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Wolodymyr-Steig und die erste elektrische Straßenbahn in Osteuropa

Blick auf Podil vom Wolodymyr-Steig
Blick auf Podil vom Wolodymyr-Steig | © Goethe-Institut / Serhiy Klymenko

Der deutsche Ingenieur Amand Struve beschäftigte sich mit dem Verkehrsbauwesen. 1892 ließ er auf der steilsten Straße Kiews die erste elektrische Straßenbahn Osteuropas fahren.

Seit uralten Zeiten besteht Kiew aus drei Stadtkernen: die untere Stadt (Podil), die obere Stadt (Fürstenstadt) und die Kiewer Lawra (oder Kiewer Höhlenkloster). Die obere Stadt entwickelte sich historisch aus der frühmittelalterlichen Stadt der Fürsten mit Palästen und Steinkirchen, darunter die Sophienkathedrale, das Goldene Tor etc. In der unteren Stadt wohnten vorwiegend Handwerker, Händler und Fischer. Auf einem anderen Hügel wuchs die Stadt um die wichtigste Kirche und das religiöse Zentrum Kiews, das Höhlenkloster.

Bis zum 19. Jahrhundert gab es zwischen der unteren Stadt Podil und der Lawra keine ordentliche Straße. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts begann man eine richtige Straße zu bauen, die heute als Wolodymyr-Steig bekannt ist.
Damals gab es in Kiew fast keine öffentlichen Verkehrsmittel, nur Kutschen und mit Pferden gespannte Wagen. Um das Problem zu lösen, kam der russische Ingenieur deutscher Herkunft Amand Struve (1835-1898) auf die Idee, auf den Straßen Schienen zu verlegen und von Pferden gezogenen Straßenbahnen einzuführen.

Bald wurden fast überall im Stadtzentrum Schienen verlegt, die sich von den heutigen Straßenbahnschienen kaum unterscheiden. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass die Pferde-Straßenbahn an den steilen Kiewer Straßen versagte, die Pferdekraft reichte nicht aus, um den Wagen nach oben zu ziehen.

Amand Struve hatte sofort eine andere Lösung parat: eine elektrische Straßenbahn. Am 13. Juni 1892 fuhr die erste Straßenbahn Osteuropas über den Wolodymyr-Steig. In den nächsten Jahren wurden die meisten Pferde-Straßenbahnen durch elektrische ersetzt. Die einzige noch aktive Pferde-Straßenbahn weltweit befindet sich an der Douglas-Bucht in den USA.

An die erste elektrische Straßenbahn erinnert heute ein hübsches kleines Denkmal am Poschtowa Ploschtscha. Am 11. April 1977 fuhr eine Straßenbahn zum letzten Mal über den Wolodymyr-Steig.

Amand Struve war zugleich ein erfolgreicher Ingenieur und Geschäftsmann. Er baute mehrere Eisenbahnbrücken und besaß einige Stahl- und Dampflokbetriebe. Fast ein Drittel aller Lokomotiven im Russischen Reich wurden in Struve-Werken hergestellt. So entwickelte er auch das Straßenbahnnetz mithilfe seiner eigenen Produktion. Die Kiewer Straßenbahn wird ein ewiges Denkmal für den innovativen Ingenieur Amand Struve sein. 

Aus der Geschichte des Wolodymyr-Steiges 

© Goethe-Institut / Film – Wolodymyr Usik, Ton – Mykhaylo Zakutskiy, Vorleser – Florian Rinesch
© Goethe-Institut / Film – Wolodymyr Usik, Ton – Mykhaylo Zakutskiy, Vorleser – Florian Rinesch

Standortinformationen

Wolodymyr-Steig und die erste elektrische Straßenbahn in Osteuropa
Kiew, Wolodymyrskyj uzwiz (Wolodymyr-Steig)