Buchdesign
Ukrainisches Buchdesign sichtbar machen

Книга "Я так бачу" отримала бронзову медаль конкурсу "Найкрасивіші книги світу"
Das Buch "So wie ich das sehe" hat die Bronzemedaille beim Wettbewerb "Die schönsten Bücher aus aller Welt" 2019 gewonnen. | Quelle: facebook.com/agrafkastudio

Jedes ihrer Bücher ist ein visuelles und ästhetisches Abenteuer, jeder ihrer internationalen Preise gibt Anlass zur Freude für das ukrainische Buchdesign: Das Atelier Agrafka – bestehend aus Romana Romanyschyn und Andrij Lesiw – hat erneut eine internationale Jury begeistert.

Das prämierte Buch So wie ich das sehe handelt von einer besonderen Reise in die Welt des Sehens, des Sichtbaren und Unsichtbaren. Es ist das zweite Non-Fiction-Projekt dieses Künstlertandems, das der ukrainischen Leserschaft bereits bekannt ist durch die erste Publikation Laut, leise, flüsternd über Hören und Geräusche. Beide Bücher erschienen im Verlag Old Lion Publishing und haben 2018 den wichtigsten internationalen Preis für Kinderbücher, den Bologna Ragazzi Award, in der Kategorie Non-Fiction gewonnen.

In diesem Jahr erhielt So wie ich das sehe noch einen hochkarätigen Preis: die Bronzemedaille im Wettbewerb Schönste Bücher aus aller Welt der Stiftung Buchkunst. Die Jury beurteilte 2019 die Gestaltung von 600 Büchern aus 32 Ländern. Publikationen aus zehn Staaten wurden prämiert, dazu zählt auch die Ukraine. Den Weg in die Auswahl für die schönsten Bücher aus aller Welt ebnete dem Atelier Agrafka der Sieg im nationalen Wettbewerb Das beste Buchdesign, der vom Internationalen Festival Book Arsenal, dem Goethe-Institut Ukraine und der Literaturplattform Chytomo organisiert wurde.

Aus diesem Anlass führten wir ein Gespräch mit Romana Romanyschyn und Andrij Lesiw über ihre kreativen Experimente, die Suche nach visuellen Lösungen und das Buch als Kommunikationsmittel.

Wann haben Sie verstanden, dass Ihr Medium für die Kommunikation mit der Welt das Buch ist?

Für uns war das Buch keinesfalls das einzige kreative Medium, das wir bewusst auswählten, sondern unser Weg war eher intuitiv und chaotisch. Durch die Symbiose von Text und Bild, durch das Materielle und Haptische spielt das Buch die Schlüsselrolle in unserer künstlerischen Praxis. Die Arbeit an Bücherprojekten verlangt ständige Konzentration, Beachtung von mehreren Details und gleichzeitig die Wahrnehmung des gesamten Bildes. Wir verstehen das Buch als ein künstlerisches Artefakt, das für die Kommunikation auf mehreren Ebenen geeignet ist. Darüber hinaus eröffnet das Buch einen Zugang zur breiten Öffentlichkeit.

Andrij Lesiw und Romana Romanyschyn
Andrij Lesiw und Romana Romanyschyn | Quelle: facebook.com/agrafkastudio
Wie wählen Sie die visuelle Sprache für ein Projekt? Wie verläuft dieser Prozess?

Die Auswahl einer visuellen Sprache ist bei jedem Projekt einer der wichtigsten Schritte unserer Arbeit. Ein Projekt beruht auf einer Idee, sie bildet den Anfang für alles. Es ist für uns wichtig, ein schlankes Konzept zu finden, das dem Buch zugrunde liegen kann. Zu diesem Prozess gehört auch die Suche nach einer visuellen Sprache, die der Idee entspricht. Wie man einen Edelstein schleift, jeden auf seine eigene Art und Weise, damit seine natürliche Schönheit zum Ausdruck kommt und ihn in einen Brillanten verwandelt.

Sie verbinden häufig Ansätze traditioneller und digitaler Grafik. Welche ist Ihnen näher? Braucht man heute noch Techniken wie Radierung oder Siebdruck im Buchdesign?

Jede Technik ist nur ein Werkzeug, das wir nutzen, wenn es passt. Wir geben keiner die Priorität, digitale wie auch traditionelle grafische Techniken haben eigene Vorteile. Wir setzen sie in gleichem Maße ein. Klassische Grafik haben wir gerne – Radierung, Lithografie, Linolschnitt, Siebdruck: Sie verleihen eine echte Haptik, und zusammen mit den digitalen Mitteln erzeugen sie einen völlig neuen Eindruck. Ob man heute noch für Grafikprojekte klassische grafische Techniken braucht? Wir sind überzeugt, dass man sie braucht. Und es geht hier nicht nur um Design. Man muss nur an das Zusammenspiel von klassischen Musikinstrumenten und Elektronik, von Zeichnungen und Computermodellen in der Animation, von digital und analog gedrehten Filmen denken – diese Fusionen bringen unglaubliche Ergebnisse.

Bei Ihren Präsentationen sprechen Sie von gründlichen Recherchen, mühevoller Informationssuche zu jedem Projekt. Wo suchen Sie und wodurch lassen Sie sich inspirieren?

