TransStar Europa
Das Literatur- und Übersetzungsprojekt der EU wirkt weiter

Sammelband der ukrainischen Übersetzungen als Ergebnis der Übersetzerwerkstatt
Sammelband der ukrainischen Übersetzungen als Ergebnis der Übersetzerwerkstatt | Foto: Verlag Krytyka

TransStar Europa heißt ein Literatur- und Übersetzungsprojekt, bei dem zehn europäische Institutionen aus Deutschland, der Ukraine, Kroatien, Tschechien, Polen und Slowenien von 2013 bis 2015 zusammen gearbeitet haben. Ziel des Projekts war es, kleinere europäische Sprachen und weniger integrierte europäische Kulturen besser auf der mentalen Karte Europas zu verankern. Die Kiewer Schewtschenko-Universität und das Goethe-Institut Ukraine waren dabei Projektpartner.

Welche Ergebnisse hat das Projekt nach drei Jahren speziell für den Literaturaustausch zwischen Deutschland und der Ukraine erbracht?

Die Personen

Im Laufe des Projekts hat sich eine neue Übersetzergeneration herausgebildet. Die insgesamt 50 jungen Übersetzerinnen und Übersetzer haben ihre Fähigkeiten durch intensive Workshops mit erfahrenen Moderatoren ausgebildet. Auch die Vernetzung untereinander und die Erfahrungen im Kulturmanagement und bei  öffentlichen Auftritten auf Buchmessen in Kiew, Lwiw, Frankfurt und Leipzig haben die Teilnehmer fit gemacht für die Herausforderungen des Berufsalltags.
Für die Übersetzungsrichtung Deutsch-Ukrainisch waren beteiligt: Valentyna Bilokrynytska, Olga-Daryna Drachuk, Olha Kravchuk, Mykola Lipisivitskij und Yuliya Mykytuk. Diese Gruppe wurde von Jurko Prochasko, dem Lemberger Übersetzer, Essayist und Publizisten fachlich betreut.
Für die Übersetzungsrichtung Ukrainisch-Deutsch arbeiteten unter der Leitung von Claudia Dathe (Universität Tübingen): Constanze Aka, Nina Hawrylow, Stefan Heck und Sofia Onufriv.
Durch die brisanten Entwicklungen in der Ukraine wurden die Übersetzerteams  auch mit Fragen nach der politischen Relevanz ihrer Arbeit konfrontiert. Sie reagierten mit mehreren spontanen Aktionen: so wurden z.B. durch ihre Mitarbeit an dem Buch „Majdan! Ukraine, Europa“  schon im Frühjahr 2014 die aktuellen Texte aus der Ukraine nach Deutschland vermittelt.
Eine Teilnehmerin aus der Ukraine bilanziert: „Als Fazit muss ich sagen, dass TransStar mir viele einzigartige Erfahrungen geschenkt hat, die ich woanders nie gesammelt hätte. Ich gehe jetzt an eine literarische Übersetzung viel sicherer heran und weiß genau, was von mir verlangt wird.“
Das sind gute Voraussetzungen für Verlage in Deutschland und in der Ukraine, mehr literarische Übersetzungen in ihre Programme aufzunehmen!

Die Publikationen

Als Ergebnis der Übersetzerwerkstatt erschien im Verlag Krytyka 2015 die Anthologie „Alle Anderen – Geschichten über Liebe, Gewalt und Erinnerung“. Ukrainische Leser können hier Prosatexte deutscher Gegenwartsautoren kennen lernen, z.B. von Felicitas Hoppe, Jenny Erpenbeck, Ralf Rothmann und Yoko Tawada.  Im Nachwort der Herausgeber heißt es: „Es ist ein auffallend vielstimmiges, multikulturelles Buch mit eindeutig deutschen Geschichten, wenn das auch nicht auf den ersten Blick offensichtlich ist. Die Erzählungen bilden zusammen genommen die private und familiäre Geschichte ihres und unseres Europas, eine europäische Familie, ein neuartiges Europa …“
In der deutschsprachigen Anthologie  „Geschichte/n erzählen“ (Edition fotoTapeta) sind Geschichten über die Geschichte aus 7 Ländern zu entdecken, darunter Texte der bisher im deutschsprachigen Raum kaum bekannten ukrainischen Autoren Jurij Izdryk, Saschko Uschkalow und Lina Kostenko.

Auch die Fachdiskussion wurde durch TransStar Europa belebt: in dem Band "Übersetzungslandschaften" werden die Themen und Akteure der Literaturübersetzung in Ost- und Mitteleuropa gründlich dargestellt und analysiert; die ukrainische Projektleiterin Maria Ivanytzka untersucht in ihrer Studie Die Persönlichkeit des Übersetzers in den deutsch-ukrainischen Literaturbeziehungen (Verlag Books XXI) den Transfer ukrainischer Literatur in den deutschsprachigen Raum von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart.

Wie geht es weiter?

In seinem provokativen Essay Warum sich mit ukrainischer Kultur beschäftigen? schreibt Jurko Prochasko: „Wenn wir Europa wirklich ernst nehmen würden, würden wir es kaum anders denken als ein kulturelles Kontinuum, nicht im Sinne von friedfertiger Widerspruchslosigkeit, sondern als ein Gebilde, das man ohne die größeren Kontexte nicht adäquat verstehen kann – nicht die herrliche Größe der großen Kulturen, aber auch nicht die vermeintliche Misere der unauratischen.“

Durch TransStar Europa ist ein Netzwerk entstanden, das für den Kultur- und Literaturaustausch zwischen Deutschland und der Ukraine auch in den nächsten Jahren wirksam bleiben wird. So engagiert sich ein Projektteilnehmer am Brecht-Zentrum der Iwan-Franko-Universität in Zhitomir für die Besonderheiten der Theaterübersetzung. An der Kiewer Schewtscheno-Universität werden ab 2016 im Curriculum „Theorie und Praxis des Übersetzens aus dem Deutschen“ Workshops zur Literaturübersetzung eingeführt.

Auch in die Übersetzungsförderung des Goethe-Instituts werden die Impulse des TransStar-Projekts einfließen und so die Kontinuität des deutsch-ukrainischen Kulturaustauschs sicherstellen.