Neyyire Perran Doğancı Die erste Architektin mit eigenem Architekturbüro
Neyyire Perran Doğancı bejahte den auf Freiheit und Demokratisierung gerichteten Wandel in der Architektur der 1950er Jahre, die sich unter dem Einfluss von politischen, ökonomischen und kulturellen Veränderungen dem internationalen Modernismus zuwendete. Sie gehörte zu den Pionieren einer neuen Ära, was Architekturdesign und Arbeitsmethoden betraf.
Doğancı war in Istanbul geboren. Noch während ihrer Gymnasialzeit starb ihr Vater, ein Arzt, in dessen Fußstapfend tretend sie ein Jahr lang Medizin studierte. Dann aber begann sie an der Technischen Universität Istanbul (ITÜ) das Architekturstudium, um ihren Traumberuf zu verwirklichen. Nach ihrem Examen im Jahr 1951 beschloss sie, als freie Architektin zu arbeiten. Die Kooperation mit Fatin Uran währte nur kurz, dann eröffnete sie ihr eigenes Büro. Damit war Doğancı zu jener Zeit eine der wenigen jungen Architekten, die es vorzogen, nicht für eine staatliche Institution zu arbeiten, sondern auf dem freien Markt mit einem privaten Büro zu bestehen. Und sie war die erste Frau, die sich mit ihrer Firma ganz allein als freie Architektin behauptete und sich keinen Partner nahm, wie das aus wirtschaftlichen Gründen allgemein üblich war.
Obwohl in jener Zeit die meisten Bauaufträge von staatlichen Stellen kamen und private Aufträge vergleichsweise selten waren, bestand ihr erster Auftrag in der Planung und Bauausführung des ersten Privattheaters der Türkei, das dem Schauspieler Muammer Karaca gehörte. Sie öffnete ihr Büro für Architekturstudent*innen und frisch examinierte Architekt*innen und bot in den 1950er und 60er Jahren ein kollektives, kreatives Arbeitsumfeld. Mit wechselnden Arbeitsgemeinschaften nahm sie an Wettbewerben teil und gewann viele Preise. Unter anderem gewann sie 1957 mit Altay Erol, Süleyman Giritlioğlu und Cavit Özedey die Ausschreibung für die Bankfiliale der Türkiye İş Bankası in Kadıköy mit Dienstwohnungen und 1959 mit Yılmaz Ergüvenç, Kadri İlal und Zafer Koçak den ersten Preis im Wettbewerb um den Campus der Ege Universität.
Nachdem sie zu Beginn der 1970er Jahre für einige Zeit in Deutschland in der Stadt Freiburg als Architektin gearbeitet hatte, kehrte Doğancı in die Türkei zurück, wo sie viele Wohnhäuser, Bürogebäude und Schulen entwarf und baute. Sie befasste sich außerdem mit Restauration, z.B. restaurierte sie in den 1980er Jahren mit Zafer Koçak in Bursa das Hotel Çelik Palace.
Perran Doğancı (zweite Reihe vierte von links, stehend), Prof. Hess und Kommiliton*innen im Studienraum des in Gümüşsuyu gelegenen Nebengebäudes der Architekturfakultät der Technischen Universtität Istanbul, 1949
Bebauungsvorschlag für das Gebiete Bernhalde in Tübingen, 1973
(1928-2013) Neyyire Perran Doğancı
Doğancı, die als starke und dabei bescheiden auftretende Persönlichkeit bekannt war, beendete im Jahr 2000 nach fast 50 Jahren ihr Berufsleben. Sie starb 2013 in Istanbul. Im Verband Freier Türkischer Architekten Istanbuls (İSMD) ist sie Ehrenmitglied.