Road Map

Road Map Foto: Natalka Dyachenko

Im Laufe der „Kultur- und Bildungsakademie 2015“ wurde gemeinsam mit den ukrainischen Teilnehmenden und den drei deutschen Kulturexperten Dr. Patrick S. Föhl, Marc Gegenfurtner und Prof. Dr. Gernot Wolfram eine „Roadmap für kulturelle Entwicklung in der Ukraine“ erstellt, die Kulturmanagern und Kulturschaffenden, nicht nur in der Ukraine, als Leitfaden dienen kann, wie erfolgreiche Kulturprojekte geplant und durchgeführt werden.

Ebenfalls werden vier Best-practice-Projekte vorgestellt, die während der Kultur- & Bildungsakademie von den Teilnehmenden entwickelt wurden. Ein umfangreiches Glossar mit Definitionen der wichtigsten Terminologien hilft außerdem dabei, eine Fachsprache zu finden, die international gültig ist.

Seit Anfang des Jahres liegt die dreisprachige Publikation (Ukrainisch, Deutsch, Englisch) in gedruckter Form vor und kann beim Goethe-Institut Ukraine bestellt werden:
ilona.demchenko@goethe.de
(Das Porto wird vom Empfänger gezahlt)

Ebenfalls bietet das Goethe-Institut Ukraine eine Online-Version an, die kostenlos heruntergeladen werden kann:

Road Map Foto: Natalka Dyachenko

Patrick Föhl, Gernot Wolfram und Marc Gegenfurtner im Interview zum „Road Map“

In einem Interview mit dem Goethe-Institut berichten die drei deutschen Experten von der Entstehung der Roadmap und deren Bedeutung für die Kulturtransformation in der Ukraine.

Herr Föhl, Herr Gegenfurtner und Herr Wolfram, das von Ihnen moderierte Projekt „Road Map für kulturelle Entwicklung in der Ukraine“ ist Teil der bereits 2015 initiierten „Kultur- und Bildungsakademie“. Wie verorten Sie die „Road Map“ innerhalb dieses Rahmens und was ist das besondere an der Publikation im Gegensatz zu anderen von Ihnen realisierten Kulturprojekten?

Die Besonderheit an der vorgelegten Road Map ist die kollaborative Vorgehensweise bei ihrer Erarbeitung. Kulturschaffende aus der gesamten Ukraine haben gemeinsam mit uns – und ermöglicht durch das Goethe-Institut sowie durch das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland – in Workshops und den darin entwickelten Projekten Themen- sowie Handlungsfelder identifiziert, die sinnvolle Entwicklungsschritte im Kunst- und Kulturbereich aufzeigen. Die Road Map ist ein Versuch, Wege zu beschreiben, mit denen Menschen ihre Zukunft sehen, die sich in einem politisch umkämpften Umfeld mit Kunst und Kultur beschäftigen. Sie macht deutlich, dass Kultur ein Schlüssel sein kann für Austausch, Dialog, Vernetzung und aktives Handeln im Allgemeinen. Ein Schlüssel – das ist zu betonen – keine Lösung. Die Road Map ist dabei ein praxisorientierter Ausblick auf und Bauplan für die Möglichkeiten eines zukunftsfähigen Zusammenarbeitens von kreativen Akteuren, Ideen und Meinungen.

Wir haben also unterschiedliche Aspekte in diesem Prozess vereinigt: die Identifizierung von Schlüsselakteuren und allen Beteiligten gemeinsamen relevanten Themen und damit verbunden auch eine Netzwerkbildung einerseits, sowie konkrete Aktivierungsschritte und daraus entstehende konkrete Projekte andererseits. Und alles gemeinsam floss dann in eine Art kombinierter Bestandsaufnahme und die Dokumentation der Handlungsoptionen. Zudem hat der Prozess auch deutlichen Fortbildungscharakter. Geeigneter und nachhaltiger kann man unseres Erachtens Theorie und Praxis für alle Beteiligten kaum verbinden. Auch für uns hatten diese Begegnungen übrigens einen großen Lerneffekt. Wir haben uns als Partner auf Augenhöhe verstanden, auch wenn es freilich Unterschiede in manchen Ansichten gab.

