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Füllfederhalter
Vom Ende der Kleckse

Wurde mit den Jahren in Europa zu einem zunehmend ausgeklügelten Schreibgerät: der Füllfederhalter.
Wurde mit den Jahren in Europa zu einem zunehmend ausgeklügelten Schreibgerät: der Füllfederhalter. | Foto (Zuschnitt): © Adobe

Verträge, Liebesbriefe, Schulaufsätze – im Lauf der Jahrhunderte haben Tintenflecke viele Schreiben ruiniert. Doch mit den Jahren entstand in Europa aus einem einfachen Federkiel ein ausgeklügeltes Schreibgerät: der Füllfederhalter.

Von Viola Kiel

Mit einem Federkiel in der Hand sinnen Luther, Fontane oder der Archäologe Johann Joachim Winckelmann über ihre nächsten Zeilen nach – auf Ölgemälden hat dieser Anblick Jahrhunderte überdauert. Was die Bilder allerdings nicht verraten: wie viel Ärger so eine Tintenfeder macht. Johann Wolfgang von Goethe, der in seinem Leben Tausende Seiten schrieb, notierte in einem Brief: „Die Tinte macht uns wohl gelehrt, doch ärgert sie, wo sie nicht hingehört. Geschrieben Wort ist Perlen gleich, ein Tintenklecks ein böser Streich!“

Heute müssen die klugen Köpfe nicht mehr fürchten, wichtige Dokumente mit Tintenklecksen zu verunstalten – dem Füllfederhalter sei Dank. Schulkinder schreiben mit ihm ebenso wie Präsidenten. Seine Geschichte verläuft, fast wie eine Handschrift, in geschwungenen Bahnen. 

Ob bei den Ägyptern, den Römern oder den Kopten: Die zumeist aus Schilfrohr bestehende Rohrfeder war das alles dominierende Schreibgerät der Antike. Ob bei den Ägyptern, den Römern oder den Kopten: Die zumeist aus Schilfrohr bestehende Rohrfeder war das alles dominierende Schreibgerät der Antike. | Foto (Zuschnitt): © picture alliance / Philippe Maillard / akg-images

Zwischen dem zweiten und vierten Jahrhundert nach Christus begannen die Menschen allmählich, mit Federkielen statt mit Schilfrohr zu scheiben. Einen der ersten Nachweise über einen Vorläufer des heutigen Füllfederhalters findet man im Werk Deliciae Physico-Mathematicae des fränkischen Gelehrten Daniel Schwenter aus dem Jahr 1636.

Darin beschrieb der Mathematiker und Professor für orientalische Sprachen ein Schreibgerät, das aus zwei ineinander geschobenen Federkielen bestand. Ein Kiel wurde mit Tinte befüllt und mit einem Korken verschlossen, durch ein kleines Loch im Korken konnte die Tinte gedrückt werden und gelangte durch den zweiten Kiel aufs Papier. 

Der Federkiel löste die Rohrfeder ab – ihn zu benutzen war aber alles andere als ein kleckerfreies Schreibvergnügen. Der Federkiel löste die Rohrfeder ab – ihn zu benutzen war aber alles andere als ein kleckerfreies Schreibvergnügen. | Foto: © Adobe
Knapp 200 Jahre sollte es danach dauern, bis der Rumäne Petrache Poenaru sich in Frankreich den ersten Füllfederhalter patentieren ließ. Poenaru, der später für den Aufbau des rumänischen Bildungswesens verantwortlich werden sollte, studierte in Paris Kartographie. Im Jahr 1827 bestätigte man ihm dort die Erfindung der „Plume portable sans fin qui s’alimente elle-même avec de l’encre“ – einer tragbaren Tintenfeder, die sich mithilfe eines eingebauten Tanks selbstständig mit Tinte versorgte. Das Eintauchen in ein Tintenfass war nicht mehr nötig; kleckssicher war die Erfindung aber noch lange nicht.
 
