Gemeinsame Nutzung
Wie eine Gemeinde ihre Stadt verändert

Öffentlicher Garten "Samosad"
Öffentlicher Garten "Samosad" | Foto: facebook.com/samosad

Die Gemeinde in Podil, dem historischen Stadtteil der ukrainischen Hauptstadt, setzt sich aktiv für den öffentlichen Raum in ihrer Umgebung ein und praktiziert auch den partizipativen Urbanismus, indem sie bei den Überlegungen üben die Rekonstruktion des zentralen Platzes des Bezirks Interessen unterschiedlicher Gruppen vereinbart.

Die Kiewer lieben ihren Stadtteil Podil mit seinen engen Gässchen zum Spazieren und gemütlichen Cafés. Vielleicht das einzige Stückchen klassisch europäischen Städtebaus in der ukrainischen Hauptstadt, ist Podil auch dank seinen Bewohnern so liebenswert. So legten sie zum Beispiel eigenhändig einen kleinen öffentlichen Garten Samosad dort an. 

Aktive Gemeinde

Die heutige Gemeinde in Podil ist schon lange aktiv. Menschen verschiedenen Alters mit unterschiedlichen Ansichten kümmern sich gemeinsam um historische Orte, die gleichzeitig zu Problemzonen des Stadtteils gehören, wie die Straße der Künstler Andreassteig und das alte Handelshaus. Vergleicht man sie mit anderen Graswurzelbewegungen, ist diese die effektivste. Die Anwohner dort haben etwas zu schützen: Architektur, Geschichte und Kultur des Stadtteils sind einzigartig.
 
So traf der Bürgermeister auf hartnäckigen Widerstand, als er Mitte Februar 2015 ohne Vorankündigung die Restaurierung eines Brunnens auf dem zentralen Podil-Platz Kontraktowa anordnete. Die aktive Gemeinde in Podil erwartete, dass man sich mit ihnen abspricht. Wie diese Sache ausgeht, war von Anfang an klar – kaum war der Bauzaun um den Brunnen aufgestellt, wurde er schon wieder demontiert. Tags drauf diskutierte man lautstark und überredete dann den Bürgermeister dazu, gar nichts zu restaurieren. Schlussendlich wurden anstelle des „Brunnens des Philosophen Skoworoda“ neue Parkbänke platziert.

Partizipativer Urbanismus in der Praxis

Parallel zur aufsehenerregenden Brunnengeschichte entfaltete sich eine zweite, und zwar rund um einen anderen Ort am Kontraktowa-Platz. Der Bereich war früher eine Grünzone, die jetzt mit Kiosken und kleinen Verkaufsständen total zugestellt ist. Anfang 2015 inspizierte die Stadtverwaltung  den Bereich und erklärte, dass alle Behelfsbauten abgerissen und stattdessen ein „kleines Einkaufszentrum“ entstehen sollte.
 
Die Kioskbesitzer waren natürlich gegen diese Umgestaltung, aber die Podiler Verwaltung bot ihnen die Zusammenarbeit mit dem Architekten Stanislaw Djomin an. Stanislaw gründete auf Facebook eine Gruppe, in der mögliche Varianten der Zusammenarbeit zwischen den Lokalbehörden, den Architekten, Anwohnern, Aktivisten und Kleinstunternehmern besprochen wurden. Alle Parteien erhofften sich durch diese Kommunikation aller Beteiligten eine in Kiew erstmalige gemeinsame Problemlösung. Partizipativer Urbanismus in der Praxis.
 
Die Podiler Verwaltung organisierte mehrere Bürgertreffen, bei denen deren Argumente angehört wurden. Das Resultat war die Gründung einer Koordinierungsgruppe wiederum aus Architekten, Anwohnern, Aktivisten, der Podiler Verwaltungsleitung und Kioskbesitzern.
 
Die Kleinstunternehmer wurden vor die Wahl gestellt: entweder finanzieren sie die Rekonstruktion dieses Bereichs oder jemand anderes kommt und die Kioske sind Geschichte. Da sie aber sowieso bereit waren, Geld für die Erneuerung des Platzes auf den Tisch zu legen, baten sie die Architekten, die Quadratmeter für den erlaubten Handel nicht zu stark zu minimieren. 
 
Auch die Anwohner und Aktivisten wollten die Kioske nicht komplett verschwinden lassen, weil sie bei vielen fürs Essen und Trinken beliebt sind. Trotzdem stimmten alle zu, dass der Bereich am Ende offen, ordentlich und schön aussehen und nicht mit metallenen Behelfsbauten zugestellt sein soll.
 
Die Architekten hörten sich all diese Wünsche an und erarbeiteten drei Projektvorschläge, aus denen dann eine Konzeption ausgewählt wurde. 

Zwischenstopp

Dieser reibungslose Ablauf wurde aber plötzlich angehalten. Den Stopp bedingte eine Ausschreibung für den gesamten Kontraktowa-Platz, die die Stadtverwaltung  veranlasste. Dadurch wurde die Idee einer gemeinsamen Verbesserung des Bereichs durch Teilnahme aller interessierten Gruppe nivelliert.
 
Die Mitglieder der Koordinierungsgruppe wurden jedoch zwecks höherer Transparenz und Effektivität in eine Ausschreibungsjury eingeladen, und man ist dabei, ein gemeinsames Projektteam zu bilden, das die zukünftigen Architekturprojekte am Kontraktowa-Platz erarbeiten soll.

 
Momentan ist der Beginn der Umstrukturierungsarbeiten nicht bekannt. Obwohl also die Entwicklungen und Wünsche der Koordinierungsgruppe einbezogen wurden, ist die Rekonstruktion des Platzes auf Eis gelegt. Für das Projekt fehlt das Geld aus dem Stadtbudget. Und hier ist wiederum die aktivste Gemeinde Kiews gefragt, die auf eine schnellstmögliche Projektrealisierung drängt.