Theater NSU / Auch Deutsche unter den Opfern

NSU / Auch Deutsche unter den Opfern © Yücel Kursun

Mi, 04.04.2018 –
Mi, 18.04.2018

20:30 Uhr

Kumbaracı50

Autor & Regisseur: Tuğsal Moğul | Übersetzung: Inci German |Regieassistenz: Gamze Güzel | Mit: Ceren Sevinç, Deniz Gürzumar, Ismail Sağır | Choreographie: Senem Oluz | Technik: Mücahit Ali Pala, Güray Doğru | Verlag: Rowohlt-Theaterverlag

Eine Produktion der Kulturakademie Tarabya in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut und Kumbaraci50.

Zwei Bombenanschläge, 15 Raubüberfälle, zehn Morde – darunter neun Menschen mit griechischer, türkischer und kurdischer Herkunft: Das ist die traurige Bilanz des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Die Verbrechen des NSU enden im Jahr 2011: Die Täter Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos werden tot in einem ausgebrannten Wohnmobil aufgefunden, vier Tage später stellt sich Beate Zschäpe der Polizei.

Der NSU-Prozess ist einer der wichtigsten und bedrückendsten Prozesse in der jüngeren deutschen Geschichte: Er dauert bereits mehr als 400 Verhandlungstage an. 2018 geht er ins fünfte Jahr. Pro Tag kostet die Verhandlung 150 000 Euro. Je länger der Prozess dauert, umso beklemmender sind die Einblicke in deutsche Abgründe der Nachwendezeit. Jahrelang wurde den Opfern mit Migrationshintergrund eine Verwicklung in die Machenschaften der organisierten Kriminalität unterstellt – gleichzeitig schlossen nahezu sämtliche mit der Sache befasste  Beamte einen rechtsextremen Hintergrund der Täter aus. Was wäre gewesen, wenn die Opfer deutsche Namen und die Täter nichtdeutsche Namen getragen hätten?

Tuğsal Moğul versammelt nach intensiver neunmonatiger Recherche Fakten und Aussagen, Polizeimeldungen und Politikerstatements zu der NSU-Mordserie und zu rechter Gewalt. Dieser Abend – der mit den unterschiedlichsten Mitteln arbeitet, der mal klassisches Dokumentar-Theater und mal bitterböse Satire ist, der die Morde der Terrorgruppe rekonstruiert und zugleich eine Prognose über den Ausgang des Prozesses wagt – verwandelt sich in ein theatrales Totengebet. Dabei wird immer wieder die Frage gestellt: Wie konnte es soweit kommen und welchen Anteil hat jeder einzelne daran?

Tuğsal Moğuls Stück Auch Deutsche unter den Opfern wurde im Januar 2015 in der Regie des Autors am Theater Münster uraufgeführt und bekam die Einladung zu den Autorentheatertagen am Deutschen Theater Berlin. Weitere Gastspielorte waren u. a. der Heidelberger Stückemarkt, Made in Germany Stuttgart, Unbekannte Nachbarn Zwickau. 2016 wurde das Stück in Hamburg mit dem Monica Bleibtreu Preis als Bestes Zeitgenössisches Drama ausgezeichnet und 2017 vom WDR als Hörspiel vertont.

Medienecho zu Moğuls Theaterstück NSU / Auch Deutsche unter den Opfern

Tuğsal Moğul wurde 1969 in Neubeckum/Westfalen geboren. Der diplomierte Schauspieler, Regisseur, Anästhesist und Notarzt studierte neun Jahre parallel Medizin an den Universitäten Hannover, Wien und Lübeck sowie Schauspiel an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Neben seinem Teilzeitjob als Arzt in einem Lehrkrankenhaus in Münster arbeitet Moğul als Autor und Regisseur. Sein Debütstück Halbstarke Halbgötter wurde 2011 zum Heidelberger Stückemarkt eingeladen. In ihm kommen Ärzte zu Wort, in Somnia hingegen Patienten auf einer Intensivstation und in Die Angehörigen schließlich Angehörige von Schwerkranken. Die Stück-Trilogie entstand in Zusammenarbeit mit seinem Ensemble Theater Operation. 2013 hatte sein Stück Die deutsche Ayse am Theater Münster Premiere. Die Produktion wurde bei den NRW-Theatertagen 2014 mehrfach ausgezeichnet, sie wurde zum „Talking About Borders“ Festival in Nürnberg und zu „Made in Germany“ in Stuttgart sowie zu zahlreichen weiteren Gastspielen eingeladen.

Weitere Arbeiten von Tuğsal Moğul laufen u. a. am Ballhaus Naunynstraße Berlin, am Theater an der Glocksee Hannover und am Theaterhaus Stuttgart. Am Theater Osnabrück inszenierte er 2016/17 bereits die Uraufführung von Anis Hamdouns Stück Die unbekannte Stadt mit dem OSKAR-Ensemble.

Von Dezember 2017 bis Februar 2018 lebte und arbeitete Tuğsal Moğul als Stipendiat der Kulturakademie Tarabya in Istanbul.

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