Filmabend Film frei!

Master of the Universe © Nikolaus Geyrhalter / Filmproduktion GmbH

Fr, 05.04.2019

20:45 Uhr

Goethe-Institut Montevideo

Master of the Universe

Erscheinungsjahr: 2013
Dauer: 88 Min., Farbe
Land: Deutschland
Regie: Marc Bauder

Viele Jahre lang gehörte Rainer Voss zu den führenden Investmentbankern Deutschlands. In Marc Bauders Dokumentarfilm offenbart er sich als ehemaliger Akteur, man könnte auch sagen als Kronzeuge der Branche und vermittelt instruktive Innenansichten der internationalen Finanzwirtschaft. Als begnadeter Erzähler macht er einige Konstellationen und Gesetzmäßigkeiten der globalen Finanzmärkte sichtbar, erläutert alltägliche Vorgehensweisen, veranschaulicht, was diese besondere Spezies von ‚Finanzsoldaten‘ antreibt, wie sie sich in einem quasi religiösen Paralleluniversum bewegen und weshalb Finanzkrisen unabwendbar waren, sind und unter den gegebenen Umständen auch künftig sein werden.

MASTER OF THE UNIVERSE ist angelegt als One-Man-Show, nicht der bekannte und auf Ausgleich bedachte Talk-Show-Diskurs sondern zugespitzte Ansichten, denen der Regisseur ruhig strukturierend den notwendigen Denk- und Empfindungsraum gibt. Voss spricht eloquent und anschaulich, bringt abstrakte Verhältnisse auf den Punkt und findet vor allem die richtigen Gleichnisse, um so ungegenständliche Finanzprodukte wie Mortgage Backed Securities oder Credit Default Swaps zu erklären. Besonders eindrücklich bleibt die Sequenz, in der er mit der Ideologie des vernünftigen und rationalen Marktes aufräumt: MASTER OF THE UNIVERSE vermittelt Einblicke in ein Milieu, das mythisches Denken zugunsten einer vorgeblich alles beherrschenden Rationalität weit hinter sich gelassen zu haben glaubt ohne dabei zu gewärtigen, diese Rationalität längst selber mythologisiert zu haben: So formt sich ein eindrückliches Panorama der aktuellen Bankenwelt, ihrer Mentalität, ihres Habitus, ihrer Praktiken und Denkstile. Verständlich wird auch, warum die Mathematisierung der Finanzökonomie dazu geführt hat, dass bei den Banken kaum jemand mehr die eigenen Produkte versteht.

Rainer Voss berichtet auch von seinem eigenen Aufstieg in den 1980er Jahren, zeitgleich mit den Banken. Der ehemalige Investmentbanker weiß, wie es sich anfühlt, „Master Of The Universe“ zu sein, sehr viel Geld zu verschieben und daran selbst viel zu verdienen. Er entstammt kleinen Verhältnissen. Sein Vater war Heizungsingenieur, seine Mutter verstand nicht, wenn er sie von Geschäftsreisen aus Tokio oder New York anrief. Irgendwann verlor er auch den Anschluss zu seinen Freunden. Manchmal erzählten die ihm: „Wir haben unseren Urlaub bei TUI gebucht, da war's 200 Euro billiger.“ Rainer Voss sagt: „Das interessiert dich aber einfach nicht, wenn du 100.000 Euro im Monat verdienst.“

Mit seinem Film gibt der Regisseur Marc Bauder aber nicht vor, uns den Universalschlüssel zum alles durchdringenden Verständnis des geschlossenen Systems der Finanzaristokratie auszuhändigen, er ist auch keine heißblütige Abrechnung, die die schnelle Erregung befördert, eher der kühl durchdachte Versuch einer Entmystifizierung der Komplexität eben dieses Systems.

Quasi exklusiver Schauplatz von MASTER OF THE UNIVERSE ist ein ehemaliger Trading-Floor in einer der oberen Etagen eines ausrangierten Bankenturms mitten in Frankfurt. Der Turm, ehemals als stolze Kathedrale des ewigen Geldflusses gedacht, steht nach kurzer Nutzung leer weil er nach der Fusion zweier Banken schlicht überflüssig geworden war. (Für Ortskundige: es ist das einstige HypoVereinsbank-Gebäude.) Die Anmutung des Sakralen scheint dem gesamten Bau noch eingeschrieben zu sein. Jedoch wenn man Kirchtürme und Bankentürme vergleicht, fällt auf, dass sich Kirchtürme nach außen wenden, sie werben für sich mit ihrem Schmuck, ihrer Kirchturmuhr, während Bankentürme die glatte Fassade einer Macht zeigen, die es nicht nötig hat, um Zustimmung zu werben.

Ralph Eue (Filmkatakolg des Goethe-Instituts)
 

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