Wenig später machte dann der Schotte Robert William Thomson von sich reden: 1822 als elftes von zwölf Kindern geboren, fiel er schon als Junge durch seinen Erfindergeist auf. Mit 17 Jahren hatte Thomson bereits eine Wäschemangel, eine Bandsäge und eine Drehscheibendampfmaschine entwickelt. Als sein größtes Verdienst wertete die Nachwelt die Erfindung aufblasbarer Reifen, aber auch den heutigen Füllfederhalter gäbe es ohne seine Ideen vielleicht nicht in dieser Form: 1849 beantragte Thomson ein Patent auf seinen Fountain Pen, den er zwei Jahre später auf der Weltausstellung in London präsentierte. 

Dieser Füllfederhalter bestand aus einem spitz zulaufenden Glasröhrchen, in das die Tinte gefüllt werden konnte, und einem Gummieinsatz, der sich den sogenannten Kapillareffekt zunutze machte: Flüssigkeiten steigen in dünnen Röhren nach oben – und Thomson hatte einen Weg gefunden, die Tinte kontrolliert zur Feder zu bringen.

Der Rumäne Petrache Poenaru ebnete mit seiner Erfindung den Weg für die Entwicklung des modernen Füllfederhalters. Der Rumäne Petrache Poenaru ebnete mit seiner Erfindung den Weg für die Entwicklung des modernen Füllfederhalters. | Foto: gemeinfrei (Portrait) | CC BY-SA 4.0 (Patent)

Den Aufstieg des Füllfederhalters zum universalen Schreibgerät begünstigten im 19. Jahrhundert drei Entwicklungen: Erstens war mit Hartgummi, den auch Thomson nutzte, ein resistentes Material geschaffen worden, das sich leicht und für wenig Geld verarbeiten ließ. Zweitens wurden Tinten mit weniger Verunreinigungen entwickelt, was die Schreibgeräte nicht mehr verstopfte. Und drittens hatte man die Federspitzen verbessert: Im Gegensatz zu Vorgängern aus Stahl oder Eisen reagierten Federn aus Gold nicht mit der Tinte und waren weich genug, um über Papier zu gleiten. Eine Spitze aus Iridium, einem harten Metall aus der Platingruppe, verhinderte dabei einen Abrieb der Feder. In Deutschland begannen die ersten Firmen mit der seriellen Produktion, so die Fabrikanten Friedrich Soennecken 1871 und Koch/Weber im Jahr 1872.

Ein Pelikan auf jedem Schreibtisch

Allerdings hatten Schönschreiber immer noch mit einem Hindernis zu kämpfen: Auch aus den besten Füllfederhaltern floss die Tinte nicht gleichmäßig. Eine Lösung dafür fand schließlich der US-Amerikaner Lewis Edson Waterman, der 1884 in New York ein Patent für einen Füllfederhalter mit Tintenleiter anmeldete: Der Waterman Regular war mit einem Verbindungskanal zwischen Feder und Tintenreservoir ausgestattet. Beim Austritt von Tinte wurde Luft in das Reservoir gesogen, die verhinderte, dass ein Vakuum im Tank den Tintenfluss stocken ließ. Damit war die letzte Klecks-Hürde überwunden – jedenfalls während des Schreibens. 
 
Befüllt werden mussten die Federhalter mit einer Art Pipette, mit der man die Tinte in den Tank tröpfelte. Das änderte sich erst, als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die ersten Tintenpatronen aufkamen und der ungarische Ingenieur Theodor Kovács 1925 die Kolbenmechanik mit Schraubgewinde erfand. Kovács verkaufte sein Patent an eine deutsche Firma: die Marke Pelikan, die bereits das Patent des kroatischen Chemikers Slavoljub Eduard Penkala für einen Füllfederhalter mit Festtinte erworben hatte. Sie begann zwar erst 1929 mit der Produktion von Füllfederhaltern, dann jedoch mit großem Erfolg: Den Pelikan-Füller kennt in Deutschland bis heute jedes Schulkind, und in den 1950er-Jahren hatte er seinen Platz auf jedem Schreibtisch sicher. Bis er Konkurrenz bekam. Doch die Geschichte des Kugelschreibers ist eine andere.

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