Smart Cities
Kyiv Smart City

Kyiv Smart City Hub | Foto: facebook.com
Foto: facebook.com

Online-Petitionen ans Kiewer Stadtparlament, Open Budget, WLAN-Verbindung in der Kiewer U-Bahn können als Erfolg der Initiative Kyiv Smart City verbucht werden. In unserem Gespräch erzählt der Projektleiter Jurij Nazarov über Ergebnisse, laufende Projekte und Pläne für die Zukunft.
 

VOM POSTSOWJETISCHEN ERBE ZUR REGIERUNGSTRANSPARENZ

Herr Nazarov, könnten Sie uns erzählen, wie die Initiative entstand und welche Schwerpunkte sie heute hat?

Zu Beginn stand die Forderung der Kiewer Bürger nach mehr Transparenz bei der Budgetverwaltung. Der Bürgermeister wollte im Gegensatz zu mehreren Stadtbeamten, denen es schwerfiel, sich an neue Ideen zu gewöhnen, diesem Anliegen entsprechen. Sie sind mit dem Status quo zufrieden und scheuen Veränderungen. Solche Leute stellen sich Reformen natürlich entgegen. Bei der Einführung von Open Budget war dieser Umstand besonders deutlich zu erkennen. Nicht nur einmal musste der Bürgermeister den Weg freiboxen. 

Bei der Realisierung der Haushaltstransparenz haben wir dann erkannt, dass es sinnvoll wäre, das Projekt Open Budget in ein ganzheitliches Ökosystem einzubetten. So entstand die Idee: In Kooperation zwischen Aktivisten, Experten und der Kiewer Stadtregierung wurde das Konzept Kyiv Smart City 2020 ausgearbeitet.

Demzufolge zielen unsere Aktivitäten auf zwei Bereiche: Durchführung aktueller Projekte und Ausarbeitung eines weiterführenden Konzeptes.

Die Stadt kann sich über einen Mangel an Problemen nicht beklagen. Kiew ist eine postsowjetische Metropole mit einer veralteten Infrastruktur. Verkehr, Medizin, Müllentsorgung – das alles verdient unsere Beachtung. Man muss auch berücksichtigen, dass die Bevölkerungszahl in der Stadt gewachsen ist, nachdem die Menschen aus dem Osten der Ukraine flüchteten und nach Kiew übergesiedelt waren.

Bei der Projektentwicklung führten unsere Experten tausende Gespräche mit Aktivisten, High-Tech-Firmen, aber auch mit einfachen Bürgerinnen und Bürgern. Dadurch wurden fünf Bereiche definiert, die vorrangig der Verbesserung bedürfen: Verkehr, kommunale Hauswirtschaft, medizinische Versorgung, Sicherheit und Stadtverwaltung. Die Mehrzahl der Projekte, an denen wir heute arbeiten, hat auf die eine oder andere Weise mit diesen Bereichen zu tun.

PARTIZIPATION DER BÜRGER

Jurij Nazarov, Leiter der Initiative "Kyiv Smart City" Jurij Nazarov, Leiter der Initiative "Kyiv Smart City" | Foto: platfor.ma Können Sie uns genauer erklären, wie die Budgettransparenz funktioniert?

Die Bürgerinnen und Bürger können freien Einblick in das Finanzgebaren der Stadt nehmen.
In einem nächsten Schritt soll es auch möglich sein, auf die Verteilung der Ausgaben Einfluss zu nehmen. Die Partner aus dem National Demographic Institute haben uns auf die Erfahrungen kanadischer und amerikanischer Städte hingewiesen. Man nennt das Participation Budget:  Bürgerinnen und Bürger können per Umfrage ihre Meinung zur weiteren Entwicklung der Stadt äußern. Die Ergebnisse werden dann bei der Budgetgestaltung berücksichtigt.

An unseren Umfragen nahmen fast 10.000 Bürgerinnen und Bürger teil. Alles geschah im Eiltempo: im Oktober haben wir das Projekt gestartet und bereits im November wurde ein Budget verabschiedet, in dem die Umfrageergebnisse einkalkuliert wurden.

Aber was wäre, wenn die Kiewer das Geld nur für Partys ausgeben wollten? Würden ihre Wünsche dann auch berücksichtigt?

Die Ergebnisse der Umfragen haben grundsätzlich nur empfehlenden Charakter. Nach wie vor obliegt es dem Stadtparlament, ein Budget auszuarbeiten. Vorschläge können demgemäß angenommen, aber auch abgelehnt werden.

Wie können die Bürgerinnen und Bürger an der Weiterentwicklung von Kyiv Smart City partizipieren?

Wir sind offen für Vorschläge. Jeder kann zu uns mit Ideen, Start-Ups kommen. Für eine optimale Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft haben wir Kyiv Smart Hub gegründet, ein Forum und gleichzeitig ein Bürgerzentrum für Stadtentwicklung. Menschen können dort ihre Vorschläge präsentieren, eine Expertise einholen, und für gute Ideen auch Unterstützung bekommen. 

ERFAHRUNGSAUSTAUSCH UND NETZWERKBILDUNG

Welche Städte sind ein innovatives Vorbild für Sie?

Wir profitieren von den Erfahrungen unserer ausländischen Kollegen. Das Open Budget haben wir von Boston übernommen. Für das System der kommunalen Vermögensverwaltung war Wien vorbildhaft. Im Bereich Verkehr haben wir von London gelernt, im Bereich der drahtlosen Technologien von Barcelona. Die Idee des Participation Budget haben wir von Montreal - der kanadischen Musterstadt in Sachen Demokratie – übernommen.

Arbeiten Sie auch mit anderen ukrainischen Städten zusammen?

Die Kooperation zwischen den Städten wird laufend vertieft und die Idee der Smart City verbreitet sich weiter.

Früher gab es eine ungesunde Konkurrenz zwischen den Städten, weil jeder seine eigenen Spielchen spielte, Informationen und Ideen nicht teilte, sich separat entwickelte. Im Gegensatz dazu werden heute Erfahrungen aktiv ausgetauscht. Unser Wissen präsentieren wir in verschiedenen Regionen des Landes, die zu uns wiederum ihre Experten schicken.

Denken Sie an neue Dimensionen für das Projekt? Ist ein Projekt wie Ukraine Smart Country in der nächsten Zukunft vorstellbar?

Das ist echt mein Traum! Obwohl das Projekt momentan noch auf die lokale Ebene beschränkt ist, zeigen immer mehr Städte Interesse daran. Und ich hoffe, dass unsere Initiative weiter wächst.