Theaterräume
Guckkasten, Portal, Raumbühne

Theater Heidelberg – Marguerre-Saal
Theater Heidelberg – Marguerre-Saal | Foto (Ausschnitt): © waechter+waechter architekten bda

Theaterräume wandeln sich. Jetzt, da viele Theater saniert werden und es in seltenen Fällen zu Neubauten kommt, stellt sich die Frage: Wie bauen, damit das Ensemble aus Bühne und Zuschauerraum heutigen Anforderungen genügt?

Die Guckkastenbühnen, die im 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts als Repräsentationsräume des Adels gebaut wurden, beherbergen in vielen deutschen Städten bis heute die Stadttheater. Ihr besonderes Merkmal: Logenränge, in denen der Adel sich zeigen und unter sich bleiben konnte. Als das erstarkende Bürgertum die Zügel in die Hand nahm, wurden die Theater immer noch nach dem Vorbild höfischer Bühnen geplant. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als Neubauten viele der im Krieg zerstörten Theater ersetzten, erhielt das Ensemble aus Zuschauerraum und Bühne einen sachlicheren Zuschnitt. In vielen Städten entschied man sich für getrennte Opern- und Schauspielhäuser.

Loge und Orchestergraben

Das kam vor allem dem Schauspiel zu Gute. Es spielte plötzlich in Räumen ohne Logen und Orchestergraben. Die Szene rückte näher an das Publikum, leisere Kammerspieltöne wurden möglich. Heute, da die Gebäude und technische Ausrüstung vieler Theater sanierungsbedürftig sind und es wie in Heidelberg zum seltenen Fall eines Theaterneubaus unter Nutzung der alten Substanz kommt, hat man die Möglichkeit, sich erneut die Frage zu stellen: Wie sollten Bühnen- und Zuschauerräume gestaltet sein, dass sie den Anforderungen des zeitgenössischen Theaters genügen.

Es gilt der Lehrsatz des Designs: Form follows function. Der Spielbetrieb deutscher Stadttheater und Schauspielhäuser ist dem Repertoire-System verpflichtet. Die bauliche Gestaltung und technische Ausrüstung der Theater kann also nur vom Repertoirebetrieb aus gedacht werden. Spielpläne mit täglich wechselnden Produktionen stellen ganz eigene Anforderungen an die Logistik eines Theaters. Die immer wieder diskutierte Raumbühne zum Beispiel, in der es keine Trennung von Bühnen- und Zuschauerraum gibt und je nach Inszenierung ganz eigene Raumlösungen möglich sind, eignet sich nicht unbedingt für ein Repertoiretheater.

Repertoire versus En Suite

Dieser Ansicht ist Jan Pappelbaum, Bühnenbildner und Ausstattungsleiter an der Berliner Schaubühne, der im Herbst 1999 mit Thomas Ostermeier an das Theater am Lehniner Platz kam und dort eine Raumbühne vorfand. Der Mendelsohn-Bau ist ein einziger riesiger Raum, den man in drei Spielstätten teilen kann, die wiederum ganz unterschiedlich gestaltbar sind. Aber, so Pappelbaum: „Das nützt uns so viel nicht. Dieses ‚endlich können wir alle bekannten und unbekannten Formen eines Theaterraums herstellen‘ wäre sinnvoll, würden wir en suite spielen. Tun wir aber nicht. Unsere Inszenierungen sind zwei bis maximal fünf Mal am Stück auf der Bühne und da wäre der Aufwand viel zu groß, den Raum jedes Mal in seinen Grundprämissen zu verändern.“

Dass Raumbühnen eher für ein En-suite-Theater geeignet sind, gilt vor allem in Zeiten, in denen der Theaterbetrieb sich einer immer größeren Beschleunigung ausgesetzt sieht. Das ist seit einigen Jahren so und hat zur Folge, dass die Anforderungen in Bezug auf den Wechsel von Bühnenbildern und die Neueinrichtung von Licht und Ton stetig steigen. Bühnen sollten also möglichst vielseitig nutz- und wandelbar sein. Vor allem aber, so Jan Pappelbaum, ist anzustreben, dass der Grundraum möglichst schnelle Auf- und Abtritte ermöglicht. „Es geht um den Zuschnitt der Bühne, aber auch um das Umfeld, also die Hinterbühne und die Nebenbühnen. Das sollte so zugeschnitten und mit Seilzügen und Hubpodien ausgestattet sein, dass ich als Bühnenbildner nicht in die Verlegenheit komme, Auf- und Abtritte mit dem Bühnenbild erst herstellen zu müssen.“

Charmante Ästhetik

Die Konsequenz: Im Fall eines Neubaus oder einer Theatersanierung geht es um Raumlösungen und technische Details, die kurze Umbauzeiten ermöglichen. Jan Pappelbaum spricht von einer „charmant zurückgenommenen Ästhetik“, die solche Räume haben sollten. Neben derart praktischen Fragen geht es aber auch um die Dimensionierung von Theaterräumen. Das gilt vor allem, wenn sie nur für das Schauspiel gebaut werden.

Die Grundregel lautet: Nicht zu groß. Das Frankfurter Schauspiel zum Beispiel, das 1963 in den Neubau am Willy Brandt-Platz einziehen konnte, wartet mit der größten Schauspielbühne im deutschsprachigen Raum auf. Vorteilhaft ist das nicht. „In der Oper sind derart voluminöse Räume unproblematisch“, meint Jan Pappelbaum. „Im Schauspiel dagegen bekommen Regisseure alleine schon deshalb Probleme, weil nicht viele Schauspieler derart große Räume auratisch beleben können. Ganz häufig muss das Bühnenbild die Verhältnisse dann wieder zurechtrücken.“

Nähe von Bühne und Zuschauer

Aber auch für das Frankfurter Schauspiel gilt: Es wurde nach dem zweiten Weltkrieg gebaut und hat nicht mehr das klassische Portal aus der Zeit der Fürstenbühnen. Die Zuschauer sitzen nah an der Cinemascope-Bühne. Der Zuschauerraum kann also leichter ins Bühnenbild mit einbezogen werden, als das bei einer klassischen Guckkastenbühne der Fall ist. Die größtmögliche Nähe von Bühne und Zuschauer sollte also ein Leitmotiv im Fall eines Theaterneubaus sein, auch wenn es wie in Heidelberg um eine Spielstätte geht, die gleichermaßen von Oper und Schauspiel bespielt wird.