Sie haben während der Projektarbeit eng mit ukrainischen Kulturschaffenden zusammen gearbeitet – wie verlief der Prozess? Und wie schätzen Sie nach den von Ihnen gemachten Erfahrungen den gegenwärtigen Status von Kultur in der Ukraine – gerade in Anbetracht der politischen Krisen – ein?

Der Prozess war für uns alle sehr lehrreich und gegenseitig befruchtend und die persönlichen Begegnungen äußerst inspirierend. Vor allem der enorme Elan und das grenzenlos wirkende Engagement, das alle Beteiligten an den Tag legten, um die gemeinsamen Ziele wie die Gestaltung einer friedvollen und selbstbewussten Gesellschaft zu beschreiben und zu erreichen, haben uns jedes Mal aufs Neue beeindruckt.

Wenn man von Krise sprechen möchte, dann war sie stets als Moment der Chance zur Veränderung und Umgestaltung zu spüren. Dass Kunst und Kultur tatsächlich entscheidende Instrumente zur gesellschaftlichen Gestaltung entwickeln können, war uns selten so deutlich geworden wie in der Ukraine. Und allen Beteiligten – ob aus dem öffentlichen Sektor oder den zahlreichen NGOs – wurde dabei zunehmend deutlich, dass Veränderung nur gemeinsam zu bewerkstelligen ist. Gleichzeitig wollten wir natürlich keine konfliktfreien Lösungen, sondern eben das Disparate, Uneindeutige der Kunst als besondere Qualität stärken.

Mit einem der „Road Map“ angefügten Glossar versuchen sie die Publikation auch für andere Länder anwendbar zu machen. Wie können die Erkenntnisse der Road Map an andere Orten übertragen werden?

Die zentralen Fragestellungen in Bezug auf kulturelle Entwicklung und Kulturmanagement ähneln sich im Wesentlichen doch weltweit und die dafür erforderlichen Instrumente ebenso. Allerdings haben wir – nicht zum ersten Mal – bemerkt, dass klare Definitionen hinter vielen Begriffen helfen, eine gemeinsame Fachsprache und ein gegenseitiges Verständnis zu finden. Dies ist gerade dann erforderlich, wenn Akteure unterschiedlicher Sparten und Bereiche erstmals aufeinander treffen.

Wenn man die Road Map liest, werden die grundlegenden Herausforderungen kultureller Arbeit gerade in Gegenden mit rasantem Veränderungspotenzial und die daraus resultierenden Handlungsnotwendigkeiten eigentlich schnell erkennbar. Mit den konkreten Projekten, die im Road-Map-Prozess entstanden und in der Broschüre dokumentiert sind, werden zudem Best Practice Beispiele gegeben und deren konkrete Umsetzung dokumentiert. Hierdurch werden viele Impulse gegeben, die nun eigene Übersetzungen in der Ukraine benötigen.Unser Ansatz war, dass diese Arbeit einen entsprechenden Mehrwert erhält – auch für Kulturentwicklungsprojekte in anderen Ländern.

Unsere Rolle haben wir dabei wir als Begleiter, Anreger und nicht als Lösungsvermittler gesehen.

Wie geht es nun weiter nach der „Road Map“? Was wünschen Sie sich für die Umsetzung?

Wenn die Projekte in der beschriebenen Form oder auch in modifizierter Art und Weise weiter betrieben werden, die Akteure vernetzt bleiben und gemeinsam weiter an der kulturellen Weiterentwicklung ihrer Städte, Regionen, Oblasts oder auch des gesamten Landes arbeiten, ist schon viel gewonnen. Gegenwärtig sehen wir das bei einigen Projekten sehr deutlich. Wenn zudem durch das Goethe Institut auch ein Internationales Netzwerk entstünde, würden auch andere Länder von den vielfältigen Erfahrungen dieser kulturell reichen Ukraine lernen können. Und es wäre dem Land und seinen Menschen auch zu wünschen, dass es sein kulturelles Selbstbewusstsein erhält und seine Vielfalt weiterhin als Herausforderung und Gewinn begreift.

Wenn die Road Map selbst als Möglichkeit auch für andere Goethe Institute genommen werden könnte, wäre dies natürlich erfreulich und diente einer Fortführung der Arbeit, wie wir sie uns alle wünschen. Gerade bei diesem Projekt ist es wichtig, die entstandenen Netzwerke nun weiter zu fördern. 

Fragen stellte: Friederike van Stephaudt

Übersetzung: Mykhailo Iurchenko