In das neue Thema komplett einzutauchen, das ist für uns sehr wichtig. Wir untersuchen den Kontext, die Ursprünge und Wurzeln des Stoffes, mit dem wir arbeiten – sei es Literatur, visuelle Kultur, Film, Theater, Musik … Eine große Rolle spielt die Epoche, in der sich der Inhalt des Buches entfaltet. Wir brauchen profunde Kenntnisse, um das Thema fachlich und interessant zu vermitteln. Am Ende haben wir dann immer viel mehr Informationen als für ein Projekt nötig. Wir filtern alles mehrmals und sind dann in der Lage, das Thema knapp und möglichst klar darzustellen.

Design: Art Studio Agrafka
Design: Art Studio Agrafka | Quelle: facebook.com/agrafkastudio
Wir arbeiten Sie zusammen? Wie ist Ihre Arbeitsteilung?

Seitdem wir uns mit Büchern beschäftigen, haben wir nachhaltige Herangehensweisen für eine gemeinsame Arbeit entwickelt und eine gewisse Arbeitsteilung erreicht: Romana arbeitet an Illustrationen und visueller Sprache, Andrij ist für Layout und technische Aufgaben zuständig. Ideen zu finden und zu entwickeln, das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Diese Arbeitsweise – gemeinsam und zugleich aufgeteilt – passt für uns sehr gut und hat sich in der Praxis erprobt.

Eine fremde Geschichte zu illustrieren oder Ihre eigene herauszubringen: Was ist für Sie spannender?

Beide Ansätze finden wir interessant, wir arbeiten sowohl mit eigenen Geschichten als auch mit Texten anderer Autoren. In letzter Zeit bevorzugen wir unsere eigenen Projekte, weil wir uns hier besser entfalten können.

Welche Altersgruppe ist für Sie besonders reizvoll?

Wir arbeiten mit gleichem Interesse und gleicher Hingabe für Kinder wie für Erwachsene, und wir wechseln gerne ab, um einen klaren und frischen Blick zu behalten.

Was kann das zeitgenössische ukrainische Design der Welt bieten? Wohin soll es sich entwickeln?

Wir sind zurzeit in einer spannenden Entstehungsphase. Unsere eigene visuelle Identität zu finden, das ukrainische Buchdesign als wiedererkennbares Phänomen in die Welt zu bringen – das ist eine äußerst schwierige Aufgabe. Es ist wichtig, starke Tradition und supermoderne Ansätze in einer Balance zu halten. Uns steht viel Arbeit bevor.

Was bedeuten Ihre Preise für Sie, etwa der renommierte White Ravens Award oder der Bologna Ragazzi Award?

Die Teilnahme an internationalen Wettbewerben und Ausstellungen spielt für uns eine große Rolle und zeigt uns im Weltkontext. Internationale Auszeichnungen sind nicht nur Freude und Prestige, sondern in erster Linie Beweis dafür, dass unsere Arbeit aktuell und nötig ist. Dazu ist das noch ein toller Ansporn für Weiterentwicklung. In der Jury des Bologna Ragazzi Award oder für die schönsten Bücher der Welt sitzen bekannte Designer und Künstler. Ihre Anerkennung ist außerordentlich wichtig und angenehm.

Zu Ihren jüngsten Leistungen gehört die Bronzemedaille im Wettbewerb „Schönste Bücher aus aller Welt“. Was heißt für Sie die Auszeichnung eines der renommiertesten Buchdesign-Wettbewerbe, zu dem die schönsten Bücher aus der ganzen Welt eingereicht werden?

Wir sind begeistert! Seit vielen Jahren hat dieser Wettbewerb für uns eine sehr große Bedeutung, er hat ein unglaubliches Angebot an wertvollen Projekten und betont die Ästhetik als höchsten Wert. Das belegt, dass unser Buch aktuell und auch außerhalb seiner Region verständlich ist. Besonders wichtig und schön für uns ist jedoch, dass der Wettbewerb seinen Akzent gerade auf das Buch als Gestaltungsobjekt setzt, als ein einheitliches Artefakt, ohne sich auf Illustrationen oder Geschichte zu begrenzen. Hier zeichnet man das Buch als ein Objekt aus.

Die schönsten Bücher aus aller Welt 2019: Preisverleihung
Die schönsten Bücher aus aller Welt 2019: Preisverleihung | Foto: Goethe-Institut/Eva Korb
Das Buch „So wie ich das sehe“ fand seinen Weg zu den schönsten Büchern aus aller Welt nach dem Sieg im ukrainischen Wettbewerb Das beste Buchdesign. Sie waren selbst Jurymitglieder bei Buchdesign-Wettbewerben in mehreren Ländern der Welt. Welche Rolle spielen diese Wettbewerbe für die Buchbranche?

Man braucht Buchdesign-Wettbewerbe ebenso wie Kunstausstellungen oder Filmfestivals. Sie zeigen das aktuelle Bild, helfen dabei, die Entwicklungen im Buchdesign und visuellen Buch zu verstehen. Dieser Wettbewerb beschränkt sich nicht nur auf die Illustrationen, sondern betrachtet das Buch als Gestaltungsobjekt, als Artefakt. Und hier spielt es keine Rolle, ob es sich um ein Kinderbuch oder ein Buch für Erwachsene handelt. Hauptsache, es ist visuell perfekt und stimmig.

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