielgruppenorientierte Arbeit in öffentlichen Bibliotheken mittlerweile durchgesetzt?


Ja. Unter den kulturellen Einrichtungen sind die Bibliotheken sogar Vorreiter, das bekommen wir auch oft gespiegelt, zuletzt etwa von der Kulturstiftung des Bundes. Dort hieß es, Theater und Museen seien in ihren Diversity Strategien mehrheitlich längst nicht so weit wie Bibliotheken. Meiner Meinung nach gelingt es uns gut, eine Brücke für breite Schichten der Bevölkerung zu bauen, weil wir sowohl Hochkultur anbieten, als auch niedrigschwellige Zugänge schaffen.
 
Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?

Sicherlich spiegelt sich in unseren Mitarbeiterteams die Vielfalt der Gesellschaft noch nicht genügend wider, wir sind nach wie vor sehr deutsch besetzt. Damit verbunden ist aber auch die Aufgabe, mehr Lobbyarbeit für unseren Beruf zu betreiben. In vielen arabischen Kulturen etwa steht der Bibliothekar in der Hierarchie der Berufe ganz unten und gilt als jemand, der für nichts anderes geeignet war. Hier müssen wir Interesse wecken und vermitteln, dass es in Deutschland ein Beruf ist, der einem viele Möglichkeiten bietet. 

Britta Schmedemann ist seit 2013 Spezialistin für bibliothekarische Zielgruppenarbeit in der Stadtbibliothek Bremen. Seit Juli 2015 ist sie außerdem Mitglied in der Fachkommission für Interkulturelle Bibliotheksarbeit des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv).

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