Open Access 2020
„Umgestaltung des Zeitschriftenmarkts“

OA2020 zielt auf eine Transformation des Markts der wissenschaftlichen Publikationen
OA2020 zielt auf eine Transformation des Markts der wissenschaftlichen Publikationen | Foto (Ausschnitt) © ra2 studio - Fotolia.com

Im März 2016 ist eine neue Open-Access-Initiative gestartet, um wissenschaftliche Literatur kostenfrei online zugänglich zu machen. Frank Sander, Leiter der Max Planck Digital Library, erklärt die Ziele von OA2020.

Herr Sander, die deutschen Wissenschaftsorganisationen fordern seit 2003, dass wissenschaftliche Artikel unmittelbar open access – also frei zugänglich – publiziert werden. Was ist neu an der Initiative Open Access 2020, die im Frühjahr 2016 von der Max-Planck-Gesellschaft gestartet wurde?

Das Neue ist: OA2020 zielt auf eine Transformation des Markts der wissenschaftlichen Publikationen. Es geht also nicht mehr nur darum, Open Access grundsätzlich gutzuheißen, sondern um eine konkrete Umstellung der Geschäftsmodelle, so dass der größte Teil aller wissenschaftlichen Publikationen vom ersten Tag des Erscheinens an frei zugänglich ist.

Abschied vom Subskriptionsmodell

Dr. Frank Sander Foto (Ausschnitt): © Max Planck Digital Library Das bisher am Markt vorherrschende Subskriptionsmodell soll abgelöst werden. Dort finanziert der Nutzer die Zeitschriften – durch Abonnements. In Zukunft sollen die Verlage pro Artikel, der open access publiziert wird, bezahlt werden. Das heißt, die wissenschaftliche Einrichtung, in der ein Beitrag entstanden ist, zahlt die Publikationskosten. Ist das finanzierbar?

Ja, weil das Geld bereits heute im System ist. Mit dem Geld, das heute für Zeitschriftenabonnements ausgegeben wird, werden in den Verlagen alle notwendigen Leistungen erbracht.

Also etwa die Peer-review-Verfahren, die Redaktion und die eigentliche Veröffentlichung.

Ja. Es geht nicht darum, Geld einzusparen, sondern das Geschäftsmodell zu verändern. Und falls sogar finanzielle Spielräume entstehen, können Verlage diese zu Gunsten ihrer Kunden nutzen. Wir haben in einer weltweiten Studie die gesamten Kosten für die Publikation wissenschaftlicher Artikel im Subskriptionsmodell ermittelt. Wenn man die Summe durch die Anzahl der Artikel teilt, die auf diesem Weg publiziert werden, kommt man auf Kosten von 3.000 bis 5.000 Euro pro Artikel. Und wir zahlen heute typischerweise für eine Open-Access-Publikation 1.250 Euro. Die Verlage, die hochwertige Open-Access-Publikationen anbieten, können das zu einem deutlich niedrigeren Preis, als es im Subskriptionsmodell üblich ist.

Welche Rolle kommt den wissenschaftlichen Bibliotheken bei diesem Transformationsprozess zu?

Die Bibliotheken können wichtige Treiber der Open-Access-Initiative sein. Es sind ja vor allem die Budgets der Bibliotheken, die an die Verlage fließen. Gemeinsam mit den Wissenschaftlern können die Bibliotheken entscheiden, auf welchem Weg sie die Verlage im Bereich der wissenschaftlichen Zeitschriften bezahlen möchten. Die Budgets, die Bibliotheken heute für Zeitschriftenabonnements ausgeben, müssten nach und nach in Budgets für Open-Access-Publikationsgebühren umgewandelt werden. Und natürlich werden die Bibliotheken die Wissenschaftler in Zukunft noch stärker als heute beim Publizieren und bei der vertraglichen Abwicklung der Publikation unterstützen müssen.

Die Umstellung soll für Verlage funktionieren

Gibt es einen konkreten Plan für die Umstellung?

Auf der ganzen Welt entwickeln Arbeitsgruppen Pläne dazu, wie die Umstellung in den einzelnen Ländern passieren soll. Eingebunden sind wissenschaftliche Einrichtungen sowie Bibliotheken. Es werden aber natürlich auch Gespräche mit den Verlagen geführt. Die Verlage müssen darauf vertrauen können, dass sie auch im neuen Geschäftsmodell ihre Umsätze erwirtschaften können.

Die Umstellung kann sicher nicht von heute auf morgen geschehen …

Nein. Jeder Verlag hat hausinterne Prozesse, die modifiziert werden müssen. Das dauert mehrere Jahre. Aber es gibt auch ein Übergangsmodell, das Offsetting. Die Idee ist hier, Subskriptionskosten mit den für Open Access üblichen Gebühren zu verrechnen.

Die Initiative OA2020 haben in den ersten fünf Monaten über 60 Wissenschaftsorganisationen unterzeichnet. Auch die EU-Wettbewerbskommission hat die Verlage aufgerufen, bis 2020 auf Open Access umzustellen. Wie stehen die Verlage dazu?

Grundsätzlich sind sie offen. Die meisten Verlage sehen, dass sie sich mit dem Thema Open Access auseinandersetzen müssen. Im Jahr 2015 wurden bereits 16 Prozent der wissenschaftlichen Artikel direkt open access publiziert – und der Anteil wächst. Zusätzlich gibt es einen Wettbewerb innerhalb der Verlagswelt. Junge Open-Access-Verlage operieren erfolgreich mit dem neuen Geschäftsmodell und graben den mit dem Subskriptionsmodell arbeitenden Verlagen nach und nach das Wasser ab. Einige große Verlage kommunizieren bereits, dass sie auf ein Open-Access-Modell setzen.

Wie sehen Sie die Rolle Deutschlands innerhalb der Open-Access-Bewegung?

Die deutsche Politik ist da ein bisschen zögerlich. Aber die deutschen Forschungsorganisationen – wie etwa die Max-Planck-Gesellschaft – sind seit der Berliner Erklärung als Vorkämpfer mit dabei. Und bei OA2020 betreiben wir die Kommunikation auch international.

Was kann bis 2020 tatsächlich erreicht werden?

Ich halte eine Umstellung von 80 Prozent des Marktes für realistisch. Fast alle Verlage haben schon Erfahrungen mit Open-Access-Publikationen und tun sich zunehmend leichter, die notwendigen Prozesse dafür zu betreiben. Das Ziel 2020 ist von hinreichend vielen Akteuren ins Auge gefasst. Es bestehen also gute Chancen, dass bis dahin ein Großteil des Marktes umgestellt ist.